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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Güter von weniger als 100000 Sesterzen ^100 Morgenj, ungefähr ebenso-
viele solche von 100000 bis 400000, ein Fünftel darüber, darunter drei von
mehr als einer Million s1000 Morgenj. Am einträglichsten war übrigens in
Italien für den Landwirt auch damals der Weinbau. Das Anlagekapital für
sieben preußische Morgen Weinland betrug mit Einschluß des Sklaven, der'sie
als Winzer zu besorgen hatte, der Weinstöcke und des Inventars und der
Zinsen zweier Jahre, in denen die Weinstöcke noch nicht trugen, 32480 Sesterzen
(7065 Mark), und dieses Kapital verzinste sich nach Columella bei guter Kultur
mit etwa 18 Prozent, während außerdem der Verkauf der Setzlinge noch eine
erhebliche Rente gewährte."

Wie diese einträgliche Wein- (und Ol-)kultur entstanden ist, findet man bei
Ferrero ausführlich dargestellt. Die ersten außeritalischen Eroberungen hatten
einen gewaltigen Kulturfortschritt zur Folge, wie man es gewöhnlich nennt,
wenn sich ein Volk bei wachsendem Reichtum und im Verkehr mit schon luxuriös
lebenden Völkern mehr und feinere Bedürfnisse angewöhnt. Die Steigerung
der Bedürfnisse steigerte den Zwang zu Geldausgaben, und es stellte sich die
uns wohlbekannte Not der Landwirtschaft, das heißt der Landwirte ein, deren
Einnahmen für das erhöhte Ausgabeubudget uicht mehr reichten. Diese Not
wurde durch die gracchischeu Reformen erhöht, weil die Untersuchung der
Eigentumsrechte der Nutznießer und die Aussonderung des Staatsackers Um¬
stände, Störunge" und Kosten verursachte. "Zahlreiche Grundbesitzer zwang
die Notlage, sich nach einträglichem Kulturen umzusehn, und da sie nicht mehr
bestehn konnten, wenn sie nach der bisherigen Weise Wein und Oliven für den
eignen Bedarf und Getreide für den Verkauf produzierten, so singen sie jetzt
an, umgekehrt Getreide nur für den Hausgebranch, Ol und Wein aber für den
Verkauf zu bauen. Beide Produkte galten mehr und ließen sich leichter in der
Ferne absetzen." Und gerade in diesen heilsamen Umwandlungsprozeß griff
nun wieder die gracchische Reform, die stellenweise eine Neuverteilung der
Grundstücke forderte, störend ein. "Die großen wirtschaftlichen Krisen sind im
Laufe der Geschichte nicht durch geniale Gesetzgeber, sondern durch die Völker
selbst gelöst worden, indem diese durch Arbeit den Reichtum vergrößerten.
Unglücklicherweise wurden viele italische Landwirte, als sie gerade im Begriff
waren, sich den veränderten Verhältnissen anzupassen , darin durch einen über¬
eifriger Gesetzmacher gestört und sollten nun ihren schönen Weinberg gegen
ein sumpfiges Gebiet umtauschen", wogegen die teils Geschädigten, teils Be¬
drohten bei Scipio Ämilianus Hilfe suchten, der denn auch mit Änderungen
der Gesetzgebung einschritt. Daß die Umwandlung des landwirtschaftlichen
Betriebs in die Zeit zwischen 130 und 120 fällt, folgert Ferrero aus einer
Angabe des ältern Plinius. Dieser erzählt, man habe im Jahre 121 infolge
der reichen Weinernte zum erstenmale die Wirkung dieser Umgestaltung wahr¬
genommen. Da der Rebstock langsam wächst, müsse die neue Kultur mehrere
Jahre vorher begonnen haben. Plinius sage nichts von Ölbäumen, "da aber


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Güter von weniger als 100000 Sesterzen ^100 Morgenj, ungefähr ebenso-
viele solche von 100000 bis 400000, ein Fünftel darüber, darunter drei von
mehr als einer Million s1000 Morgenj. Am einträglichsten war übrigens in
Italien für den Landwirt auch damals der Weinbau. Das Anlagekapital für
sieben preußische Morgen Weinland betrug mit Einschluß des Sklaven, der'sie
als Winzer zu besorgen hatte, der Weinstöcke und des Inventars und der
Zinsen zweier Jahre, in denen die Weinstöcke noch nicht trugen, 32480 Sesterzen
(7065 Mark), und dieses Kapital verzinste sich nach Columella bei guter Kultur
mit etwa 18 Prozent, während außerdem der Verkauf der Setzlinge noch eine
erhebliche Rente gewährte."

