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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Militärische Rückblicke auf das Jahr 1,903

noch kein etatsmäßiger Verband; sie sind zusammengestellt aus abkommandierten
Leuten und als 13. Kompagnien verschieden Infanterieregimenten ange¬
hängt. Ihre Bespannung besteht aus zwei Pferden, und sie werden vom
Bock gefahren; die Bedienung geht zu Fuß und kann nur auf kurze Strecken
auf die Fahrzeuge aufsitzen. Dadurch ist die Beweglichkeit der Maschinen¬
gewehrkompagnien begrenzt.

Auch auf dem Gebiete der reglementarischeu Vorschriften sind aus dem
letzten Jahre bei unserm Heere Fortschritte zu verzeichnen, die man zum großen
Teil auf die Erfahrungen des Buren- und des russisch-japanischen Krieges
zurückführen kann. An der Spitze stehn die in der Felddienstordnung nieder¬
gelegten neuen Bestimmungen, die namentlich in den Abschnitten des Auf-
klärungs- und Sicherheitsdienstes eine vollständige Umarbeitung erfahren
haben. Die wichtige Vorschrift unterstreicht mit Recht die Tätigkeit des Offi¬
ziers als Erzieher, indem sie ihn so auf seine hohe soziale Verantwortlichkeit
für die Entwicklung unsers Volkes hinweist. Das fordert ganze Männer von
sittlichem Ernst und Charakterstärke, die, praktisch und theoretisch sorgfältig
ausgebildet, in der Lage sind, durch nie rastende Fürsorge, Entschlußfähigkeit
und freudiges Einsetzen der eignen Persönlichkeit das Vertrauen ihrer Unter¬
gebnen zu erringen, das neben der unerschütterlichen Mannszucht die Be¬
dingung des Erfolges ist. Der Felddienstordnung folgt an Wichtigkeit unter
den neuen Vorschriften das erst am 22. Dezember der Öffentlichkeit übergebne
Exerzierreglement für die Fußartillerie. Damit ist ein lange bestandner Bann
gebrochen und mit einem Strich der Nimbus der "schwarzen Kunst", der bisher
die Fußartillerie umgab, aus der Welt geschafft. Erfreulicherweise stellt das
Reglement mit besonderm Nachdruck fest, daß gleiche Grundlehren für alle Arten
des Kampfes bestehn, daß also Feld- und Festungskrieg zwar verschiedne
Formen, nicht aber verschiedne Arten des Kampfes sind. Begegnungsgefecht,
Gefecht gegen einen entwickelten Gegner, Angriff auf eine vorbereitete Stellung
und Kampf um Festungen sind offenbar in dieser Folge eine für den An¬
greifer ständig zunehmende Steigerung des zu überwindenden Widerstandes,
für den Verteidiger die Möglichkeit, die persönlichen Kräfte vermöge der ver¬
mehrten materiellen Mittel zu verringern, aber keine Abänderung der dauernden
Grundlehren des Kampfes.

Neben diesen beiden Vorschriften haben das neue Exerzierreglement für
den Train dieser Waffe eine auf ganz modernen Anschauungen aufgebaute
Verordnung gebracht und die neue Kavalleriepionierschrift einem dringenden
Bedürfnis abgeholfen. In Bearbeitung durch eine besondre Kommission steht
gegenwärtig das Kavallerieexerzierreglement, und auch die alte Neitinstruktion
wird eine Neuauflage erhalten.

Bei unsern Verbündeten in Österreich-Ungarn sind vor allen Dingen
die Fortschritte auf dem Gebiete der Neubewaffnung mit der 8-Zentimeter-
Feldkanone Modell 5 und die Einführung der leichten Feldhaubitze hervor-


Militärische Rückblicke auf das Jahr 1,903

noch kein etatsmäßiger Verband; sie sind zusammengestellt aus abkommandierten
Leuten und als 13. Kompagnien verschieden Infanterieregimenten ange¬
hängt. Ihre Bespannung besteht aus zwei Pferden, und sie werden vom
Bock gefahren; die Bedienung geht zu Fuß und kann nur auf kurze Strecken
auf die Fahrzeuge aufsitzen. Dadurch ist die Beweglichkeit der Maschinen¬
gewehrkompagnien begrenzt.

Auch auf dem Gebiete der reglementarischeu Vorschriften sind aus dem
letzten Jahre bei unserm Heere Fortschritte zu verzeichnen, die man zum großen
Teil auf die Erfahrungen des Buren- und des russisch-japanischen Krieges
zurückführen kann. An der Spitze stehn die in der Felddienstordnung nieder¬
gelegten neuen Bestimmungen, die namentlich in den Abschnitten des Auf-
klärungs- und Sicherheitsdienstes eine vollständige Umarbeitung erfahren
haben. Die wichtige Vorschrift unterstreicht mit Recht die Tätigkeit des Offi¬
ziers als Erzieher, indem sie ihn so auf seine hohe soziale Verantwortlichkeit
für die Entwicklung unsers Volkes hinweist. Das fordert ganze Männer von
sittlichem Ernst und Charakterstärke, die, praktisch und theoretisch sorgfältig
ausgebildet, in der Lage sind, durch nie rastende Fürsorge, Entschlußfähigkeit
und freudiges Einsetzen der eignen Persönlichkeit das Vertrauen ihrer Unter¬
gebnen zu erringen, das neben der unerschütterlichen Mannszucht die Be¬
dingung des Erfolges ist. Der Felddienstordnung folgt an Wichtigkeit unter
den neuen Vorschriften das erst am 22. Dezember der Öffentlichkeit übergebne
Exerzierreglement für die Fußartillerie. Damit ist ein lange bestandner Bann
gebrochen und mit einem Strich der Nimbus der „schwarzen Kunst", der bisher
die Fußartillerie umgab, aus der Welt geschafft. Erfreulicherweise stellt das
Reglement mit besonderm Nachdruck fest, daß gleiche Grundlehren für alle Arten
des Kampfes bestehn, daß also Feld- und Festungskrieg zwar verschiedne
Formen, nicht aber verschiedne Arten des Kampfes sind. Begegnungsgefecht,
Gefecht gegen einen entwickelten Gegner, Angriff auf eine vorbereitete Stellung
und Kampf um Festungen sind offenbar in dieser Folge eine für den An¬
greifer ständig zunehmende Steigerung des zu überwindenden Widerstandes,
für den Verteidiger die Möglichkeit, die persönlichen Kräfte vermöge der ver¬
mehrten materiellen Mittel zu verringern, aber keine Abänderung der dauernden
Grundlehren des Kampfes.

