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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

bemerkenswertes Korrektiv gegen den plutokratischen Charakter des Wahlrechts liegt,
daß also gerade das gemildert wird, was diesem Wahlsystem als Hauptfehler vor¬
geworfen zu werden Pflegt. Das Übergewicht, das angeblich durch das preußische
Wahlrecht den Besitzenden allgemein gegeben werden soll, wird in Wahrheit nur
innerhalb sehr eng gezogner Grenzen zur Geltung gebracht. Wenn auch in jedem
dieser kleinen Bezirke der Besitz ein relatives Mehrgewicht verschafft, so kommt es
doch tatsächlich darauf hinaus, daß -- um uns kurz auszudrücken -- arme Bezirke
auch arme Wahlmänner stellen. Natürlich kommt dadurch, daß die Körperschaft
der Wahlmänner, die schließlich die wirkliche Abgeordnetenwahl vollziehen, in ihrer
Zusammensetzung wesentlich durch den Vermögensstand der Wählerverbände in den
einzelnen Bezirken bestimmt wird, ein plutokratisches Element in das ganze Wahl¬
system. Aber die Behauptung, daß dieses Wahlsystem den minder vermögenden
"entrechte", ist eine agitatorische Redensart, die durch die letzten Wahlen entschieden
widerlegt worden ist. Man muß nur bedenken, wie lange sich die Sozialdemokratie
aus doktrinärem Trotz gegen das von ihr theoretisch verworfne preußische Wahlrecht
freiwillig "entrechtet" hat, indem sie den Beschluß der Nichtbeteiligung an den
Landtagswahleu bis zu den Wahlen des Jahres 1903 aufrecht erhalten hat.

Und dann gehört weiter auch zur richtigen Handhabung des preußischen Wahl¬
rechts, daß sich nicht Leute freiwillig zu "Proletariern" machen, die es nicht sind.
Die preußische Gesetzgebung hat bekanntlich neuerdings die Mittel zu einer schärfern
Kontrolle der Einkommensverhältuisse der Lohnarbeiter gefunden, indem die Steuer¬
behörde von den Arbeitgebern Lohnlisten einfordert. Das ist schon im Interesse
der Gerechtigkeit gegenüber den Beamten notwendig, denen der Staat, wie man
scherzhaft zu sagen pflegt, bis in den Magen sehen kann, und deren Einkünfte auf
Heller und Pfennig nachzurechueu sind. Da hat sich nun herausgestellt, daß viele
vermeintliche "Besitzlose" ein recht hübsches Einkommen zu verzeichnen haben, und
so ist denn eine beträchtliche Anzahl von "Proletariern" bei diesen letzten Wahlen
in die zweite Wählerklasse eingerückt. Der daraus entstehende Nachteil einer größern
Zahl sozialdemokratischer Wahlmänner, wodurch eben in Berlin die Wahl von sechs
sozialdemokratischen Abgeordneten gesichert erscheint, muß dabei freilich als unver¬
meidlich nach Recht und Billigkeit in den Kauf genommen werden.

Wie erwartet werden konnte, haben die Sozialdemokraten auch daraus Nutzen
gezogen, daß die Liberalen dnrch den mißglückter, nach der ganzen politischen Lage
höchst unbesonnenen Versuch, die Wahlrechtsreform zur Wahlparole zu machen, ihnen
in die Hände arbeiteten. Die vernünftigen, politisch veranlagten Liberalen sahen
sich dnrch das Wahlreformgeschrei an allen Ecken und Enden behindert, ihren eignen
Wählern gegenüber diskreditiert, und die Sozialdemokraten, unterstützt von den
Sozialliberalen, hatten leichtes Spiel, sie nun als Feinde der Volksfreiheit, als
rückgratlose Verräter hinzustellen. Die Sozialliberalen haben wenigstens dabei ihren
redlich verdienten Lohn eingeheimst: ihr Fiasko konnte nicht vollständiger sein, und
nicht einmal zu einem Achtungserfolg haben sie es gebracht.

Das Bild der letzten Wahlen in Preußen und die Betrachtung der Ursachen
der sozialdemokratischen Erfolge würde jedoch nicht vollständig sein, wenn wir nicht
auch des beispiellosen Terrorismus gedächten, mit dem diese Partei gearbeitet hat.
Die kleinen Geschäftsleute, Handwerker, Gastwirte usw. wurden mit so brutalen
Boykottcmdrohungen verfolgt, daß sich eine auffallend große Zahl von ihnen, soweit
sie sich nicht dem Terrorismus fügten, der Wahlpflicht direkt entzog. Viele wagten
es nicht einmal, einfach der Wahlhandlung fernzubleiben; sie fingierten Reisen,
Krankheit oder dergleichen oder gingen auch wirklich weg. Noch niemals ist der
sozialdemokratische Terrorismus, der sich bisher in den Kreisen der Arbeiter hielt,


