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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Die preußische Artillerie im Dienste des Rüstenrettungswesens

der Tatarenhorden gebrochen haben soll, indem sie ihn an Pfeile band und
mit dem nun wehrhaften und lenkbarem Insekt die Pferde der Angreifer schreckte.
Nun sollte seine feine, weiche Zugkraft die Dienste leisten, die die rohe der
Mörsergranate so oft nur unvollkommen tat oder versagte.

Kapitän Trengrouse zu Helston in Cornwall konstruierte im Jahre 1807,
als Manby seinen Mvrserapparat zusammenstellte, und als sich die Rakete bei
der Beschießung von Kopenhagen als Zündgeschoß so furchtbar bewährte, den
ersten Raketenapparat zur Rettung Schiffbrüchiger. Er brachte an einem Ge¬
wehr einen Halbzylinder an, wie ein Bajonett, in diesen legte er die Rakete,
an deren Stock die Rettungsleine befestigt war. Das Geschoß wurde durch
den Gewehrschuß gezündet. Trengrouses Konstruktion erinnert in ihrer Einfach¬
heit an den Vorschlag des Kolberger Erfinders, die Leine von Gewehr- und
Pistolenbolzen über das gestrandete Schiff tragen zu lassen. Es gelang ihm,
eine Leine mit einer achtlötigen Rakete 160 Meter, mit einer zweipfündigen
400 Meter weit zu werfen. Eine einpsündige Rakete, die von einem hölzernen
Gestell mit fünfzig Grad Elevation abgeschossen wurde, flog 190 Meter weit,
eine vierlötige, aus der freien Hand geworfen, 100 Meter.

Diese Flugweiten wären groß genug gewesen, den 67 Schiffbrüchigen, die
Manby am 18. Februar 1807 mit der Kutterbrigg Snipe nur 200 Fuß vom
Lande entfernt untergehn sah, Hilfe zu bringen, und hätten es Trengrouse er¬
möglicht, mit dem glücklichern Erfinder des Mörserrettungsverfahrens zu kon¬
kurrieren. Ob ihm allerdings derselbe Erfolg beschieden gewesen wäre, ist bei
der Unsicherheit der launigen Raketenflugbahn zweifelhaft. Die Rakete zieht weich
an, das ist die Eigenschaft, wodurch sie allen, die Rettungsgeschosse konstruierten,
als Leinenträger besonders geeignet erschien, aber sie kann nur leichte und dünne
Leinen schleppen. Diesen Mangel verminderte John Dennett, Ingenieur in
New Village auf Wight, indem er im Rettungsdienste Congrevesche Kriegs¬
raketen verwandte, die durch ihre größere Flugkraft als Schleppraketen geeigneter
erschienen als die schwachen Signalraketen Trengrouses. Die Kriegsraketen
vermochten stärkere Leinen zu tragen, die nicht so leicht rissen wie die des
Trengrouseschen Apparats. Dennett arbeitete an dem Problem der Rettungs¬
rakete weiter. Er konstruierte im Jahre 1838 eine Doppelrakete, die durch ihre
Flugkraft eine leichte Leine nach einem ungewöhnlich weit entfernten Wrack
bringen oder schwere an Bord eines in normaler Entfernung gestrandeten
Schiffes befördern sollte. Die Gefahr des Zerreißens der Leine schränkte ein
dritter englischer Ingenieur, Carte, noch mehr ein, indem er einen Haspel er¬
fand, von dem die Leine sogar bei starkem Sturm, ohne Schlingen zu bilden,
dem Geschoß folgen konnte.

