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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Kriegslust vorlag. In diesem Zusammenhange konnte das Projekt eines Bundes
der Balkanstaaten unter einer Art von russischem Protektorat nicht gerade vertrauen¬
erweckend wirken. Vor allem zeigte sich, daß Frankreich nicht gesonnen war, auf
diesem Wege, der den Streit über kurz oder lang zu entfesseln geeignet war, den
Genossen in der Triple-Entente unbedingt zu folgen. Wir erwähnten schon neulich,
daß auch in England Anzeichen hervortraten, wie sehr man angesichts der Haltung
der russischen Politik zur Vorsicht gestimmt ist. Man hatte die Boykottbewegung
gegen Österreich-Ungarn in der Türkei geschäftlich nach Möglichkeit auszunutzen
versucht, aber nun wurde die Lage doch bedenklich. Der regierende englische Libe¬
ralismus, der ohnehin wußte, daß die Verständigungspolitik mit Rußland in den
Reihen seiner Anhänger nicht populär war, wollte in diesen Fragen vor allem das
Einvernehmen mit Frankreich wahren; sich um Rußlands willen in einer ferner¬
liegenden Frage von Frankreich abzusondern, konnte nicht im Sinne der Kreise des
englischen Volkes liegen, auf die die heutige Regierung angewiesen ist. Und
schließlich konnte auch das Aufflackern der für die englische Denkweise sehr charakte¬
ristischen Entrüstung über Österreich-Ungarn vor einer nüchternen Auffassung poli¬
tischer Interessen auf die Dauer nicht standhalten. Aber es ist in solchem Falle
nicht ganz leicht, den Rückweg zu finden, und der Eifer des jungtürkischen Komitees
war nicht leicht zu zähmen. Würde es Kiamil Pascha gelingen, der leidenschaft¬
lichen Agitation des Komitees Herr zu werden? Die letzte Woche hat die Antwort
auf diese Frage gebracht. Baron Aehrenthal hatte den richtigen Augenblick erkannt,
wo ein weiteres Entgegenkommen Österreich-Ungarns am Platze war. Er machte
seinen bekannten Vorschlag, und Kiamil Pascha war, als er ihn im Prinzip an¬
nahm, sogleich in der Lage, dem türkischen Parlament eine Auseinandersetzung über
die auswärtige Politik der ottomanischen Regierung zu macheu. Er erhielt ein
einseitiges Vertrauensvotum und gewann dadurch die Grundlage sür die Wieder¬
aufnahme der Verhandlungen mit Österreich-Ungarn und eine gewisse Sicherheit
gegen Quertreibereien des jungtürkischen Komitees. Der Wert dieser Wendung
liegt nicht nur in der Wahrscheinlichkeit der Verständigung rin Österreich, womit
die Hnuptschwierigkeit der ganzen Orientkrisis beseitigt wäre, sondern auch in der
Möglichkeit, daß England jetzt die von ihm selbst gewünschte Annäherung an
Österreich vollzieht. Und das bedeutet in Gemeinschaft mit dem für die zweite
Februarwoche in Aussicht genommnen offiziellen Staatsbesuch des Königs Eduard
in Berlin einen entschieden Schritt zur Aufrechterhaltung des Weltfriedens.

Seit dem 12. Januar haben auch der Reichstag und das preußische Abge¬
ordnetenhaus ihre Arbeiten wieder aufgenommen; wir nähern uns also den großen
Entscheidungen, die uns dieser Tagungsabschnitt bringen soll. Während der ersten
Tage nach den Ferien hat der Reichstag zunächst kleinere Vorlagen erledigt, dann
ist er aber in die Beratung des vielumstrittnen Arbeitskammergesetzes eingetreten.