Maßgebliches und Unmaßgebliches

bemerkenswertes Korrektiv gegen den plutokratischen Charakter des Wahlrechts liegt,
daß also gerade das gemildert wird, was diesem Wahlsystem als Hauptfehler vor¬
geworfen zu werden Pflegt. Das Übergewicht, das angeblich durch das preußische
Wahlrecht den Besitzenden allgemein gegeben werden soll, wird in Wahrheit nur
innerhalb sehr eng gezogner Grenzen zur Geltung gebracht. Wenn auch in jedem
dieser kleinen Bezirke der Besitz ein relatives Mehrgewicht verschafft, so kommt es
doch tatsächlich darauf hinaus, daß — um uns kurz auszudrücken — arme Bezirke
auch arme Wahlmänner stellen. Natürlich kommt dadurch, daß die Körperschaft
der Wahlmänner, die schließlich die wirkliche Abgeordnetenwahl vollziehen, in ihrer
Zusammensetzung wesentlich durch den Vermögensstand der Wählerverbände in den
einzelnen Bezirken bestimmt wird, ein plutokratisches Element in das ganze Wahl¬
system. Aber die Behauptung, daß dieses Wahlsystem den minder vermögenden
„entrechte", ist eine agitatorische Redensart, die durch die letzten Wahlen entschieden
widerlegt worden ist. Man muß nur bedenken, wie lange sich die Sozialdemokratie
aus doktrinärem Trotz gegen das von ihr theoretisch verworfne preußische Wahlrecht
freiwillig „entrechtet" hat, indem sie den Beschluß der Nichtbeteiligung an den
Landtagswahleu bis zu den Wahlen des Jahres 1903 aufrecht erhalten hat.

Und dann gehört weiter auch zur richtigen Handhabung des preußischen Wahl¬
rechts, daß sich nicht Leute freiwillig zu „Proletariern" machen, die es nicht sind.
Die preußische Gesetzgebung hat bekanntlich neuerdings die Mittel zu einer schärfern
Kontrolle der Einkommensverhältuisse der Lohnarbeiter gefunden, indem die Steuer¬
behörde von den Arbeitgebern Lohnlisten einfordert. Das ist schon im Interesse
der Gerechtigkeit gegenüber den Beamten notwendig, denen der Staat, wie man
scherzhaft zu sagen pflegt, bis in den Magen sehen kann, und deren Einkünfte auf
Heller und Pfennig nachzurechueu sind. Da hat sich nun herausgestellt, daß viele
vermeintliche „Besitzlose" ein recht hübsches Einkommen zu verzeichnen haben, und
so ist denn eine beträchtliche Anzahl von „Proletariern" bei diesen letzten Wahlen
in die zweite Wählerklasse eingerückt. Der daraus entstehende Nachteil einer größern
Zahl sozialdemokratischer Wahlmänner, wodurch eben in Berlin die Wahl von sechs
sozialdemokratischen Abgeordneten gesichert erscheint, muß dabei freilich als unver¬
meidlich nach Recht und Billigkeit in den Kauf genommen werden.

Wie erwartet werden konnte, haben die Sozialdemokraten auch daraus Nutzen
gezogen, daß die Liberalen dnrch den mißglückter, nach der ganzen politischen Lage
höchst unbesonnenen Versuch, die Wahlrechtsreform zur Wahlparole zu machen, ihnen
in die Hände arbeiteten. Die vernünftigen, politisch veranlagten Liberalen sahen
sich dnrch das Wahlreformgeschrei an allen Ecken und Enden behindert, ihren eignen
Wählern gegenüber diskreditiert, und die Sozialdemokraten, unterstützt von den
Sozialliberalen, hatten leichtes Spiel, sie nun als Feinde der Volksfreiheit, als
rückgratlose Verräter hinzustellen. Die Sozialliberalen haben wenigstens dabei ihren
redlich verdienten Lohn eingeheimst: ihr Fiasko konnte nicht vollständiger sein, und
nicht einmal zu einem Achtungserfolg haben sie es gebracht.

