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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Linden, höher das eigentliche Bühnengebäude, etwas niedriger der Zuschauerraum,
schon früher wegen der Baufälligkeit durch starke Strebepfeiler gestützt, daran anschließend
die Nebenräume, namentlich die altertümlich engen und schwach beleuchteten Garderoben.
Aber das Innere ist doch ein ansehnlicher, nach hinten zu etwas ansteigender Saal,
rechts und links die von einem schlichten Geländer aus gekreuzten Stäben eingefaßte
Galerie, gegenüber der Bühne in gleicher Höhe das Amphitheater, alles einfach in
weiß gehalten und von einer weißen Decke in Form eines flachen Tonnengewölbes
überspannt, dessen einzige Verzierung eine rote Mäanderkante am untern Rande
bildet. Von dessen Mitte hängt ein hölzerner, mit Kerzen besteckter Kronleuchter
herab, noch immer der alte; doch hatte man der modernen Zeit eine Konzession
gemacht, indem elektrische Beleuchtungskörper längs der Galerien den Raum erhellten;
auch hatten die rot gepolsterten Bänke Lehnen erhalten. Aber die altertümlich ge-
haltnen Theaterzettel teilten Theaterdiener in der alten Tracht aus.

Eine erwartungsvolle Menge erfüllte den Raum, vor dem neben der leichten
Ware der Lustspiele und Operetten ("Singspiele") unter Goethes Leitung und oft
in Schillers Gegenwart alle die großen Dramen beider Klassiker über die Bühne
gegangen sind und 1805 die Totenfeier für Schiller mit der "Glocke" und Goethes
Epilog veranstaltet worden war. Weihevoll klang die Ouvertüre zu Glucks
"Iphigenie"; dann rauschte der rote, leicht mit Gold verzierte Vorhang auseinander,
und in einem sonnendurchleuchteten deutschen Buchenwalde erschien ein weißbärtiger
Sänger mit der Harfe. Sein Prolog (Ernst von Wildenbruchs) wies unter scharfer
Ablehnung des französischen, skandinavischen und russischen Vorbildes (das kein Wollen
und kein Hoffen und keine Persönlichkeit kenne) auf unsre Klassiker und ihre hohen
Ideale hin. Dann schloß sich der Vorhang wieder; als er nach einem melodischen
Glockensignal abermals auseinanderging. zeigte sich das Bild des "ewigen alten
dichtbelaubten Haines", im Vordergrunde der Altar Dianas, im Mittelgrunde rechts
der Tempel, ein wuchtiger Bau, nicht griechischen, souderu eher ägyptischen Charakters,
im Hintergrunde das dunkelblaue Meer bis zu einer fernen Küste, darüber der
Wolkenhimmel, im Anfange durchbrochen von der roten Glut der aufgehenden
Sonne. Und nun trat Iphigenie (Ananda Lindner) hervor, die Stufen herab¬
schreitend, jeder Zoll die hoheitsvolle Priesterin, und majestätisch flössen die klang¬
vollen Verse des einleitenden Monologs von ihren Lippen. Auch alle andern
Spieler waren ihrer Aufgabe völlig gewachsen und bildeten, obwohl von vier ver-
schiednen Theatern stammend, ein musterhaftes Ensemble. So spielte sich die
äußerlich so einfache, innerlich so reiche und bewegte Handlung ab mit erschütternder
Gewalt, bald in abgeklärter gehaltner Ruhe, bald im dritten Akt anschwellend zu
mächtiger Leidenschaft; sogar die schwere Aufgabe, erst den Wahnsinn, dann die
Erlösung Orests (Rudolf Christians) glaubhaft zu machen, gelang vorzüglich, und
trefflich war auch König Thoas (Wilhelm Diegelmcmn). dessen tiefe, mühsam ge-
zügelte Leidenschaft den Barbaren nicht verleugnete. Zugleich plastisch und symbolisch
wirkte es, als Iphigenie, am Altar stehend, den vor ihr zusammengesunknen Orest,
den Pylades (Hermann Böttcher) stützend umschlang, mit ihrem weißen Schleier
wie schützend deckte. Die ganze Wucht der antiken und doch so ganz deutsch
empfundnen Tragödie, der edelsten Frucht des Klassizismus, deren Menschen nicht
alte Griechen sind, sondern idealisierte Gestalten aus der Goethezeit, schritt hier
über die enge Bühne, in diesem kleinen intimen Hause, in dem jede Feinheit des
Dialogs und des Spiels unendlich besser zur Geltung kam als in einem großen
modernen Theater. Es entsprach dem allgemeinen Bedürfnis, daß nach dem dritten
Akt eine längere Pause eintrat. Goldnes Sonnenlicht flutete durch die Wipfel der
hohen Linden auf das bunte Gewimmel der sich in freier Luft ergehenden Zu-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Linden, höher das eigentliche Bühnengebäude, etwas niedriger der Zuschauerraum,
schon früher wegen der Baufälligkeit durch starke Strebepfeiler gestützt, daran anschließend
die Nebenräume, namentlich die altertümlich engen und schwach beleuchteten Garderoben.