In der neuen Form scheint die Vorlage eine bedeutende Mehrheit zu finden; völlig
ablehnend verhält sich nach gewohnter Weise nur die Sozialdemokratie, weil sie
nach den Beschlüssen des Gewerkschaftskongresses von 1905 nicht Arbeitskammern,
sondern Arbeiterkammern fordert. Das bedeutet, daß sie zur Beurteilung der
wichtigen sozialpolitischen Fragen, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, nicht
eine paritätische Vertretung der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, sondern eine
einseitige Vertretung der Arbeitnehmer allein verlangt. Das ist nicht immer so
gewesen, wie den Sozialdemokraten der Staatssekretär des Innern, Staatsminister
v. Bethmann-Hollweg, in der ausgezeichneten Rede, mit der er die Debatte ein¬
leitete, ins Gedächtnis zurückrief. Die Partei fing erst an in dieser Frage mehr und
unerfüllbares zu fordern, als die Erfüllung ihrer frühern Forderung, die der älter"
Zeit schon radikal genug erschien, immerhin aber bei aufgeklärten Sozinlpolitikern


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Kriegslust vorlag. In diesem Zusammenhange konnte das Projekt eines Bundes
der Balkanstaaten unter einer Art von russischem Protektorat nicht gerade vertrauen¬
erweckend wirken. Vor allem zeigte sich, daß Frankreich nicht gesonnen war, auf
diesem Wege, der den Streit über kurz oder lang zu entfesseln geeignet war, den
Genossen in der Triple-Entente unbedingt zu folgen. Wir erwähnten schon neulich,
daß auch in England Anzeichen hervortraten, wie sehr man angesichts der Haltung
der russischen Politik zur Vorsicht gestimmt ist. Man hatte die Boykottbewegung
gegen Österreich-Ungarn in der Türkei geschäftlich nach Möglichkeit auszunutzen
versucht, aber nun wurde die Lage doch bedenklich. Der regierende englische Libe¬
ralismus, der ohnehin wußte, daß die Verständigungspolitik mit Rußland in den
Reihen seiner Anhänger nicht populär war, wollte in diesen Fragen vor allem das
Einvernehmen mit Frankreich wahren; sich um Rußlands willen in einer ferner¬
liegenden Frage von Frankreich abzusondern, konnte nicht im Sinne der Kreise des
englischen Volkes liegen, auf die die heutige Regierung angewiesen ist. Und
schließlich konnte auch das Aufflackern der für die englische Denkweise sehr charakte¬
ristischen Entrüstung über Österreich-Ungarn vor einer nüchternen Auffassung poli¬
tischer Interessen auf die Dauer nicht standhalten. Aber es ist in solchem Falle
nicht ganz leicht, den Rückweg zu finden, und der Eifer des jungtürkischen Komitees
war nicht leicht zu zähmen. Würde es Kiamil Pascha gelingen, der leidenschaft¬
lichen Agitation des Komitees Herr zu werden? Die letzte Woche hat die Antwort
auf diese Frage gebracht. Baron Aehrenthal hatte den richtigen Augenblick erkannt,
wo ein weiteres Entgegenkommen Österreich-Ungarns am Platze war. Er machte
seinen bekannten Vorschlag, und Kiamil Pascha war, als er ihn im Prinzip an¬
nahm, sogleich in der Lage, dem türkischen Parlament eine Auseinandersetzung über
die auswärtige Politik der ottomanischen Regierung zu macheu. Er erhielt ein
einseitiges Vertrauensvotum und gewann dadurch die Grundlage sür die Wieder¬
aufnahme der Verhandlungen mit Österreich-Ungarn und eine gewisse Sicherheit
gegen Quertreibereien des jungtürkischen Komitees. Der Wert dieser Wendung
liegt nicht nur in der Wahrscheinlichkeit der Verständigung rin Österreich, womit
die Hnuptschwierigkeit der ganzen Orientkrisis beseitigt wäre, sondern auch in der
Möglichkeit, daß England jetzt die von ihm selbst gewünschte Annäherung an
Österreich vollzieht. Und das bedeutet in Gemeinschaft mit dem für die zweite
Februarwoche in Aussicht genommnen offiziellen Staatsbesuch des Königs Eduard
in Berlin einen entschieden Schritt zur Aufrechterhaltung des Weltfriedens.

Seit dem 12. Januar haben auch der Reichstag und das preußische Abge¬
ordnetenhaus ihre Arbeiten wieder aufgenommen; wir nähern uns also den großen
Entscheidungen, die uns dieser Tagungsabschnitt bringen soll. Während der ersten
Tage nach den Ferien hat der Reichstag zunächst kleinere Vorlagen erledigt, dann
ist er aber in die Beratung des vielumstrittnen Arbeitskammergesetzes eingetreten.
