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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Chinesische Parteien und Zeitungen

unter der Devise "China für die Chinesen", und schwimmt im Fahrwasser der
Zeitung Schuntien-fehl-pau (das bedeutet etwa "Blatt für einen bestimmten
Teil Pekings") am Schlepptau des klugen Japans. Diese Zeitung, die in
Peking erscheint und von Japanern begründet worden ist, bemüht sich, der
Reform von Osten her bei der chinesischen Geschäftswelt Eingang zu verschaffen.
Natürlich lassen es die Japaner nicht fehlen, sich selbst auf Kosten des Abend¬
landes zu verherrlichen, und machen in dieser -- chinesischen -- Zeitung den
Chinesen ihre eignen, japanischen Absichten und Erfolg möglichst mundgerecht.
Eine ähnliche Tendenz verfolgt ein in Tientsin erscheinendes "Das Neueste
bringende" Organ, das, allerdings ebenfalls von Japanern redigiert, die Inter¬
essen der chinesischen Börse vertritt. Das Hauptblatt aber für die chinesische
Hochfinanz ist die Hsin-wen-pau, die in Schanghai herauskommt.

Von der oben genannten "neuen Partei" haben sich zwei Linien abge¬
zweigt. Die eine, die "westliche", legt Wert darauf, sich geradeswegs durch
Europa direkt zu modernisieren, während die "östliche" wiederum zu Japan
hinneigt, aber zunächst von dem Gedanken des allgemeinen Herrschens der
ganzen gelben Nasse durchdrungen ist. Dieser Partei mag namentlich eine in
Schanghai vom Kaiser von Japan begründete Zeitung, die Tung-wen-du-pau,
als Richtschnur dienen. Das Blatt basiert auf der gemeinsamen Schriftsprache
der Chinesen und Japaner, beruft sich demnach auf die gelbe Stammverwandt¬
schaft beider Länder, bringt kühne fortschrittliche Artikel und ist der genannten
Partei höchst willkommen. Die "westliche" Partei dagegen liest die Sehern-pau,
die auch in Schanghai erscheint, und deren Richtung europafreundlich ist, ihre
Gründer waren Engländer, ferner eine von französischen Missionaren und
chinesischen Christen gegründete unparteiische in Tientin erscheinende Zeitung,
die mit Maß, besonders in religiöser Beziehung, aufklärend wirkt.

Weiterhin erschien in Tientsin die Chi-pau, die ein wenig klatsch- und
sensationslüstern war, aber guten Nachrichtendienst brachte. Als sie aber eine
Soldaten- und Offizierskandalgeschichte über Tschilis beste Truppen veröffent¬
lichte, ließ sie der Generalgouvemeur von Tschiki. Altar-fehl-kai, von der
Bildfläche verschwinden. An ihre Stelle ist jetzt eine Handelszeitung getreten,
die die guten Beziehungen zwischen den europäischen und den chinesischen Inter¬
essen pflegen soll. Das in Schanghai erscheinende Blatt für In- und Aus¬
land, die Tschung-wei-ji-pau, ist, wie die zu vorletzt genannte jetzt verschwundne
Chi-pau, ein sehr gutes Nachrichtenblatt, als das sie sich besonders während
der Wirren 1900 hervortat, trotz der großen Entfernung von Petschili, dem
Schauplatze der Unruhen, bis Schanghai.

Erklärlich ist es, daß sich eine weitere Partei, die sich offen "Partei der
Veränderung" nennt, und die die jetzige, regierende Dynastie der Mandschus
stürzen möchte, keines öffentlichen Organs bedienen darf. Den Redakteuren
eines solchen Blattes würde es ergehn wie dem zu Anfang erwähnten unglück¬
lichen Schriftgelehrten.


Chinesische Parteien und Zeitungen

unter der Devise „China für die Chinesen", und schwimmt im Fahrwasser der
Zeitung Schuntien-fehl-pau (das bedeutet etwa „Blatt für einen bestimmten
Teil Pekings") am Schlepptau des klugen Japans. Diese Zeitung, die in
Peking erscheint und von Japanern begründet worden ist, bemüht sich, der
Reform von Osten her bei der chinesischen Geschäftswelt Eingang zu verschaffen.
Natürlich lassen es die Japaner nicht fehlen, sich selbst auf Kosten des Abend¬
landes zu verherrlichen, und machen in dieser — chinesischen — Zeitung den
Chinesen ihre eignen, japanischen Absichten und Erfolg möglichst mundgerecht.
Eine ähnliche Tendenz verfolgt ein in Tientsin erscheinendes „Das Neueste
bringende" Organ, das, allerdings ebenfalls von Japanern redigiert, die Inter¬
essen der chinesischen Börse vertritt. Das Hauptblatt aber für die chinesische
Hochfinanz ist die Hsin-wen-pau, die in Schanghai herauskommt.

Von der oben genannten „neuen Partei" haben sich zwei Linien abge¬
zweigt. Die eine, die „westliche", legt Wert darauf, sich geradeswegs durch
Europa direkt zu modernisieren, während die „östliche" wiederum zu Japan
hinneigt, aber zunächst von dem Gedanken des allgemeinen Herrschens der
ganzen gelben Nasse durchdrungen ist. Dieser Partei mag namentlich eine in
Schanghai vom Kaiser von Japan begründete Zeitung, die Tung-wen-du-pau,
als Richtschnur dienen. Das Blatt basiert auf der gemeinsamen Schriftsprache
der Chinesen und Japaner, beruft sich demnach auf die gelbe Stammverwandt¬
schaft beider Länder, bringt kühne fortschrittliche Artikel und ist der genannten
Partei höchst willkommen. Die „westliche" Partei dagegen liest die Sehern-pau,
die auch in Schanghai erscheint, und deren Richtung europafreundlich ist, ihre
Gründer waren Engländer, ferner eine von französischen Missionaren und
chinesischen Christen gegründete unparteiische in Tientin erscheinende Zeitung,
die mit Maß, besonders in religiöser Beziehung, aufklärend wirkt.

