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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Der Sparer und die Reichsfinanzreform

Aufgabe, das Sparen zu befördern; es ist eine Pflicht für den einzelnen, für
ein Volk, für die Menschheit.

Wenn nach Samuel Laing "produktiver Fleiß das einzige Kapital ist,
das ein Volk bereichert und das nationale Gedeihen und Wohlbefinden fördert",
so muß sich Staat und Gesellschaft wie das Individuum immer die Pflicht
vor Augen halten, dieses Kapital durch Sparen zu erhalten. Dieses allein
ermöglicht den wirtschaftlichen und dient dem Kulturfortschritt. Je mehr ge¬
spart wird, je mehr sich unsre Produktionsmittel vervollkommnen, je mehr
Kapital in der Produktion mitarbeitet, um so großartiger sind deren Leistungen.
Vom Standpunkte der Produktion aus kann nie genug gespart werden. Die
Beschränkung der Naturgüter wird durch das Sparen ersetzt. In Gegenden,
wo arme, unzivilisierte Völker trotz ihrer geringen Anzahl keinen Platz mehr
hatten, dort wohnen jetzt, nachdem die durch die Sparsamkeit gewonnenen
Hilfsmittel die Produktivität der Natur unendlich gesteigert haben, Millionen,
und weitere Millionen können mit der Zeit dort Platz finden.*)

So ist die Entwicklung, die Zukunft der Menschheit mit dem Sparen
eng verknüpft. Unsre auf dem Privateigentum beruhende Wirtschaftsordnung
leistet dem Sparer großen Vorschub und gibt damit im Gegensatz zu einer
kommunistischen, wo nur durch den Staat gespart würde, die Möglichkeit eines
unaufhaltsamen Fortschritts, einer immer steigenden Kulturentwicklung. Ein
Zustand ohne Sparen wäre der Pflicht der Menschheit, sich immer weiter zu
entwickeln, direkt entgegengesetzt.^)

Neben der Anlage in Staatspapieren erfolgt das Sparen, abgesehen von
dem Erwerbe von Lebens- und andern Versicherungen, in den Sparkassen.

Für diese ist aber eine gesunde Anleihepolitik von großer Bedeutung.
Wird sie nicht gehandhabt, so werden die Sparkassen geschädigt, und hierdurch
der Sparer wiederum von einer ausgiebigen Beteiligung an ihnen abgehalten,
das sparen also wiederum beschränkt.

Denn die Sparkassen sind darauf angewiesen, einen Teil ihrer Aktiv¬
kapitalien in Staats- und Neichscmleihen anzulegen.

Vorweg will ich bemerken, daß die Höhe dieser Anlagen eine bestimmte
Begrenzung haben muß. Denn die kommunalen Sparkassen sind zunächst dazu
da, den Real- und, wie ich noch mehr wünschen möchte, den Personalkredit in
ihren Bezirken zu pflegen und den Kreisen zugänglich zu machen, aus denen diese
Kapitalien stammen. Auch besteht bei einer übermüßig hohen Anlage der Spar-
kassenkapitnlien in Staatspapieren die Gefahr der Verquickung des Sparkassen-
und Staatskredits, die, wie die weiter erwähnten Beispiele zeigen, sehr leicht
verhängnisvoll werden kann. Die Anwendung der französischen und der




A, I. Domclci, Das Sparen ein ökonomischer und sozialer Grundsatz, Halle n, S.
188S. S. 63.
"") Frh, v. Manteuffel, Das Sparen. Jena, 1900. S. 111.
Der Sparer und die Reichsfinanzreform

Aufgabe, das Sparen zu befördern; es ist eine Pflicht für den einzelnen, für
ein Volk, für die Menschheit.

Wenn nach Samuel Laing „produktiver Fleiß das einzige Kapital ist,
das ein Volk bereichert und das nationale Gedeihen und Wohlbefinden fördert",
so muß sich Staat und Gesellschaft wie das Individuum immer die Pflicht
vor Augen halten, dieses Kapital durch Sparen zu erhalten. Dieses allein
ermöglicht den wirtschaftlichen und dient dem Kulturfortschritt. Je mehr ge¬
spart wird, je mehr sich unsre Produktionsmittel vervollkommnen, je mehr
Kapital in der Produktion mitarbeitet, um so großartiger sind deren Leistungen.
Vom Standpunkte der Produktion aus kann nie genug gespart werden. Die
Beschränkung der Naturgüter wird durch das Sparen ersetzt. In Gegenden,
wo arme, unzivilisierte Völker trotz ihrer geringen Anzahl keinen Platz mehr
hatten, dort wohnen jetzt, nachdem die durch die Sparsamkeit gewonnenen
Hilfsmittel die Produktivität der Natur unendlich gesteigert haben, Millionen,
und weitere Millionen können mit der Zeit dort Platz finden.*)

So ist die Entwicklung, die Zukunft der Menschheit mit dem Sparen
eng verknüpft. Unsre auf dem Privateigentum beruhende Wirtschaftsordnung
leistet dem Sparer großen Vorschub und gibt damit im Gegensatz zu einer
kommunistischen, wo nur durch den Staat gespart würde, die Möglichkeit eines
unaufhaltsamen Fortschritts, einer immer steigenden Kulturentwicklung. Ein
Zustand ohne Sparen wäre der Pflicht der Menschheit, sich immer weiter zu
entwickeln, direkt entgegengesetzt.^)

Neben der Anlage in Staatspapieren erfolgt das Sparen, abgesehen von
dem Erwerbe von Lebens- und andern Versicherungen, in den Sparkassen.