In einem Artikel des Röpsrtor^ ok ?At6ut-Invsiiti0Q8, der in dem Poly¬
technischen Journal von Dingler wiedergegeben ist, berichtet Dennett über seine
"Verbesserungen an den für den Kriegsdienst bestimmten Raketen, an den
Apparaten zur Communication mit gestrandeten Schiffen mittelst Raketen und


Die preußische Artillerie im Dienste des Rüstenrettungswesens

der Tatarenhorden gebrochen haben soll, indem sie ihn an Pfeile band und
mit dem nun wehrhaften und lenkbarem Insekt die Pferde der Angreifer schreckte.
Nun sollte seine feine, weiche Zugkraft die Dienste leisten, die die rohe der
Mörsergranate so oft nur unvollkommen tat oder versagte.

Kapitän Trengrouse zu Helston in Cornwall konstruierte im Jahre 1807,
als Manby seinen Mvrserapparat zusammenstellte, und als sich die Rakete bei
der Beschießung von Kopenhagen als Zündgeschoß so furchtbar bewährte, den
ersten Raketenapparat zur Rettung Schiffbrüchiger. Er brachte an einem Ge¬
wehr einen Halbzylinder an, wie ein Bajonett, in diesen legte er die Rakete,
an deren Stock die Rettungsleine befestigt war. Das Geschoß wurde durch
den Gewehrschuß gezündet. Trengrouses Konstruktion erinnert in ihrer Einfach¬
heit an den Vorschlag des Kolberger Erfinders, die Leine von Gewehr- und
Pistolenbolzen über das gestrandete Schiff tragen zu lassen. Es gelang ihm,
eine Leine mit einer achtlötigen Rakete 160 Meter, mit einer zweipfündigen
400 Meter weit zu werfen. Eine einpsündige Rakete, die von einem hölzernen
Gestell mit fünfzig Grad Elevation abgeschossen wurde, flog 190 Meter weit,
eine vierlötige, aus der freien Hand geworfen, 100 Meter.

Diese Flugweiten wären groß genug gewesen, den 67 Schiffbrüchigen, die
Manby am 18. Februar 1807 mit der Kutterbrigg Snipe nur 200 Fuß vom
Lande entfernt untergehn sah, Hilfe zu bringen, und hätten es Trengrouse er¬
möglicht, mit dem glücklichern Erfinder des Mörserrettungsverfahrens zu kon¬
kurrieren. Ob ihm allerdings derselbe Erfolg beschieden gewesen wäre, ist bei
der Unsicherheit der launigen Raketenflugbahn zweifelhaft. Die Rakete zieht weich
an, das ist die Eigenschaft, wodurch sie allen, die Rettungsgeschosse konstruierten,
als Leinenträger besonders geeignet erschien, aber sie kann nur leichte und dünne
Leinen schleppen. Diesen Mangel verminderte John Dennett, Ingenieur in
New Village auf Wight, indem er im Rettungsdienste Congrevesche Kriegs¬
raketen verwandte, die durch ihre größere Flugkraft als Schleppraketen geeigneter
erschienen als die schwachen Signalraketen Trengrouses. Die Kriegsraketen
vermochten stärkere Leinen zu tragen, die nicht so leicht rissen wie die des
Trengrouseschen Apparats. Dennett arbeitete an dem Problem der Rettungs¬
rakete weiter. Er konstruierte im Jahre 1838 eine Doppelrakete, die durch ihre
Flugkraft eine leichte Leine nach einem ungewöhnlich weit entfernten Wrack
bringen oder schwere an Bord eines in normaler Entfernung gestrandeten
Schiffes befördern sollte. Die Gefahr des Zerreißens der Leine schränkte ein
dritter englischer Ingenieur, Carte, noch mehr ein, indem er einen Haspel er¬
fand, von dem die Leine sogar bei starkem Sturm, ohne Schlingen zu bilden,
dem Geschoß folgen konnte.

