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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Die preußische Artillerie im Dienste des Küstenrettmigswesens

geblieben. Eine Beschreibung dieses Apparats, die er im Jahre 1843 verfaßte,
befindet sich bei den Akten der Regierung zu Kostin. Ob er sich von der Er¬
findung des Engländers Erfolg versprach, ist aus der Beschreibung nicht er¬
sichtlich. Er gibt sie ohne jeden Zusatz, sodaß man den Eindruck gewinnt, daß
er der launigen Rakete die Fähigkeit, mit dem Mörser zu konkurrieren, nicht
zuerkannte. Im Jahre 1847 wurde er zum Artillerieoffizier des Platzes in
Stralsund ernannt. Während der Tätigkeit, die er in den folgenden Jahren
am Strande von Vorpommern und Rügen entfaltete, erwähnte er die Rakete
nicht mehr.

Nicht lange nachdem der Artillerieoffizier vom Strand die Stationen in
Vorpommern und auf Rügen unter Dach gebracht hatte, hemmte wieder ein
drohender Krieg die Entwicklung des Rettungswesens. Seit dem Jahre 1857
war die Ausrüstung der Stationen Hiddensee, Zingst und Darßerort mit
Rettungsbooten nach dem Muster des Peakeschen Boots projektiert. Die Boote
waren schon bei einem Schifsbaumeister in Swinemünde in Bau gegeben. Im
Frühling des Jahres 1859, einige Wochen vor den Schlachten bei Magenta
und bei Solferino suspendierte die Negierung "alle Bauausführungen und
Verwendung der zur Disposition gestellten extraordinären Banfonds" . . .,
"um diese Fonds zu Bedürfnissen des Heeres verwenden zu können". Der
Bau der Rettungsboote, der dazu gehörenden Wagen und des Schuppens zu
Zingst mußte eingestellt werden. In den folgenden Jahren verschärfte sich die
Schleswig-holsteinische Frage. Trotzdem nahm man die friedliche Armierung
des Strandes mit Rettnngsgeräten wieder auf. Im Spätherbst des Jahres 1860
brachte das Dampfkcmoneuboot Sperber ein Frcmcisboot, das in Swinemünde
aufgestellt war, nach Stralsund. Dieses Wellblechboot erschien durch seine
Leichtigkeit und seine breite Kielsohle für die flache und sandige Küste Preußens
von vornherein besonders geeignet. Durch eingehende Versuche sollte aber der
Frcmcistyp noch sorgfältig dem vorpommerschen und rügischen Strande ange¬
paßt werden. Der Hafenbauiuspektor Khün nahm diese Versuche mit Mann¬
schaften der Seeartillerie vor. Marineoffiziere waren als Sachverständige bei¬
gezogen. Man entschied sich für die Beibehaltung der Swinemünder Form, und
ini Jahre 1861 wurden die Stationen Hiddensee, Zingst und Darßerort mit
solchen Booten ausgerüstet.

Die Fürsorge für die Schiffbrüchigen, das Dornröschen, das immer wieder
in tiefen Schlummer versenkt worden war, brauchte die Spindel der bösen Fee
Finanz nicht mehr zu fürchten. Die große Zeit, die nun anbrach, nahm den
Schlummer ganz von ihm und ließ das wache Dornröschen auch nicht zum
Aschenbrödel werden.

Gustav Freytag weist im vierten Bande seiner Bilder aus der deutschen
Vergangenheit auf die Gründungen der Nachfolger Speners, die ersten Waisen¬
häuser, und auf die Anfänge einer geordneten städtischen Armenpflege, die wir
ebenfalls den Pietisten verdanken, mit großer Wärme hin: "-- für alle Zeit


Die preußische Artillerie im Dienste des Küstenrettmigswesens

geblieben. Eine Beschreibung dieses Apparats, die er im Jahre 1843 verfaßte,
befindet sich bei den Akten der Regierung zu Kostin. Ob er sich von der Er¬
findung des Engländers Erfolg versprach, ist aus der Beschreibung nicht er¬
sichtlich. Er gibt sie ohne jeden Zusatz, sodaß man den Eindruck gewinnt, daß
er der launigen Rakete die Fähigkeit, mit dem Mörser zu konkurrieren, nicht
zuerkannte. Im Jahre 1847 wurde er zum Artillerieoffizier des Platzes in
Stralsund ernannt. Während der Tätigkeit, die er in den folgenden Jahren
am Strande von Vorpommern und Rügen entfaltete, erwähnte er die Rakete
nicht mehr.