Für diese ist aber eine gesunde Anleihepolitik von großer Bedeutung.
Wird sie nicht gehandhabt, so werden die Sparkassen geschädigt, und hierdurch
der Sparer wiederum von einer ausgiebigen Beteiligung an ihnen abgehalten,
das sparen also wiederum beschränkt.

Denn die Sparkassen sind darauf angewiesen, einen Teil ihrer Aktiv¬
kapitalien in Staats- und Neichscmleihen anzulegen.

Vorweg will ich bemerken, daß die Höhe dieser Anlagen eine bestimmte
Begrenzung haben muß. Denn die kommunalen Sparkassen sind zunächst dazu
da, den Real- und, wie ich noch mehr wünschen möchte, den Personalkredit in
ihren Bezirken zu pflegen und den Kreisen zugänglich zu machen, aus denen diese
Kapitalien stammen. Auch besteht bei einer übermüßig hohen Anlage der Spar-
kassenkapitnlien in Staatspapieren die Gefahr der Verquickung des Sparkassen-
und Staatskredits, die, wie die weiter erwähnten Beispiele zeigen, sehr leicht
verhängnisvoll werden kann. Die Anwendung der französischen und der




A, I. Domclci, Das Sparen ein ökonomischer und sozialer Grundsatz, Halle n, S.
188S. S. 63.
»») Frh, v. Manteuffel, Das Sparen. Jena, 1900. S. 111.
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[0183] Der Sparer und die Reichsfinanzreform Aufgabe, das Sparen zu befördern; es ist eine Pflicht für den einzelnen, für ein Volk, für die Menschheit. Wenn nach Samuel Laing „produktiver Fleiß das einzige Kapital ist, das ein Volk bereichert und das nationale Gedeihen und Wohlbefinden fördert", so muß sich Staat und Gesellschaft wie das Individuum immer die Pflicht vor Augen halten, dieses Kapital durch Sparen zu erhalten. Dieses allein ermöglicht den wirtschaftlichen und dient dem Kulturfortschritt. Je mehr ge¬ spart wird, je mehr sich unsre Produktionsmittel vervollkommnen, je mehr Kapital in der Produktion mitarbeitet, um so großartiger sind deren Leistungen. Vom Standpunkte der Produktion aus kann nie genug gespart werden. Die Beschränkung der Naturgüter wird durch das Sparen ersetzt. In Gegenden, wo arme, unzivilisierte Völker trotz ihrer geringen Anzahl keinen Platz mehr hatten, dort wohnen jetzt, nachdem die durch die Sparsamkeit gewonnenen Hilfsmittel die Produktivität der Natur unendlich gesteigert haben, Millionen, und weitere Millionen können mit der Zeit dort Platz finden.*) So ist die Entwicklung, die Zukunft der Menschheit mit dem Sparen eng verknüpft. Unsre auf dem Privateigentum beruhende Wirtschaftsordnung leistet dem Sparer großen Vorschub und gibt damit im Gegensatz zu einer kommunistischen, wo nur durch den Staat gespart würde, die Möglichkeit eines unaufhaltsamen Fortschritts, einer immer steigenden Kulturentwicklung. Ein Zustand ohne Sparen wäre der Pflicht der Menschheit, sich immer weiter zu entwickeln, direkt entgegengesetzt.^) Neben der Anlage in Staatspapieren erfolgt das Sparen, abgesehen von dem Erwerbe von Lebens- und andern Versicherungen, in den Sparkassen. Für diese ist aber eine gesunde Anleihepolitik von großer Bedeutung. Wird sie nicht gehandhabt, so werden die Sparkassen geschädigt, und hierdurch der Sparer wiederum von einer ausgiebigen Beteiligung an ihnen abgehalten, das sparen also wiederum beschränkt. Denn die Sparkassen sind darauf angewiesen, einen Teil ihrer Aktiv¬ kapitalien in Staats- und Neichscmleihen anzulegen. Vorweg will ich bemerken, daß die Höhe dieser Anlagen eine bestimmte Begrenzung haben muß. Denn die kommunalen Sparkassen sind zunächst dazu da, den Real- und, wie ich noch mehr wünschen möchte, den Personalkredit in ihren Bezirken zu pflegen und den Kreisen zugänglich zu machen, aus denen diese Kapitalien stammen. Auch besteht bei einer übermüßig hohen Anlage der Spar- kassenkapitnlien in Staatspapieren die Gefahr der Verquickung des Sparkassen- und Staatskredits, die, wie die weiter erwähnten Beispiele zeigen, sehr leicht verhängnisvoll werden kann. Die Anwendung der französischen und der A, I. Domclci, Das Sparen ein ökonomischer und sozialer Grundsatz, Halle n, S. 188S. S. 63. »») Frh, v. Manteuffel, Das Sparen. Jena, 1900. S. 111.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/183>, abgerufen am 23.07.2024.