Aber das Innere ist doch ein ansehnlicher, nach hinten zu etwas ansteigender Saal,
rechts und links die von einem schlichten Geländer aus gekreuzten Stäben eingefaßte
Galerie, gegenüber der Bühne in gleicher Höhe das Amphitheater, alles einfach in
weiß gehalten und von einer weißen Decke in Form eines flachen Tonnengewölbes
überspannt, dessen einzige Verzierung eine rote Mäanderkante am untern Rande
bildet. Von dessen Mitte hängt ein hölzerner, mit Kerzen besteckter Kronleuchter
herab, noch immer der alte; doch hatte man der modernen Zeit eine Konzession
gemacht, indem elektrische Beleuchtungskörper längs der Galerien den Raum erhellten;
auch hatten die rot gepolsterten Bänke Lehnen erhalten. Aber die altertümlich ge-
haltnen Theaterzettel teilten Theaterdiener in der alten Tracht aus.

Eine erwartungsvolle Menge erfüllte den Raum, vor dem neben der leichten
Ware der Lustspiele und Operetten („Singspiele") unter Goethes Leitung und oft
in Schillers Gegenwart alle die großen Dramen beider Klassiker über die Bühne
gegangen sind und 1805 die Totenfeier für Schiller mit der „Glocke" und Goethes
Epilog veranstaltet worden war. Weihevoll klang die Ouvertüre zu Glucks
„Iphigenie"; dann rauschte der rote, leicht mit Gold verzierte Vorhang auseinander,
und in einem sonnendurchleuchteten deutschen Buchenwalde erschien ein weißbärtiger
Sänger mit der Harfe. Sein Prolog (Ernst von Wildenbruchs) wies unter scharfer
Ablehnung des französischen, skandinavischen und russischen Vorbildes (das kein Wollen
und kein Hoffen und keine Persönlichkeit kenne) auf unsre Klassiker und ihre hohen
Ideale hin. Dann schloß sich der Vorhang wieder; als er nach einem melodischen
Glockensignal abermals auseinanderging. zeigte sich das Bild des „ewigen alten
dichtbelaubten Haines", im Vordergrunde der Altar Dianas, im Mittelgrunde rechts
der Tempel, ein wuchtiger Bau, nicht griechischen, souderu eher ägyptischen Charakters,
im Hintergrunde das dunkelblaue Meer bis zu einer fernen Küste, darüber der
Wolkenhimmel, im Anfange durchbrochen von der roten Glut der aufgehenden
Sonne. Und nun trat Iphigenie (Ananda Lindner) hervor, die Stufen herab¬
schreitend, jeder Zoll die hoheitsvolle Priesterin, und majestätisch flössen die klang¬
vollen Verse des einleitenden Monologs von ihren Lippen. Auch alle andern
Spieler waren ihrer Aufgabe völlig gewachsen und bildeten, obwohl von vier ver-
schiednen Theatern stammend, ein musterhaftes Ensemble. So spielte sich die
äußerlich so einfache, innerlich so reiche und bewegte Handlung ab mit erschütternder
Gewalt, bald in abgeklärter gehaltner Ruhe, bald im dritten Akt anschwellend zu
mächtiger Leidenschaft; sogar die schwere Aufgabe, erst den Wahnsinn, dann die
Erlösung Orests (Rudolf Christians) glaubhaft zu machen, gelang vorzüglich, und
trefflich war auch König Thoas (Wilhelm Diegelmcmn). dessen tiefe, mühsam ge-
zügelte Leidenschaft den Barbaren nicht verleugnete. Zugleich plastisch und symbolisch
wirkte es, als Iphigenie, am Altar stehend, den vor ihr zusammengesunknen Orest,
den Pylades (Hermann Böttcher) stützend umschlang, mit ihrem weißen Schleier
wie schützend deckte. Die ganze Wucht der antiken und doch so ganz deutsch
empfundnen Tragödie, der edelsten Frucht des Klassizismus, deren Menschen nicht
alte Griechen sind, sondern idealisierte Gestalten aus der Goethezeit, schritt hier
über die enge Bühne, in diesem kleinen intimen Hause, in dem jede Feinheit des
Dialogs und des Spiels unendlich besser zur Geltung kam als in einem großen
modernen Theater. Es entsprach dem allgemeinen Bedürfnis, daß nach dem dritten
Akt eine längere Pause eintrat. Goldnes Sonnenlicht flutete durch die Wipfel der
hohen Linden auf das bunte Gewimmel der sich in freier Luft ergehenden Zu-


