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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Bertha von Suttner

der, die sie ihm gab, nicht zufrieden, verlangte er eine neue Aufnahme und
bestätigte den Empfang mit folgendem Billett:

Soeben empfange ich Ihre etwas bessere Photographie, gnädige Komtesse,
als die, welche Sie gestern so gütig waren, mir zuzustellen. Indem ich meinen
aufrichtigsten Dank hierin aussprechen darf, muß ich denselben auch, und zwar noch
weit inniger, für die liebenswürdigen Zeilen aussprechen, welche die Photographie
begleiteten. In den Passus der Eroberung öder sich auf 1866 bezöge scheint sich
ein Fehler eingeschlichen zu haben, indem Sie wohl sagen wollten, daß Sie sehr
wohl wüßten, eine Eroberung gemacht zu haben, und zwar die eines zweiund-
siebzigjährigen Greises, dessen Sentiments oft noch sehr lebhafte Eindrücke auf¬
nehmen, namentlich wenn sie dnrch Visavis unterhalten -- wenn auch nur zu
selteu -- werden.

Mich Ihrem ferneren Andenken angelegentlichst empfehlend, verbleibe ich,
gnädigste Komtesse, Ihr sehr ergebener Wilhelm rsx.

Zweimal kam es zu Verlobungen und Entlobungen, und eine dritte Ver¬
lobung, die auf gegenseitiger Liebe beruhte, wurde durch den plötzlichen Tod
des Bräutigams, eines Prinzen Wittgenstein, gelöst. Dreißig Jahre alt, nahm
Bertha die Stelle einer Erzieherin der drei Töchter des freiherrlich Suttnerschen
Ehepaares in Wien an. Hier verliebte sie sich in den sieben Jahre jungem
Sohn Artur Gundaccar und er in sie. Da auf Einwilligung der Eltern keine
Aussicht war, ging sie nach Verlauf von drei Jahren nach Paris, um dort
dem Erfinder Alfred nobel als Gehilfin zu dienen. Aber die beiden Liebenden
hielten es ohne einander nicht aus. Bertha eilte zurück nach Wien, sie
ließen sich heimlich trauen und entslohn in den Kaukasus, wo sie bei der
mediatisierten Fürstin von Mingrelien, Ekaterina Dadiani, gastliche Aufnahme
fanden. Diese hatte Bertha in Homburg liebgewonnen und seitdem, so oft
beide gleichzeitig in deutschen Bädern oder in Paris weilten, in ihren
Familienkreis gezogen. Die "Hochzeitsreise" dauerte neun Jahre, von 1876
bis 1885. Die Gastfreundschaft der Fürstin wurde nur kurze Zeit benutzt,
bis sie Beschäftigung gefunden hatten. Sie schlugen sich mühsam durch und
hungerten mitunter. Sie gaben Sprach- und Musikstunden. Als diese im
russisch-türkischen Kriege aufhörten, arbeitete er in einem Fabrikkontor und
zugleich als Aufseher, dann als Bauleiter des Schwiegersohns der Fürstin,
eines Prinzen Murcit, wobei er sich zum Architekten entwickelte. Sie schrieb
Feuilletons und Romane, und er griff ebenfalls zur Feder, mit kaukasischen
Geschichten beginnend. Als sie von seiner Familie zurückgerufen wurden,
standen sie schon auf eignen Füßen fest und verdienten später so viel, daß
sie den Eltern zu Hilfe komme" und das Familiengut Harmcmnsdorf stützen
konnten, das man infolge schlechter Ernten und bedeutender Verluste durch einen
untreuen Verwalter auch noch zu verlieren fürchtete, nachdem das Wiener
Palais schon verkauft war. Die Ehe blieb kinderlos -- glücklicherweise, darf
man sagen. Denn sie war eine jener seltnen Ehen, in denen jeder Gatte des
andern Ein und Alles ist ("Meiner", "Meine" sagen sie, wenn sie einander


