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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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öeutsch - slawische Beziehungen

deutschem Geist^und deutscher Hunde Arbeit geschaffen, unter dem Schutz eiuer
hohen Zollmauer eine ernste Konkurrenz für die deutscheu Waren in Rußland und
Asien darstellt.") In Danzig. Königsberg, Breslau. Dresden entsteh" polnische
Firmen ebenso wie in Berlin und Wien. In den westlichen Vororten der deutschen
Reichshauptstadt steigt die Zahl polnischer .Handwerker und Kaufleute in stetiger
und auffülliger Weise. In den Provinzen Posen und Westpreußen ist ein
engmaschiges Netz von Genossenschaften entstanden, das nach der glänzenden
Darstellung von Professor Bernhard wie ein Staat im Staate anmutet. In
Galizien, wo die Polen seit 1868 auf den deutschen Einfluß verzichtet habe",
sind sie wirtschaftlich stehn geblieben, das ist -- sie sind zurückgegangen. Ihren
rotrussischen, ruthenischen Landsleuten gegenüber erweisen sie sich als grausame
Bedrücker und Ausbeuter. Die Ruthenen müssen unter schwerern sozialen Be¬
dingungen leben als die Juden in Rußland. Galizien ist dennoch ein wichtiges
Absatzgebiet für die deutsche Ware so aus dem Reich wie aus der Habsburger
Monarchie.

Die wirtschaftliche Entwicklung der Tschechen ist vor allen Dingen auf
dem Gebiete des Ackerbaus und der Viehzucht gewaltig. In industrieller Be¬
ziehung sind sie dagegen vollständig auf das angewiesen, was ihnen deutscher
Geist liefert. Selbständige Leistungen von irgendeiner Bedeutung haben sie
nirgends auszuweisen. Weder auf dem Gebiete der Konstruktion noch Organisation
haben die Tschechen mehr geleistet als einen müßigen Durchschnitt. Den Beweis
hierfür lieferte unter anderm die jüngste "tschechische" Ausstellung in Prag. Dort
war nur eine wirklich bemerkenswerte Neuheit zu bewundern -- eine Sudanlage
für Zuckerfabrikation; die aber war deutschen Ursprungs. Alle Bedarfs- und
Luxusartikel vom Schuhband bis zur Kopfbedeckung stammen auch in der
Hochburg fanatischen Tschechentums von deutscher Hände Arbeit. Die Messer und
Schlagringe, mit denen die politischen Rowdies in Prag gegen die deutschen
Studenten vorgegangen sind, sind sicher zum großen Teil Erzeugnisse deutscher
Arbeit.

Die wirtschaftliche Entwicklung Moskowiens liegt vorwiegend in der An¬
spruchslosigkeit der Bauern und Arbeiter im engen Zusammenhang mit dein
hohen Bedarf des Staates. Die Landwirtschaft arbeitet nicht zunächst für die
Ernährung des Volkes, sondern für den Export -- die Industrie zu allererst
für die meist unwirtschaftlichen Unternehmungen des Staates, wie Heeres- und
Marinebedarf, strategische Bahnen; würde sie heute auf den Privatbedarf an¬
gewiesen, dann müßte sie in wenigen Monaten zusammenbrechen oder aber Truste
bilden. Es gibt kein Industrieland oder überhaupt keinen Staat, in dem die
Volksernührung so unzureichend ist wie in dem Ackerbaustaat Nußland. Die wirt¬
schaftliche Entwicklung ist somit in Nußland künstlich. Sie erhält tatsächlich das
scheinbar glänzende Gepräge nur dank der Energie deutscher, jüdischer, belgischer,



") Ausführlich behandelt in Bd. I meines Buches: Die Zukunft Polens. Verlag von
Fr. Wilh. Gmnow. Leipzig, 1908. Bd. II "Politik) ist in, Druck.
öeutsch - slawische Beziehungen

deutschem Geist^und deutscher Hunde Arbeit geschaffen, unter dem Schutz eiuer
hohen Zollmauer eine ernste Konkurrenz für die deutscheu Waren in Rußland und
Asien darstellt.") In Danzig. Königsberg, Breslau. Dresden entsteh» polnische
Firmen ebenso wie in Berlin und Wien. In den westlichen Vororten der deutschen
Reichshauptstadt steigt die Zahl polnischer .Handwerker und Kaufleute in stetiger
und auffülliger Weise. In den Provinzen Posen und Westpreußen ist ein
engmaschiges Netz von Genossenschaften entstanden, das nach der glänzenden
Darstellung von Professor Bernhard wie ein Staat im Staate anmutet. In
Galizien, wo die Polen seit 1868 auf den deutschen Einfluß verzichtet habe»,
sind sie wirtschaftlich stehn geblieben, das ist — sie sind zurückgegangen. Ihren
rotrussischen, ruthenischen Landsleuten gegenüber erweisen sie sich als grausame
Bedrücker und Ausbeuter. Die Ruthenen müssen unter schwerern sozialen Be¬
dingungen leben als die Juden in Rußland. Galizien ist dennoch ein wichtiges
Absatzgebiet für die deutsche Ware so aus dem Reich wie aus der Habsburger
Monarchie.

Die wirtschaftliche Entwicklung der Tschechen ist vor allen Dingen auf
dem Gebiete des Ackerbaus und der Viehzucht gewaltig. In industrieller Be¬
ziehung sind sie dagegen vollständig auf das angewiesen, was ihnen deutscher
Geist liefert. Selbständige Leistungen von irgendeiner Bedeutung haben sie
nirgends auszuweisen. Weder auf dem Gebiete der Konstruktion noch Organisation
haben die Tschechen mehr geleistet als einen müßigen Durchschnitt. Den Beweis
hierfür lieferte unter anderm die jüngste „tschechische" Ausstellung in Prag. Dort
war nur eine wirklich bemerkenswerte Neuheit zu bewundern — eine Sudanlage
für Zuckerfabrikation; die aber war deutschen Ursprungs. Alle Bedarfs- und
Luxusartikel vom Schuhband bis zur Kopfbedeckung stammen auch in der
Hochburg fanatischen Tschechentums von deutscher Hände Arbeit. Die Messer und
Schlagringe, mit denen die politischen Rowdies in Prag gegen die deutschen
Studenten vorgegangen sind, sind sicher zum großen Teil Erzeugnisse deutscher
Arbeit.

Die wirtschaftliche Entwicklung Moskowiens liegt vorwiegend in der An¬
spruchslosigkeit der Bauern und Arbeiter im engen Zusammenhang mit dein
hohen Bedarf des Staates. Die Landwirtschaft arbeitet nicht zunächst für die
Ernährung des Volkes, sondern für den Export — die Industrie zu allererst
für die meist unwirtschaftlichen Unternehmungen des Staates, wie Heeres- und
Marinebedarf, strategische Bahnen; würde sie heute auf den Privatbedarf an¬
gewiesen, dann müßte sie in wenigen Monaten zusammenbrechen oder aber Truste
bilden. Es gibt kein Industrieland oder überhaupt keinen Staat, in dem die
Volksernührung so unzureichend ist wie in dem Ackerbaustaat Nußland. Die wirt¬
schaftliche Entwicklung ist somit in Nußland künstlich. Sie erhält tatsächlich das
scheinbar glänzende Gepräge nur dank der Energie deutscher, jüdischer, belgischer,



") Ausführlich behandelt in Bd. I meines Buches: Die Zukunft Polens. Verlag von
Fr. Wilh. Gmnow. Leipzig, 1908. Bd. II «Politik) ist in, Druck.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/15>, abgerufen am 03.07.2024.