Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.Die Grenzvölker im Nordwesten Indiens und die Expedition gegen die Zakka "helf hauptsächlich dem außerordentlich starken Truppenaufgebot und ihren schnellen Wer die Geschichte der frühern Kriege in diesen Grenzgebieten liest und Diese Frage ist in der Tat mehrfach, anscheinend auch jetzt wieder von Diese Zustände machen ohne Zweifel einen einer Großmacht unwürdigen Es gibt in Indien ein altes Sprichwort der Eingebornen: "Der Parther Die Grenzvölker im Nordwesten Indiens und die Expedition gegen die Zakka «helf hauptsächlich dem außerordentlich starken Truppenaufgebot und ihren schnellen Wer die Geschichte der frühern Kriege in diesen Grenzgebieten liest und Diese Frage ist in der Tat mehrfach, anscheinend auch jetzt wieder von Diese Zustände machen ohne Zweifel einen einer Großmacht unwürdigen Es gibt in Indien ein altes Sprichwort der Eingebornen: „Der Parther <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0607" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/312292"/> <fw type="header" place="top"> Die Grenzvölker im Nordwesten Indiens und die Expedition gegen die Zakka «helf</fw><lb/> <p xml:id="ID_2385" prev="#ID_2384"> hauptsächlich dem außerordentlich starken Truppenaufgebot und ihren schnellen<lb/> Operationen zu, die auch deshalb für notwendig erklärt wurden, weil man<lb/> Komplikationen mit Afghanistan vermeiden wollte. Wie zart man diesen<lb/> Nachbarn auch nach dem englisch-russischen Vertrag, vielleicht wegen seiner<lb/> noch nicht erfolgten Zustimmung dazu, behandelt, geht daraus hervor, daß<lb/> die indische Negierung vor der Expedition mit einer Bitte um Schließung der<lb/> Pässe an den Emir nicht herangetreten ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_2386"> Wer die Geschichte der frühern Kriege in diesen Grenzgebieten liest und<lb/> in Betracht zieht, daß die beschriebnen Zustünde schon viele Jahrzehnte be¬<lb/> steh», muß sich unwillkürlich die Frage vorlegen, weshalb man nicht längst<lb/> den unerträglichen Verhältnissen dadurch ein Ende gemacht hat, daß man das<lb/> Gebiet der Grenzstämme militärisch besetzt oder es wenigstens durch einzelne<lb/> Forts teilweise zu beherrschen versucht.</p><lb/> <p xml:id="ID_2387"> Diese Frage ist in der Tat mehrfach, anscheinend auch jetzt wieder von<lb/> dem Oberstkommandierenden in Indien angeregt worden, wurde aber im<lb/> Parlament von der Regierung sowohl wie von der Opposition energisch<lb/> zurückgewiesen. Der Redner der Opposition, Lord Curzon, führte in seiner<lb/> Rede aus, daß mit einem derartigen Versuch die ganze Grenze auf viele<lb/> Jahre in Flammen gesetzt würde. Die Armee müßte bedeutend verstärkt<lb/> werden, und England würde sich dieselben Verhältnisse in den Grenzgebirgen<lb/> schaffen, wie sie Rußland im Kaukasus hätte, dessen Unterwerfung zwei Jahr¬<lb/> zehnte gedauert hätte. Dazu käme die Gefahr von Kollisionen mit Afghanistan<lb/> zu einer Zeit, in der auch im Innern Indiens aufrührerische Tendenzen zu¬<lb/> tage trete«. Der gegenwärtige Zustand müßte beibehalten werden. Eine<lb/> Okkupation käme vielleicht dereinst in Frage, wäre aber solange wie möglich<lb/> hinauszuschieben. Ähnlich sprach sich der Vertreter der Regierung aus, ohne<lb/> aber auf die Zukunft anzuspielen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2388"> Diese Zustände machen ohne Zweifel einen einer Großmacht unwürdigen<lb/> Eindruck; trotzdem trägt England, dessen Herrschaft in Asien doch eigentlich<lb/> nur auf seinem Prestige beruht, kein Bedenken, sie weiter bestehn zu lassen.