Wie diese einträgliche Wein- (und Ol-)kultur entstanden ist, findet man bei
Ferrero ausführlich dargestellt. Die ersten außeritalischen Eroberungen hatten
einen gewaltigen Kulturfortschritt zur Folge, wie man es gewöhnlich nennt,
wenn sich ein Volk bei wachsendem Reichtum und im Verkehr mit schon luxuriös
lebenden Völkern mehr und feinere Bedürfnisse angewöhnt. Die Steigerung
der Bedürfnisse steigerte den Zwang zu Geldausgaben, und es stellte sich die
uns wohlbekannte Not der Landwirtschaft, das heißt der Landwirte ein, deren
Einnahmen für das erhöhte Ausgabeubudget uicht mehr reichten. Diese Not
wurde durch die gracchischeu Reformen erhöht, weil die Untersuchung der
Eigentumsrechte der Nutznießer und die Aussonderung des Staatsackers Um¬
stände, Störunge» und Kosten verursachte. „Zahlreiche Grundbesitzer zwang
die Notlage, sich nach einträglichem Kulturen umzusehn, und da sie nicht mehr
bestehn konnten, wenn sie nach der bisherigen Weise Wein und Oliven für den
eignen Bedarf und Getreide für den Verkauf produzierten, so singen sie jetzt
an, umgekehrt Getreide nur für den Hausgebranch, Ol und Wein aber für den
Verkauf zu bauen. Beide Produkte galten mehr und ließen sich leichter in der
Ferne absetzen." Und gerade in diesen heilsamen Umwandlungsprozeß griff
nun wieder die gracchische Reform, die stellenweise eine Neuverteilung der
Grundstücke forderte, störend ein. „Die großen wirtschaftlichen Krisen sind im
Laufe der Geschichte nicht durch geniale Gesetzgeber, sondern durch die Völker
selbst gelöst worden, indem diese durch Arbeit den Reichtum vergrößerten.
Unglücklicherweise wurden viele italische Landwirte, als sie gerade im Begriff
waren, sich den veränderten Verhältnissen anzupassen , darin durch einen über¬
eifriger Gesetzmacher gestört und sollten nun ihren schönen Weinberg gegen
ein sumpfiges Gebiet umtauschen", wogegen die teils Geschädigten, teils Be¬
drohten bei Scipio Ämilianus Hilfe suchten, der denn auch mit Änderungen
der Gesetzgebung einschritt. Daß die Umwandlung des landwirtschaftlichen
Betriebs in die Zeit zwischen 130 und 120 fällt, folgert Ferrero aus einer
Angabe des ältern Plinius. Dieser erzählt, man habe im Jahre 121 infolge
der reichen Weinernte zum erstenmale die Wirkung dieser Umgestaltung wahr¬
genommen. Da der Rebstock langsam wächst, müsse die neue Kultur mehrere
Jahre vorher begonnen haben. Plinius sage nichts von Ölbäumen, „da aber


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[0082] <Lin neuer Gibbon Güter von weniger als 100000 Sesterzen ^100 Morgenj, ungefähr ebenso- viele solche von 100000 bis 400000, ein Fünftel darüber, darunter drei von mehr als einer Million s1000 Morgenj. Am einträglichsten war übrigens in Italien für den Landwirt auch damals der Weinbau. Das Anlagekapital für sieben preußische Morgen Weinland betrug mit Einschluß des Sklaven, der'sie als Winzer zu besorgen hatte, der Weinstöcke und des Inventars und der Zinsen zweier Jahre, in denen die Weinstöcke noch nicht trugen, 32480 Sesterzen (7065 Mark), und dieses Kapital verzinste sich nach Columella bei guter Kultur mit etwa 18 Prozent, während außerdem der Verkauf der Setzlinge noch eine erhebliche Rente gewährte." Wie diese einträgliche Wein- (und Ol-)kultur entstanden ist, findet man bei Ferrero ausführlich dargestellt. Die ersten außeritalischen Eroberungen hatten einen gewaltigen Kulturfortschritt zur Folge, wie man es gewöhnlich nennt, wenn sich ein Volk bei wachsendem Reichtum und im Verkehr mit schon luxuriös lebenden Völkern mehr und feinere Bedürfnisse angewöhnt. Die Steigerung der Bedürfnisse steigerte den Zwang zu Geldausgaben, und es stellte sich die uns wohlbekannte Not der Landwirtschaft, das heißt der Landwirte ein, deren Einnahmen für das erhöhte Ausgabeubudget uicht mehr reichten. Diese Not wurde durch die gracchischeu Reformen erhöht, weil die Untersuchung der Eigentumsrechte der Nutznießer und die Aussonderung des Staatsackers Um¬ stände, Störunge» und Kosten verursachte. „Zahlreiche Grundbesitzer zwang die Notlage, sich nach einträglichem Kulturen umzusehn, und da sie nicht mehr bestehn konnten, wenn sie nach der bisherigen Weise Wein und Oliven für den eignen Bedarf und Getreide für den Verkauf produzierten, so singen sie jetzt an, umgekehrt Getreide nur für den Hausgebranch, Ol und Wein aber für den Verkauf zu bauen. Beide Produkte galten mehr und ließen sich leichter in der Ferne absetzen." Und gerade in diesen heilsamen Umwandlungsprozeß griff nun wieder die gracchische Reform, die stellenweise eine Neuverteilung der Grundstücke forderte, störend ein. „Die großen wirtschaftlichen Krisen sind im Laufe der Geschichte nicht durch geniale Gesetzgeber, sondern durch die Völker selbst gelöst worden, indem diese durch Arbeit den Reichtum vergrößerten. Unglücklicherweise wurden viele italische Landwirte, als sie gerade im Begriff waren, sich den veränderten Verhältnissen anzupassen , darin durch einen über¬ eifriger Gesetzmacher gestört und sollten nun ihren schönen Weinberg gegen ein sumpfiges Gebiet umtauschen", wogegen die teils Geschädigten, teils Be¬ drohten bei Scipio Ämilianus Hilfe suchten, der denn auch mit Änderungen der Gesetzgebung einschritt. Daß die Umwandlung des landwirtschaftlichen Betriebs in die Zeit zwischen 130 und 120 fällt, folgert Ferrero aus einer Angabe des ältern Plinius. Dieser erzählt, man habe im Jahre 121 infolge der reichen Weinernte zum erstenmale die Wirkung dieser Umgestaltung wahr¬ genommen. Da der Rebstock langsam wächst, müsse die neue Kultur mehrere Jahre vorher begonnen haben. Plinius sage nichts von Ölbäumen, „da aber

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/82>, abgerufen am 05.07.2024.