Neben diesen beiden Vorschriften haben das neue Exerzierreglement für
den Train dieser Waffe eine auf ganz modernen Anschauungen aufgebaute
Verordnung gebracht und die neue Kavalleriepionierschrift einem dringenden
Bedürfnis abgeholfen. In Bearbeitung durch eine besondre Kommission steht
gegenwärtig das Kavallerieexerzierreglement, und auch die alte Neitinstruktion
wird eine Neuauflage erhalten.

Bei unsern Verbündeten in Österreich-Ungarn sind vor allen Dingen
die Fortschritte auf dem Gebiete der Neubewaffnung mit der 8-Zentimeter-
Feldkanone Modell 5 und die Einführung der leichten Feldhaubitze hervor-


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[0122] Militärische Rückblicke auf das Jahr 1,903 noch kein etatsmäßiger Verband; sie sind zusammengestellt aus abkommandierten Leuten und als 13. Kompagnien verschieden Infanterieregimenten ange¬ hängt. Ihre Bespannung besteht aus zwei Pferden, und sie werden vom Bock gefahren; die Bedienung geht zu Fuß und kann nur auf kurze Strecken auf die Fahrzeuge aufsitzen. Dadurch ist die Beweglichkeit der Maschinen¬ gewehrkompagnien begrenzt. Auch auf dem Gebiete der reglementarischeu Vorschriften sind aus dem letzten Jahre bei unserm Heere Fortschritte zu verzeichnen, die man zum großen Teil auf die Erfahrungen des Buren- und des russisch-japanischen Krieges zurückführen kann. An der Spitze stehn die in der Felddienstordnung nieder¬ gelegten neuen Bestimmungen, die namentlich in den Abschnitten des Auf- klärungs- und Sicherheitsdienstes eine vollständige Umarbeitung erfahren haben. Die wichtige Vorschrift unterstreicht mit Recht die Tätigkeit des Offi¬ ziers als Erzieher, indem sie ihn so auf seine hohe soziale Verantwortlichkeit für die Entwicklung unsers Volkes hinweist. Das fordert ganze Männer von sittlichem Ernst und Charakterstärke, die, praktisch und theoretisch sorgfältig ausgebildet, in der Lage sind, durch nie rastende Fürsorge, Entschlußfähigkeit und freudiges Einsetzen der eignen Persönlichkeit das Vertrauen ihrer Unter¬ gebnen zu erringen, das neben der unerschütterlichen Mannszucht die Be¬ dingung des Erfolges ist. Der Felddienstordnung folgt an Wichtigkeit unter den neuen Vorschriften das erst am 22. Dezember der Öffentlichkeit übergebne Exerzierreglement für die Fußartillerie. Damit ist ein lange bestandner Bann gebrochen und mit einem Strich der Nimbus der „schwarzen Kunst", der bisher die Fußartillerie umgab, aus der Welt geschafft. Erfreulicherweise stellt das Reglement mit besonderm Nachdruck fest, daß gleiche Grundlehren für alle Arten des Kampfes bestehn, daß also Feld- und Festungskrieg zwar verschiedne Formen, nicht aber verschiedne Arten des Kampfes sind. Begegnungsgefecht, Gefecht gegen einen entwickelten Gegner, Angriff auf eine vorbereitete Stellung und Kampf um Festungen sind offenbar in dieser Folge eine für den An¬ greifer ständig zunehmende Steigerung des zu überwindenden Widerstandes, für den Verteidiger die Möglichkeit, die persönlichen Kräfte vermöge der ver¬ mehrten materiellen Mittel zu verringern, aber keine Abänderung der dauernden Grundlehren des Kampfes. Neben diesen beiden Vorschriften haben das neue Exerzierreglement für den Train dieser Waffe eine auf ganz modernen Anschauungen aufgebaute Verordnung gebracht und die neue Kavalleriepionierschrift einem dringenden Bedürfnis abgeholfen. In Bearbeitung durch eine besondre Kommission steht gegenwärtig das Kavallerieexerzierreglement, und auch die alte Neitinstruktion wird eine Neuauflage erhalten. Bei unsern Verbündeten in Österreich-Ungarn sind vor allen Dingen die Fortschritte auf dem Gebiete der Neubewaffnung mit der 8-Zentimeter- Feldkanone Modell 5 und die Einführung der leichten Feldhaubitze hervor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/122>, abgerufen am 03.07.2024.