Weiterhin erschien in Tientsin die Chi-pau, die ein wenig klatsch- und
sensationslüstern war, aber guten Nachrichtendienst brachte. Als sie aber eine
Soldaten- und Offizierskandalgeschichte über Tschilis beste Truppen veröffent¬
lichte, ließ sie der Generalgouvemeur von Tschiki. Altar-fehl-kai, von der
Bildfläche verschwinden. An ihre Stelle ist jetzt eine Handelszeitung getreten,
die die guten Beziehungen zwischen den europäischen und den chinesischen Inter¬
essen pflegen soll. Das in Schanghai erscheinende Blatt für In- und Aus¬
land, die Tschung-wei-ji-pau, ist, wie die zu vorletzt genannte jetzt verschwundne
Chi-pau, ein sehr gutes Nachrichtenblatt, als das sie sich besonders während
der Wirren 1900 hervortat, trotz der großen Entfernung von Petschili, dem
Schauplatze der Unruhen, bis Schanghai.

Erklärlich ist es, daß sich eine weitere Partei, die sich offen „Partei der
Veränderung" nennt, und die die jetzige, regierende Dynastie der Mandschus
stürzen möchte, keines öffentlichen Organs bedienen darf. Den Redakteuren
eines solchen Blattes würde es ergehn wie dem zu Anfang erwähnten unglück¬
lichen Schriftgelehrten.


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[0554] Chinesische Parteien und Zeitungen unter der Devise „China für die Chinesen", und schwimmt im Fahrwasser der Zeitung Schuntien-fehl-pau (das bedeutet etwa „Blatt für einen bestimmten Teil Pekings") am Schlepptau des klugen Japans. Diese Zeitung, die in Peking erscheint und von Japanern begründet worden ist, bemüht sich, der Reform von Osten her bei der chinesischen Geschäftswelt Eingang zu verschaffen. Natürlich lassen es die Japaner nicht fehlen, sich selbst auf Kosten des Abend¬ landes zu verherrlichen, und machen in dieser — chinesischen — Zeitung den Chinesen ihre eignen, japanischen Absichten und Erfolg möglichst mundgerecht. Eine ähnliche Tendenz verfolgt ein in Tientsin erscheinendes „Das Neueste bringende" Organ, das, allerdings ebenfalls von Japanern redigiert, die Inter¬ essen der chinesischen Börse vertritt. Das Hauptblatt aber für die chinesische Hochfinanz ist die Hsin-wen-pau, die in Schanghai herauskommt. Von der oben genannten „neuen Partei" haben sich zwei Linien abge¬ zweigt. Die eine, die „westliche", legt Wert darauf, sich geradeswegs durch Europa direkt zu modernisieren, während die „östliche" wiederum zu Japan hinneigt, aber zunächst von dem Gedanken des allgemeinen Herrschens der ganzen gelben Nasse durchdrungen ist. Dieser Partei mag namentlich eine in Schanghai vom Kaiser von Japan begründete Zeitung, die Tung-wen-du-pau, als Richtschnur dienen. Das Blatt basiert auf der gemeinsamen Schriftsprache der Chinesen und Japaner, beruft sich demnach auf die gelbe Stammverwandt¬ schaft beider Länder, bringt kühne fortschrittliche Artikel und ist der genannten Partei höchst willkommen. Die „westliche" Partei dagegen liest die Sehern-pau, die auch in Schanghai erscheint, und deren Richtung europafreundlich ist, ihre Gründer waren Engländer, ferner eine von französischen Missionaren und chinesischen Christen gegründete unparteiische in Tientin erscheinende Zeitung, die mit Maß, besonders in religiöser Beziehung, aufklärend wirkt. Weiterhin erschien in Tientsin die Chi-pau, die ein wenig klatsch- und sensationslüstern war, aber guten Nachrichtendienst brachte. Als sie aber eine Soldaten- und Offizierskandalgeschichte über Tschilis beste Truppen veröffent¬ lichte, ließ sie der Generalgouvemeur von Tschiki. Altar-fehl-kai, von der Bildfläche verschwinden. An ihre Stelle ist jetzt eine Handelszeitung getreten, die die guten Beziehungen zwischen den europäischen und den chinesischen Inter¬ essen pflegen soll. Das in Schanghai erscheinende Blatt für In- und Aus¬ land, die Tschung-wei-ji-pau, ist, wie die zu vorletzt genannte jetzt verschwundne Chi-pau, ein sehr gutes Nachrichtenblatt, als das sie sich besonders während der Wirren 1900 hervortat, trotz der großen Entfernung von Petschili, dem Schauplatze der Unruhen, bis Schanghai. Erklärlich ist es, daß sich eine weitere Partei, die sich offen „Partei der Veränderung" nennt, und die die jetzige, regierende Dynastie der Mandschus stürzen möchte, keines öffentlichen Organs bedienen darf. Den Redakteuren eines solchen Blattes würde es ergehn wie dem zu Anfang erwähnten unglück¬ lichen Schriftgelehrten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/554>, abgerufen am 22.06.2024.