Nicht lange nachdem der Artillerieoffizier vom Strand die Stationen in
Vorpommern und auf Rügen unter Dach gebracht hatte, hemmte wieder ein
drohender Krieg die Entwicklung des Rettungswesens. Seit dem Jahre 1857
war die Ausrüstung der Stationen Hiddensee, Zingst und Darßerort mit
Rettungsbooten nach dem Muster des Peakeschen Boots projektiert. Die Boote
waren schon bei einem Schifsbaumeister in Swinemünde in Bau gegeben. Im
Frühling des Jahres 1859, einige Wochen vor den Schlachten bei Magenta
und bei Solferino suspendierte die Negierung „alle Bauausführungen und
Verwendung der zur Disposition gestellten extraordinären Banfonds" . . .,
„um diese Fonds zu Bedürfnissen des Heeres verwenden zu können". Der
Bau der Rettungsboote, der dazu gehörenden Wagen und des Schuppens zu
Zingst mußte eingestellt werden. In den folgenden Jahren verschärfte sich die
Schleswig-holsteinische Frage. Trotzdem nahm man die friedliche Armierung
des Strandes mit Rettnngsgeräten wieder auf. Im Spätherbst des Jahres 1860
brachte das Dampfkcmoneuboot Sperber ein Frcmcisboot, das in Swinemünde
aufgestellt war, nach Stralsund. Dieses Wellblechboot erschien durch seine
Leichtigkeit und seine breite Kielsohle für die flache und sandige Küste Preußens
von vornherein besonders geeignet. Durch eingehende Versuche sollte aber der
Frcmcistyp noch sorgfältig dem vorpommerschen und rügischen Strande ange¬
paßt werden. Der Hafenbauiuspektor Khün nahm diese Versuche mit Mann¬
schaften der Seeartillerie vor. Marineoffiziere waren als Sachverständige bei¬
gezogen. Man entschied sich für die Beibehaltung der Swinemünder Form, und
ini Jahre 1861 wurden die Stationen Hiddensee, Zingst und Darßerort mit
solchen Booten ausgerüstet.

Die Fürsorge für die Schiffbrüchigen, das Dornröschen, das immer wieder
in tiefen Schlummer versenkt worden war, brauchte die Spindel der bösen Fee
Finanz nicht mehr zu fürchten. Die große Zeit, die nun anbrach, nahm den
Schlummer ganz von ihm und ließ das wache Dornröschen auch nicht zum
Aschenbrödel werden.

Gustav Freytag weist im vierten Bande seiner Bilder aus der deutschen
Vergangenheit auf die Gründungen der Nachfolger Speners, die ersten Waisen¬
häuser, und auf die Anfänge einer geordneten städtischen Armenpflege, die wir
ebenfalls den Pietisten verdanken, mit großer Wärme hin: „— für alle Zeit


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[0568] Die preußische Artillerie im Dienste des Küstenrettmigswesens geblieben. Eine Beschreibung dieses Apparats, die er im Jahre 1843 verfaßte, befindet sich bei den Akten der Regierung zu Kostin. Ob er sich von der Er¬ findung des Engländers Erfolg versprach, ist aus der Beschreibung nicht er¬ sichtlich. Er gibt sie ohne jeden Zusatz, sodaß man den Eindruck gewinnt, daß er der launigen Rakete die Fähigkeit, mit dem Mörser zu konkurrieren, nicht zuerkannte. Im Jahre 1847 wurde er zum Artillerieoffizier des Platzes in Stralsund ernannt. Während der Tätigkeit, die er in den folgenden Jahren am Strande von Vorpommern und Rügen entfaltete, erwähnte er die Rakete nicht mehr. Nicht lange nachdem der Artillerieoffizier vom Strand die Stationen in Vorpommern und auf Rügen unter Dach gebracht hatte, hemmte wieder ein drohender Krieg die Entwicklung des Rettungswesens. Seit dem Jahre 1857 war die Ausrüstung der Stationen Hiddensee, Zingst und Darßerort mit Rettungsbooten nach dem Muster des Peakeschen Boots projektiert. Die Boote waren schon bei einem Schifsbaumeister in Swinemünde in Bau gegeben. Im Frühling des Jahres 1859, einige Wochen vor den Schlachten bei Magenta und bei Solferino suspendierte die Negierung „alle Bauausführungen und Verwendung der zur Disposition gestellten extraordinären Banfonds" . . ., „um diese Fonds zu Bedürfnissen des Heeres verwenden zu können". Der Bau der Rettungsboote, der dazu gehörenden Wagen und des Schuppens zu Zingst mußte eingestellt werden. In den folgenden Jahren verschärfte sich die Schleswig-holsteinische Frage. Trotzdem nahm man die friedliche Armierung des Strandes mit Rettnngsgeräten wieder auf. Im Spätherbst des Jahres 1860 brachte das Dampfkcmoneuboot Sperber ein Frcmcisboot, das in Swinemünde aufgestellt war, nach Stralsund. Dieses Wellblechboot erschien durch seine Leichtigkeit und seine breite Kielsohle für die flache und sandige Küste Preußens von vornherein besonders geeignet. Durch eingehende Versuche sollte aber der Frcmcistyp noch sorgfältig dem vorpommerschen und rügischen Strande ange¬ paßt werden. Der Hafenbauiuspektor Khün nahm diese Versuche mit Mann¬ schaften der Seeartillerie vor. Marineoffiziere waren als Sachverständige bei¬ gezogen. Man entschied sich für die Beibehaltung der Swinemünder Form, und ini Jahre 1861 wurden die Stationen Hiddensee, Zingst und Darßerort mit solchen Booten ausgerüstet. Die Fürsorge für die Schiffbrüchigen, das Dornröschen, das immer wieder in tiefen Schlummer versenkt worden war, brauchte die Spindel der bösen Fee Finanz nicht mehr zu fürchten. Die große Zeit, die nun anbrach, nahm den Schlummer ganz von ihm und ließ das wache Dornröschen auch nicht zum Aschenbrödel werden. Gustav Freytag weist im vierten Bande seiner Bilder aus der deutschen Vergangenheit auf die Gründungen der Nachfolger Speners, die ersten Waisen¬ häuser, und auf die Anfänge einer geordneten städtischen Armenpflege, die wir ebenfalls den Pietisten verdanken, mit großer Wärme hin: „— für alle Zeit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/568>, abgerufen am 22.06.2024.