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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Wechsel-, Depositen- und Scheckverkehr

In den letzten zwanzig Jahren ist der größte Teil der Kreditgewährung
an die Privatbanken übergegangen; die Reichsbank wird von dem Verkehr mit
der Geschäftswelt immer mehr zurückgedrängt. Mit großer Deutlichkeit ist eine
Verschlechterung der Stellung der Reichsbank in der Kredit- und Bank¬
organisation Deutschlands zu beobachten, auch sind alle Anzeichen vorhanden,
daß diese Entwicklung in derselben Weise weitergehen wird. So ist die Lage
der Reichsbank nach Prion eine geradezu verzweifelte: eine Besserung ihrer
Stellung im Kreditverkehr wird sie kaum erreichen können, falls nicht die
wenigen Großbanken in irgendeiner Form eine Verständigung untereinander
und mit der Reichsbank in bankpolitischen Angelegenheiten herbeiführen.
Wenn die Reichsbank nicht ganz zur Seite gedrückt werden und
nur noch als Notbehelf der Kreditbanken dienen will, so bleibt
ihr nichts andres übrig, als an eine vollkommne Umwandlung
ihrer Geschäfte zu gehen! (S. 157/58.)

Diese pessimistische Zustandsschilderung kommt gerade zurecht zu den nahe
bevorstehenden Neichstagsverhandlungen über die Bankgesetznovelle. Der
Reichstag wird zu prüfen haben, ob die Lage der Reichsbank tatsächlich so
bedrohlich ist.

Als wichtige Änderung in der Diskontpolitik der Reichsbank empfiehlt
Prion die Anwendung eines Vorzugssatzes für gute Handelswechsel, d. i. die
Umkehrung der alten Forderung, daß Finanzwechsel nur zu einem höhern
Satze angekauft werden sollen. Ferner empfiehlt Prion die Annahme ver¬
zinslicher Depositen und die Einrichtung des Kontokorrentgeschüfts. Eine aus¬
führliche Behandlung dieser großen Probleme hätte sich durchaus in den
Rahmen des Themas eingefügt, da die Stellung des wichtigsten Diskonteurs
nach allen Seiten hin hätte beleuchtet werden können. Der Verfasser tut diese
Probleme aber auf etwa anderthalb Seiten ab und bemerkt nur, daß gegen
seine Reformvorschläge keine andern als doktrinäre Bedenken geltend gemacht
werden könnten. Da die Bankenquetekommission -- wenn die Zeitungsnach¬
richten richtig sind -- die Annahme verzinslicher Depositen seitens der
Reichsbank nicht empfohlen hat, so müssen nach Prion die Doktrinäre in der
Kommission die Majorität gehabt haben.

Ebenfalls die größte Beachtung verdient, was der Verfasser über die
Stellung der Königlichen Seehandlung (Preußische Staatsbank) zur Wertpapier¬
spekulation sagt. Durch die Hingabe von Ultimogeld führt die Seehandlung
den Spielfonds der Spekulation um geringer Zinsgewinne wegen Staats¬
mittel zu, und zwar zu den billigsten Sätzen des ganzen Marktes, während
auf der andern Seite der Staat durch die Börsengesetzgebung einen Druck auf
die Börse auszuüben sucht.

Auch im Privatbankwesen stellt der Verfasser verschiedne Übelstände fest,
so vor allem die eigentümlichen Vorgänge bei der Festsetzung des Privat¬
diskontsatzes, dessen Höhe oft geradezu eine Machtfrage der verschiednen Bank-


Wechsel-, Depositen- und Scheckverkehr

In den letzten zwanzig Jahren ist der größte Teil der Kreditgewährung
an die Privatbanken übergegangen; die Reichsbank wird von dem Verkehr mit
der Geschäftswelt immer mehr zurückgedrängt. Mit großer Deutlichkeit ist eine
Verschlechterung der Stellung der Reichsbank in der Kredit- und Bank¬
organisation Deutschlands zu beobachten, auch sind alle Anzeichen vorhanden,
daß diese Entwicklung in derselben Weise weitergehen wird. So ist die Lage
der Reichsbank nach Prion eine geradezu verzweifelte: eine Besserung ihrer
Stellung im Kreditverkehr wird sie kaum erreichen können, falls nicht die
wenigen Großbanken in irgendeiner Form eine Verständigung untereinander
und mit der Reichsbank in bankpolitischen Angelegenheiten herbeiführen.
Wenn die Reichsbank nicht ganz zur Seite gedrückt werden und
nur noch als Notbehelf der Kreditbanken dienen will, so bleibt
ihr nichts andres übrig, als an eine vollkommne Umwandlung
ihrer Geschäfte zu gehen! (S. 157/58.)

Diese pessimistische Zustandsschilderung kommt gerade zurecht zu den nahe
bevorstehenden Neichstagsverhandlungen über die Bankgesetznovelle. Der
Reichstag wird zu prüfen haben, ob die Lage der Reichsbank tatsächlich so
bedrohlich ist.