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[0655] Maßgebliches und Unmaßgebliches Linden, höher das eigentliche Bühnengebäude, etwas niedriger der Zuschauerraum, schon früher wegen der Baufälligkeit durch starke Strebepfeiler gestützt, daran anschließend die Nebenräume, namentlich die altertümlich engen und schwach beleuchteten Garderoben. Aber das Innere ist doch ein ansehnlicher, nach hinten zu etwas ansteigender Saal, rechts und links die von einem schlichten Geländer aus gekreuzten Stäben eingefaßte Galerie, gegenüber der Bühne in gleicher Höhe das Amphitheater, alles einfach in weiß gehalten und von einer weißen Decke in Form eines flachen Tonnengewölbes überspannt, dessen einzige Verzierung eine rote Mäanderkante am untern Rande bildet. Von dessen Mitte hängt ein hölzerner, mit Kerzen besteckter Kronleuchter herab, noch immer der alte; doch hatte man der modernen Zeit eine Konzession gemacht, indem elektrische Beleuchtungskörper längs der Galerien den Raum erhellten; auch hatten die rot gepolsterten Bänke Lehnen erhalten. Aber die altertümlich ge- haltnen Theaterzettel teilten Theaterdiener in der alten Tracht aus. Eine erwartungsvolle Menge erfüllte den Raum, vor dem neben der leichten Ware der Lustspiele und Operetten („Singspiele") unter Goethes Leitung und oft in Schillers Gegenwart alle die großen Dramen beider Klassiker über die Bühne gegangen sind und 1805 die Totenfeier für Schiller mit der „Glocke" und Goethes Epilog veranstaltet worden war. Weihevoll klang die Ouvertüre zu Glucks „Iphigenie"; dann rauschte der rote, leicht mit Gold verzierte Vorhang auseinander, und in einem sonnendurchleuchteten deutschen Buchenwalde erschien ein weißbärtiger Sänger mit der Harfe. Sein Prolog (Ernst von Wildenbruchs) wies unter scharfer Ablehnung des französischen, skandinavischen und russischen Vorbildes (das kein Wollen und kein Hoffen und keine Persönlichkeit kenne) auf unsre Klassiker und ihre hohen Ideale hin. Dann schloß sich der Vorhang wieder; als er nach einem melodischen Glockensignal abermals auseinanderging. zeigte sich das Bild des „ewigen alten dichtbelaubten Haines", im Vordergrunde der Altar Dianas, im Mittelgrunde rechts der Tempel, ein wuchtiger Bau, nicht griechischen, souderu eher ägyptischen Charakters, im Hintergrunde das dunkelblaue Meer bis zu einer fernen Küste, darüber der Wolkenhimmel, im Anfange durchbrochen von der roten Glut der aufgehenden Sonne. Und nun trat Iphigenie (Ananda Lindner) hervor, die Stufen herab¬ schreitend, jeder Zoll die hoheitsvolle Priesterin, und majestätisch flössen die klang¬ vollen Verse des einleitenden Monologs von ihren Lippen. Auch alle andern Spieler waren ihrer Aufgabe völlig gewachsen und bildeten, obwohl von vier ver- schiednen Theatern stammend, ein musterhaftes Ensemble. So spielte sich die äußerlich so einfache, innerlich so reiche und bewegte Handlung ab mit erschütternder Gewalt, bald in abgeklärter gehaltner Ruhe, bald im dritten Akt anschwellend zu mächtiger Leidenschaft; sogar die schwere Aufgabe, erst den Wahnsinn, dann die Erlösung Orests (Rudolf Christians) glaubhaft zu machen, gelang vorzüglich, und trefflich war auch König Thoas (Wilhelm Diegelmcmn). dessen tiefe, mühsam ge- zügelte Leidenschaft den Barbaren nicht verleugnete. Zugleich plastisch und symbolisch wirkte es, als Iphigenie, am Altar stehend, den vor ihr zusammengesunknen Orest, den Pylades (Hermann Böttcher) stützend umschlang, mit ihrem weißen Schleier wie schützend deckte. Die ganze Wucht der antiken und doch so ganz deutsch empfundnen Tragödie, der edelsten Frucht des Klassizismus, deren Menschen nicht alte Griechen sind, sondern idealisierte Gestalten aus der Goethezeit, schritt hier über die enge Bühne, in diesem kleinen intimen Hause, in dem jede Feinheit des Dialogs und des Spiels unendlich besser zur Geltung kam als in einem großen modernen Theater. Es entsprach dem allgemeinen Bedürfnis, daß nach dem dritten Akt eine längere Pause eintrat. Goldnes Sonnenlicht flutete durch die Wipfel der hohen Linden auf das bunte Gewimmel der sich in freier Luft ergehenden Zu-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/655>, abgerufen am 21.06.2024.