Bertha von Suttner

der, die sie ihm gab, nicht zufrieden, verlangte er eine neue Aufnahme und
bestätigte den Empfang mit folgendem Billett:

Soeben empfange ich Ihre etwas bessere Photographie, gnädige Komtesse,
als die, welche Sie gestern so gütig waren, mir zuzustellen. Indem ich meinen
aufrichtigsten Dank hierin aussprechen darf, muß ich denselben auch, und zwar noch
weit inniger, für die liebenswürdigen Zeilen aussprechen, welche die Photographie
begleiteten. In den Passus der Eroberung öder sich auf 1866 bezöge scheint sich
ein Fehler eingeschlichen zu haben, indem Sie wohl sagen wollten, daß Sie sehr
wohl wüßten, eine Eroberung gemacht zu haben, und zwar die eines zweiund-
siebzigjährigen Greises, dessen Sentiments oft noch sehr lebhafte Eindrücke auf¬
nehmen, namentlich wenn sie dnrch Visavis unterhalten — wenn auch nur zu
selteu — werden.

Mich Ihrem ferneren Andenken angelegentlichst empfehlend, verbleibe ich,
gnädigste Komtesse, Ihr sehr ergebener Wilhelm rsx.

Zweimal kam es zu Verlobungen und Entlobungen, und eine dritte Ver¬
lobung, die auf gegenseitiger Liebe beruhte, wurde durch den plötzlichen Tod
des Bräutigams, eines Prinzen Wittgenstein, gelöst. Dreißig Jahre alt, nahm
Bertha die Stelle einer Erzieherin der drei Töchter des freiherrlich Suttnerschen
Ehepaares in Wien an. Hier verliebte sie sich in den sieben Jahre jungem
Sohn Artur Gundaccar und er in sie. Da auf Einwilligung der Eltern keine
Aussicht war, ging sie nach Verlauf von drei Jahren nach Paris, um dort
dem Erfinder Alfred nobel als Gehilfin zu dienen. Aber die beiden Liebenden
hielten es ohne einander nicht aus. Bertha eilte zurück nach Wien, sie
ließen sich heimlich trauen und entslohn in den Kaukasus, wo sie bei der
mediatisierten Fürstin von Mingrelien, Ekaterina Dadiani, gastliche Aufnahme
fanden. Diese hatte Bertha in Homburg liebgewonnen und seitdem, so oft
beide gleichzeitig in deutschen Bädern oder in Paris weilten, in ihren
Familienkreis gezogen. Die „Hochzeitsreise" dauerte neun Jahre, von 1876
bis 1885. Die Gastfreundschaft der Fürstin wurde nur kurze Zeit benutzt,
bis sie Beschäftigung gefunden hatten. Sie schlugen sich mühsam durch und
hungerten mitunter. Sie gaben Sprach- und Musikstunden. Als diese im
russisch-türkischen Kriege aufhörten, arbeitete er in einem Fabrikkontor und
zugleich als Aufseher, dann als Bauleiter des Schwiegersohns der Fürstin,
eines Prinzen Murcit, wobei er sich zum Architekten entwickelte. Sie schrieb
Feuilletons und Romane, und er griff ebenfalls zur Feder, mit kaukasischen
Geschichten beginnend. Als sie von seiner Familie zurückgerufen wurden,
standen sie schon auf eignen Füßen fest und verdienten später so viel, daß
sie den Eltern zu Hilfe komme« und das Familiengut Harmcmnsdorf stützen
konnten, das man infolge schlechter Ernten und bedeutender Verluste durch einen
untreuen Verwalter auch noch zu verlieren fürchtete, nachdem das Wiener
Palais schon verkauft war. Die Ehe blieb kinderlos — glücklicherweise, darf
man sagen. Denn sie war eine jener seltnen Ehen, in denen jeder Gatte des
andern Ein und Alles ist („Meiner", „Meine" sagen sie, wenn sie einander