Als wichtige Änderung in der Diskontpolitik der Reichsbank empfiehlt
Prion die Anwendung eines Vorzugssatzes für gute Handelswechsel, d. i. die
Umkehrung der alten Forderung, daß Finanzwechsel nur zu einem höhern
Satze angekauft werden sollen. Ferner empfiehlt Prion die Annahme ver¬
zinslicher Depositen und die Einrichtung des Kontokorrentgeschüfts. Eine aus¬
führliche Behandlung dieser großen Probleme hätte sich durchaus in den
Rahmen des Themas eingefügt, da die Stellung des wichtigsten Diskonteurs
nach allen Seiten hin hätte beleuchtet werden können. Der Verfasser tut diese
Probleme aber auf etwa anderthalb Seiten ab und bemerkt nur, daß gegen
seine Reformvorschläge keine andern als doktrinäre Bedenken geltend gemacht
werden könnten. Da die Bankenquetekommission — wenn die Zeitungsnach¬
richten richtig sind — die Annahme verzinslicher Depositen seitens der
Reichsbank nicht empfohlen hat, so müssen nach Prion die Doktrinäre in der
Kommission die Majorität gehabt haben.

Ebenfalls die größte Beachtung verdient, was der Verfasser über die
Stellung der Königlichen Seehandlung (Preußische Staatsbank) zur Wertpapier¬
spekulation sagt. Durch die Hingabe von Ultimogeld führt die Seehandlung
den Spielfonds der Spekulation um geringer Zinsgewinne wegen Staats¬
mittel zu, und zwar zu den billigsten Sätzen des ganzen Marktes, während
auf der andern Seite der Staat durch die Börsengesetzgebung einen Druck auf
die Börse auszuüben sucht.

Auch im Privatbankwesen stellt der Verfasser verschiedne Übelstände fest,
so vor allem die eigentümlichen Vorgänge bei der Festsetzung des Privat¬
diskontsatzes, dessen Höhe oft geradezu eine Machtfrage der verschiednen Bank-


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[0192] Wechsel-, Depositen- und Scheckverkehr In den letzten zwanzig Jahren ist der größte Teil der Kreditgewährung an die Privatbanken übergegangen; die Reichsbank wird von dem Verkehr mit der Geschäftswelt immer mehr zurückgedrängt. Mit großer Deutlichkeit ist eine Verschlechterung der Stellung der Reichsbank in der Kredit- und Bank¬ organisation Deutschlands zu beobachten, auch sind alle Anzeichen vorhanden, daß diese Entwicklung in derselben Weise weitergehen wird. So ist die Lage der Reichsbank nach Prion eine geradezu verzweifelte: eine Besserung ihrer Stellung im Kreditverkehr wird sie kaum erreichen können, falls nicht die wenigen Großbanken in irgendeiner Form eine Verständigung untereinander und mit der Reichsbank in bankpolitischen Angelegenheiten herbeiführen. Wenn die Reichsbank nicht ganz zur Seite gedrückt werden und nur noch als Notbehelf der Kreditbanken dienen will, so bleibt ihr nichts andres übrig, als an eine vollkommne Umwandlung ihrer Geschäfte zu gehen! (S. 157/58.) Diese pessimistische Zustandsschilderung kommt gerade zurecht zu den nahe bevorstehenden Neichstagsverhandlungen über die Bankgesetznovelle. Der Reichstag wird zu prüfen haben, ob die Lage der Reichsbank tatsächlich so bedrohlich ist. Als wichtige Änderung in der Diskontpolitik der Reichsbank empfiehlt Prion die Anwendung eines Vorzugssatzes für gute Handelswechsel, d. i. die Umkehrung der alten Forderung, daß Finanzwechsel nur zu einem höhern Satze angekauft werden sollen. Ferner empfiehlt Prion die Annahme ver¬ zinslicher Depositen und die Einrichtung des Kontokorrentgeschüfts. Eine aus¬ führliche Behandlung dieser großen Probleme hätte sich durchaus in den Rahmen des Themas eingefügt, da die Stellung des wichtigsten Diskonteurs nach allen Seiten hin hätte beleuchtet werden können. Der Verfasser tut diese Probleme aber auf etwa anderthalb Seiten ab und bemerkt nur, daß gegen seine Reformvorschläge keine andern als doktrinäre Bedenken geltend gemacht werden könnten. Da die Bankenquetekommission — wenn die Zeitungsnach¬ richten richtig sind — die Annahme verzinslicher Depositen seitens der Reichsbank nicht empfohlen hat, so müssen nach Prion die Doktrinäre in der Kommission die Majorität gehabt haben. Ebenfalls die größte Beachtung verdient, was der Verfasser über die Stellung der Königlichen Seehandlung (Preußische Staatsbank) zur Wertpapier¬ spekulation sagt. Durch die Hingabe von Ultimogeld führt die Seehandlung den Spielfonds der Spekulation um geringer Zinsgewinne wegen Staats¬ mittel zu, und zwar zu den billigsten Sätzen des ganzen Marktes, während auf der andern Seite der Staat durch die Börsengesetzgebung einen Druck auf die Börse auszuüben sucht. Auch im Privatbankwesen stellt der Verfasser verschiedne Übelstände fest, so vor allem die eigentümlichen Vorgänge bei der Festsetzung des Privat¬ diskontsatzes, dessen Höhe oft geradezu eine Machtfrage der verschiednen Bank-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/192>, abgerufen am 12.12.2024.