In der neuen Form scheint die Vorlage eine bedeutende Mehrheit zu finden; völlig
ablehnend verhält sich nach gewohnter Weise nur die Sozialdemokratie, weil sie
nach den Beschlüssen des Gewerkschaftskongresses von 1905 nicht Arbeitskammern,
sondern Arbeiterkammern fordert. Das bedeutet, daß sie zur Beurteilung der
wichtigen sozialpolitischen Fragen, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, nicht
eine paritätische Vertretung der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, sondern eine
einseitige Vertretung der Arbeitnehmer allein verlangt. Das ist nicht immer so
gewesen, wie den Sozialdemokraten der Staatssekretär des Innern, Staatsminister
v. Bethmann-Hollweg, in der ausgezeichneten Rede, mit der er die Debatte ein¬
leitete, ins Gedächtnis zurückrief. Die Partei fing erst an in dieser Frage mehr und
unerfüllbares zu fordern, als die Erfüllung ihrer frühern Forderung, die der älter»
Zeit schon radikal genug erschien, immerhin aber bei aufgeklärten Sozinlpolitikern


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[0218] Maßgebliches und Unmaßgebliches Kriegslust vorlag. In diesem Zusammenhange konnte das Projekt eines Bundes der Balkanstaaten unter einer Art von russischem Protektorat nicht gerade vertrauen¬ erweckend wirken. Vor allem zeigte sich, daß Frankreich nicht gesonnen war, auf diesem Wege, der den Streit über kurz oder lang zu entfesseln geeignet war, den Genossen in der Triple-Entente unbedingt zu folgen. Wir erwähnten schon neulich, daß auch in England Anzeichen hervortraten, wie sehr man angesichts der Haltung der russischen Politik zur Vorsicht gestimmt ist. Man hatte die Boykottbewegung gegen Österreich-Ungarn in der Türkei geschäftlich nach Möglichkeit auszunutzen versucht, aber nun wurde die Lage doch bedenklich. Der regierende englische Libe¬ ralismus, der ohnehin wußte, daß die Verständigungspolitik mit Rußland in den Reihen seiner Anhänger nicht populär war, wollte in diesen Fragen vor allem das Einvernehmen mit Frankreich wahren; sich um Rußlands willen in einer ferner¬ liegenden Frage von Frankreich abzusondern, konnte nicht im Sinne der Kreise des englischen Volkes liegen, auf die die heutige Regierung angewiesen ist. Und schließlich konnte auch das Aufflackern der für die englische Denkweise sehr charakte¬ ristischen Entrüstung über Österreich-Ungarn vor einer nüchternen Auffassung poli¬ tischer Interessen auf die Dauer nicht standhalten. Aber es ist in solchem Falle nicht ganz leicht, den Rückweg zu finden, und der Eifer des jungtürkischen Komitees war nicht leicht zu zähmen. Würde es Kiamil Pascha gelingen, der leidenschaft¬ lichen Agitation des Komitees Herr zu werden? Die letzte Woche hat die Antwort auf diese Frage gebracht. Baron Aehrenthal hatte den richtigen Augenblick erkannt, wo ein weiteres Entgegenkommen Österreich-Ungarns am Platze war. Er machte seinen bekannten Vorschlag, und Kiamil Pascha war, als er ihn im Prinzip an¬ nahm, sogleich in der Lage, dem türkischen Parlament eine Auseinandersetzung über die auswärtige Politik der ottomanischen Regierung zu macheu. Er erhielt ein einseitiges Vertrauensvotum und gewann dadurch die Grundlage sür die Wieder¬ aufnahme der Verhandlungen mit Österreich-Ungarn und eine gewisse Sicherheit gegen Quertreibereien des jungtürkischen Komitees. Der Wert dieser Wendung liegt nicht nur in der Wahrscheinlichkeit der Verständigung rin Österreich, womit die Hnuptschwierigkeit der ganzen Orientkrisis beseitigt wäre, sondern auch in der Möglichkeit, daß England jetzt die von ihm selbst gewünschte Annäherung an Österreich vollzieht. Und das bedeutet in Gemeinschaft mit dem für die zweite Februarwoche in Aussicht genommnen offiziellen Staatsbesuch des Königs Eduard in Berlin einen entschieden Schritt zur Aufrechterhaltung des Weltfriedens. Seit dem 12. Januar haben auch der Reichstag und das preußische Abge¬ ordnetenhaus ihre Arbeiten wieder aufgenommen; wir nähern uns also den großen Entscheidungen, die uns dieser Tagungsabschnitt bringen soll. Während der ersten Tage nach den Ferien hat der Reichstag zunächst kleinere Vorlagen erledigt, dann ist er aber in die Beratung des vielumstrittnen Arbeitskammergesetzes eingetreten. In der neuen Form scheint die Vorlage eine bedeutende Mehrheit zu finden; völlig ablehnend verhält sich nach gewohnter Weise nur die Sozialdemokratie, weil sie nach den Beschlüssen des Gewerkschaftskongresses von 1905 nicht Arbeitskammern, sondern Arbeiterkammern fordert. Das bedeutet, daß sie zur Beurteilung der wichtigen sozialpolitischen Fragen, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, nicht eine paritätische Vertretung der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, sondern eine einseitige Vertretung der Arbeitnehmer allein verlangt. Das ist nicht immer so gewesen, wie den Sozialdemokraten der Staatssekretär des Innern, Staatsminister v. Bethmann-Hollweg, in der ausgezeichneten Rede, mit der er die Debatte ein¬ leitete, ins Gedächtnis zurückrief. Die Partei fing erst an in dieser Frage mehr und unerfüllbares zu fordern, als die Erfüllung ihrer frühern Forderung, die der älter» Zeit schon radikal genug erschien, immerhin aber bei aufgeklärten Sozinlpolitikern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/218>, abgerufen am 12.12.2024.