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[0148] Bertha von Suttner der, die sie ihm gab, nicht zufrieden, verlangte er eine neue Aufnahme und bestätigte den Empfang mit folgendem Billett: Soeben empfange ich Ihre etwas bessere Photographie, gnädige Komtesse, als die, welche Sie gestern so gütig waren, mir zuzustellen. Indem ich meinen aufrichtigsten Dank hierin aussprechen darf, muß ich denselben auch, und zwar noch weit inniger, für die liebenswürdigen Zeilen aussprechen, welche die Photographie begleiteten. In den Passus der Eroberung öder sich auf 1866 bezöge scheint sich ein Fehler eingeschlichen zu haben, indem Sie wohl sagen wollten, daß Sie sehr wohl wüßten, eine Eroberung gemacht zu haben, und zwar die eines zweiund- siebzigjährigen Greises, dessen Sentiments oft noch sehr lebhafte Eindrücke auf¬ nehmen, namentlich wenn sie dnrch Visavis unterhalten — wenn auch nur zu selteu — werden. Mich Ihrem ferneren Andenken angelegentlichst empfehlend, verbleibe ich, gnädigste Komtesse, Ihr sehr ergebener Wilhelm rsx. Zweimal kam es zu Verlobungen und Entlobungen, und eine dritte Ver¬ lobung, die auf gegenseitiger Liebe beruhte, wurde durch den plötzlichen Tod des Bräutigams, eines Prinzen Wittgenstein, gelöst. Dreißig Jahre alt, nahm Bertha die Stelle einer Erzieherin der drei Töchter des freiherrlich Suttnerschen Ehepaares in Wien an. Hier verliebte sie sich in den sieben Jahre jungem Sohn Artur Gundaccar und er in sie. Da auf Einwilligung der Eltern keine Aussicht war, ging sie nach Verlauf von drei Jahren nach Paris, um dort dem Erfinder Alfred nobel als Gehilfin zu dienen. Aber die beiden Liebenden hielten es ohne einander nicht aus. Bertha eilte zurück nach Wien, sie ließen sich heimlich trauen und entslohn in den Kaukasus, wo sie bei der mediatisierten Fürstin von Mingrelien, Ekaterina Dadiani, gastliche Aufnahme fanden. Diese hatte Bertha in Homburg liebgewonnen und seitdem, so oft beide gleichzeitig in deutschen Bädern oder in Paris weilten, in ihren Familienkreis gezogen. Die „Hochzeitsreise" dauerte neun Jahre, von 1876 bis 1885. Die Gastfreundschaft der Fürstin wurde nur kurze Zeit benutzt, bis sie Beschäftigung gefunden hatten. Sie schlugen sich mühsam durch und hungerten mitunter. Sie gaben Sprach- und Musikstunden. Als diese im russisch-türkischen Kriege aufhörten, arbeitete er in einem Fabrikkontor und zugleich als Aufseher, dann als Bauleiter des Schwiegersohns der Fürstin, eines Prinzen Murcit, wobei er sich zum Architekten entwickelte. Sie schrieb Feuilletons und Romane, und er griff ebenfalls zur Feder, mit kaukasischen Geschichten beginnend. Als sie von seiner Familie zurückgerufen wurden, standen sie schon auf eignen Füßen fest und verdienten später so viel, daß sie den Eltern zu Hilfe komme« und das Familiengut Harmcmnsdorf stützen konnten, das man infolge schlechter Ernten und bedeutender Verluste durch einen untreuen Verwalter auch noch zu verlieren fürchtete, nachdem das Wiener Palais schon verkauft war. Die Ehe blieb kinderlos — glücklicherweise, darf man sagen. Denn sie war eine jener seltnen Ehen, in denen jeder Gatte des andern Ein und Alles ist („Meiner", „Meine" sagen sie, wenn sie einander

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/148>, abgerufen am 23.07.2024.