<lb/> Wir haben in unserm Südwestafrika im Norden die Ovambos sitzen, an denen<lb/> ebenfalls Ausschreitungen, wie der Überfall auf die Station Nmnatoni, zu<lb/> rächen sind. Wenn wir mit deren Unterwerfung warten, bis es uns opportun<lb/> erscheint und ohne große Opfer ausgeführt werden kann, so ist dies eben<lb/> Praktische Kolonialpolitik, wie sie von England nicht nur in Afrika, sondern,<lb/> wie wir gesehen haben, auch in Asien seit jeher betrieben wird; zudem haben<lb/> wir in unsrer Kolonie weder mit den Übeln Eindrücken auf benachbarte Völker¬<lb/> schaften noch mit religiösem Fanatismus zu rechnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2389" next="#ID_2390"> Es gibt in Indien ein altes Sprichwort der Eingebornen: „Der Parther<lb/> ist in dem einen Augenblick ein Heiliger, in dem nächsten ein Teufel." An<lb/> dieses Sprichwort erinnert unwillkürlich die Tatsache, daß sich kurze Zeit nach<lb/> dem glänzenden Abschluß der Expedition gegen die Zakka Khels ein diesen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0607]
Die Grenzvölker im Nordwesten Indiens und die Expedition gegen die Zakka «helf
hauptsächlich dem außerordentlich starken Truppenaufgebot und ihren schnellen
Operationen zu, die auch deshalb für notwendig erklärt wurden, weil man
Komplikationen mit Afghanistan vermeiden wollte. Wie zart man diesen
Nachbarn auch nach dem englisch-russischen Vertrag, vielleicht wegen seiner
noch nicht erfolgten Zustimmung dazu, behandelt, geht daraus hervor, daß
die indische Negierung vor der Expedition mit einer Bitte um Schließung der
Pässe an den Emir nicht herangetreten ist.
Wer die Geschichte der frühern Kriege in diesen Grenzgebieten liest und
in Betracht zieht, daß die beschriebnen Zustünde schon viele Jahrzehnte be¬
steh», muß sich unwillkürlich die Frage vorlegen, weshalb man nicht längst
den unerträglichen Verhältnissen dadurch ein Ende gemacht hat, daß man das
Gebiet der Grenzstämme militärisch besetzt oder es wenigstens durch einzelne
Forts teilweise zu beherrschen versucht.
Diese Frage ist in der Tat mehrfach, anscheinend auch jetzt wieder von
dem Oberstkommandierenden in Indien angeregt worden, wurde aber im
Parlament von der Regierung sowohl wie von der Opposition energisch
zurückgewiesen. Der Redner der Opposition, Lord Curzon, führte in seiner
Rede aus, daß mit einem derartigen Versuch die ganze Grenze auf viele
Jahre in Flammen gesetzt würde. Die Armee müßte bedeutend verstärkt
werden, und England würde sich dieselben Verhältnisse in den Grenzgebirgen
schaffen, wie sie Rußland im Kaukasus hätte, dessen Unterwerfung zwei Jahr¬
zehnte gedauert hätte. Dazu käme die Gefahr von Kollisionen mit Afghanistan
zu einer Zeit, in der auch im Innern Indiens aufrührerische Tendenzen zu¬
tage trete«. Der gegenwärtige Zustand müßte beibehalten werden. Eine
Okkupation käme vielleicht dereinst in Frage, wäre aber solange wie möglich
hinauszuschieben. Ähnlich sprach sich der Vertreter der Regierung aus, ohne
aber auf die Zukunft anzuspielen.
Diese Zustände machen ohne Zweifel einen einer Großmacht unwürdigen
Eindruck; trotzdem trägt England, dessen Herrschaft in Asien doch eigentlich
nur auf seinem Prestige beruht, kein Bedenken, sie weiter bestehn zu lassen.
Wir haben in unserm Südwestafrika im Norden die Ovambos sitzen, an denen
ebenfalls Ausschreitungen, wie der Überfall auf die Station Nmnatoni, zu
rächen sind. Wenn wir mit deren Unterwerfung warten, bis es uns opportun
erscheint und ohne große Opfer ausgeführt werden kann, so ist dies eben
Praktische Kolonialpolitik, wie sie von England nicht nur in Afrika, sondern,
wie wir gesehen haben, auch in Asien seit jeher betrieben wird; zudem haben
wir in unsrer Kolonie weder mit den Übeln Eindrücken auf benachbarte Völker¬
schaften noch mit religiösem Fanatismus zu rechnen.
Es gibt in Indien ein altes Sprichwort der Eingebornen: „Der Parther
ist in dem einen Augenblick ein Heiliger, in dem nächsten ein Teufel." An
dieses Sprichwort erinnert unwillkürlich die Tatsache, daß sich kurze Zeit nach
dem glänzenden Abschluß der Expedition gegen die Zakka Khels ein diesen
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