In einem Artikel des Röpsrtor^ ok ?At6ut-Invsiiti0Q8, der in dem Poly¬
technischen Journal von Dingler wiedergegeben ist, berichtet Dennett über seine
„Verbesserungen an den für den Kriegsdienst bestimmten Raketen, an den
Apparaten zur Communication mit gestrandeten Schiffen mittelst Raketen und


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[0562] Die preußische Artillerie im Dienste des Rüstenrettungswesens der Tatarenhorden gebrochen haben soll, indem sie ihn an Pfeile band und mit dem nun wehrhaften und lenkbarem Insekt die Pferde der Angreifer schreckte. Nun sollte seine feine, weiche Zugkraft die Dienste leisten, die die rohe der Mörsergranate so oft nur unvollkommen tat oder versagte. Kapitän Trengrouse zu Helston in Cornwall konstruierte im Jahre 1807, als Manby seinen Mvrserapparat zusammenstellte, und als sich die Rakete bei der Beschießung von Kopenhagen als Zündgeschoß so furchtbar bewährte, den ersten Raketenapparat zur Rettung Schiffbrüchiger. Er brachte an einem Ge¬ wehr einen Halbzylinder an, wie ein Bajonett, in diesen legte er die Rakete, an deren Stock die Rettungsleine befestigt war. Das Geschoß wurde durch den Gewehrschuß gezündet. Trengrouses Konstruktion erinnert in ihrer Einfach¬ heit an den Vorschlag des Kolberger Erfinders, die Leine von Gewehr- und Pistolenbolzen über das gestrandete Schiff tragen zu lassen. Es gelang ihm, eine Leine mit einer achtlötigen Rakete 160 Meter, mit einer zweipfündigen 400 Meter weit zu werfen. Eine einpsündige Rakete, die von einem hölzernen Gestell mit fünfzig Grad Elevation abgeschossen wurde, flog 190 Meter weit, eine vierlötige, aus der freien Hand geworfen, 100 Meter. Diese Flugweiten wären groß genug gewesen, den 67 Schiffbrüchigen, die Manby am 18. Februar 1807 mit der Kutterbrigg Snipe nur 200 Fuß vom Lande entfernt untergehn sah, Hilfe zu bringen, und hätten es Trengrouse er¬ möglicht, mit dem glücklichern Erfinder des Mörserrettungsverfahrens zu kon¬ kurrieren. Ob ihm allerdings derselbe Erfolg beschieden gewesen wäre, ist bei der Unsicherheit der launigen Raketenflugbahn zweifelhaft. Die Rakete zieht weich an, das ist die Eigenschaft, wodurch sie allen, die Rettungsgeschosse konstruierten, als Leinenträger besonders geeignet erschien, aber sie kann nur leichte und dünne Leinen schleppen. Diesen Mangel verminderte John Dennett, Ingenieur in New Village auf Wight, indem er im Rettungsdienste Congrevesche Kriegs¬ raketen verwandte, die durch ihre größere Flugkraft als Schleppraketen geeigneter erschienen als die schwachen Signalraketen Trengrouses. Die Kriegsraketen vermochten stärkere Leinen zu tragen, die nicht so leicht rissen wie die des Trengrouseschen Apparats. Dennett arbeitete an dem Problem der Rettungs¬ rakete weiter. Er konstruierte im Jahre 1838 eine Doppelrakete, die durch ihre Flugkraft eine leichte Leine nach einem ungewöhnlich weit entfernten Wrack bringen oder schwere an Bord eines in normaler Entfernung gestrandeten Schiffes befördern sollte. Die Gefahr des Zerreißens der Leine schränkte ein dritter englischer Ingenieur, Carte, noch mehr ein, indem er einen Haspel er¬ fand, von dem die Leine sogar bei starkem Sturm, ohne Schlingen zu bilden, dem Geschoß folgen konnte. In einem Artikel des Röpsrtor^ ok ?At6ut-Invsiiti0Q8, der in dem Poly¬ technischen Journal von Dingler wiedergegeben ist, berichtet Dennett über seine „Verbesserungen an den für den Kriegsdienst bestimmten Raketen, an den Apparaten zur Communication mit gestrandeten Schiffen mittelst Raketen und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/562>, abgerufen am 24.07.2024.