Das Bild der letzten Wahlen in Preußen und die Betrachtung der Ursachen
der sozialdemokratischen Erfolge würde jedoch nicht vollständig sein, wenn wir nicht
auch des beispiellosen Terrorismus gedächten, mit dem diese Partei gearbeitet hat.
Die kleinen Geschäftsleute, Handwerker, Gastwirte usw. wurden mit so brutalen
Boykottcmdrohungen verfolgt, daß sich eine auffallend große Zahl von ihnen, soweit
sie sich nicht dem Terrorismus fügten, der Wahlpflicht direkt entzog. Viele wagten
es nicht einmal, einfach der Wahlhandlung fernzubleiben; sie fingierten Reisen,
Krankheit oder dergleichen oder gingen auch wirklich weg. Noch niemals ist der
sozialdemokratische Terrorismus, der sich bisher in den Kreisen der Arbeiter hielt,


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[0547] Maßgebliches und Unmaßgebliches bemerkenswertes Korrektiv gegen den plutokratischen Charakter des Wahlrechts liegt, daß also gerade das gemildert wird, was diesem Wahlsystem als Hauptfehler vor¬ geworfen zu werden Pflegt. Das Übergewicht, das angeblich durch das preußische Wahlrecht den Besitzenden allgemein gegeben werden soll, wird in Wahrheit nur innerhalb sehr eng gezogner Grenzen zur Geltung gebracht. Wenn auch in jedem dieser kleinen Bezirke der Besitz ein relatives Mehrgewicht verschafft, so kommt es doch tatsächlich darauf hinaus, daß — um uns kurz auszudrücken — arme Bezirke auch arme Wahlmänner stellen. Natürlich kommt dadurch, daß die Körperschaft der Wahlmänner, die schließlich die wirkliche Abgeordnetenwahl vollziehen, in ihrer Zusammensetzung wesentlich durch den Vermögensstand der Wählerverbände in den einzelnen Bezirken bestimmt wird, ein plutokratisches Element in das ganze Wahl¬ system. Aber die Behauptung, daß dieses Wahlsystem den minder vermögenden „entrechte", ist eine agitatorische Redensart, die durch die letzten Wahlen entschieden widerlegt worden ist. Man muß nur bedenken, wie lange sich die Sozialdemokratie aus doktrinärem Trotz gegen das von ihr theoretisch verworfne preußische Wahlrecht freiwillig „entrechtet" hat, indem sie den Beschluß der Nichtbeteiligung an den Landtagswahleu bis zu den Wahlen des Jahres 1903 aufrecht erhalten hat. Und dann gehört weiter auch zur richtigen Handhabung des preußischen Wahl¬ rechts, daß sich nicht Leute freiwillig zu „Proletariern" machen, die es nicht sind. Die preußische Gesetzgebung hat bekanntlich neuerdings die Mittel zu einer schärfern Kontrolle der Einkommensverhältuisse der Lohnarbeiter gefunden, indem die Steuer¬ behörde von den Arbeitgebern Lohnlisten einfordert. Das ist schon im Interesse der Gerechtigkeit gegenüber den Beamten notwendig, denen der Staat, wie man scherzhaft zu sagen pflegt, bis in den Magen sehen kann, und deren Einkünfte auf Heller und Pfennig nachzurechueu sind. Da hat sich nun herausgestellt, daß viele vermeintliche „Besitzlose" ein recht hübsches Einkommen zu verzeichnen haben, und so ist denn eine beträchtliche Anzahl von „Proletariern" bei diesen letzten Wahlen in die zweite Wählerklasse eingerückt. Der daraus entstehende Nachteil einer größern Zahl sozialdemokratischer Wahlmänner, wodurch eben in Berlin die Wahl von sechs sozialdemokratischen Abgeordneten gesichert erscheint, muß dabei freilich als unver¬ meidlich nach Recht und Billigkeit in den Kauf genommen werden. Wie erwartet werden konnte, haben die Sozialdemokraten auch daraus Nutzen gezogen, daß die Liberalen dnrch den mißglückter, nach der ganzen politischen Lage höchst unbesonnenen Versuch, die Wahlrechtsreform zur Wahlparole zu machen, ihnen in die Hände arbeiteten. Die vernünftigen, politisch veranlagten Liberalen sahen sich dnrch das Wahlreformgeschrei an allen Ecken und Enden behindert, ihren eignen Wählern gegenüber diskreditiert, und die Sozialdemokraten, unterstützt von den Sozialliberalen, hatten leichtes Spiel, sie nun als Feinde der Volksfreiheit, als rückgratlose Verräter hinzustellen. Die Sozialliberalen haben wenigstens dabei ihren redlich verdienten Lohn eingeheimst: ihr Fiasko konnte nicht vollständiger sein, und nicht einmal zu einem Achtungserfolg haben sie es gebracht. Das Bild der letzten Wahlen in Preußen und die Betrachtung der Ursachen der sozialdemokratischen Erfolge würde jedoch nicht vollständig sein, wenn wir nicht auch des beispiellosen Terrorismus gedächten, mit dem diese Partei gearbeitet hat. Die kleinen Geschäftsleute, Handwerker, Gastwirte usw. wurden mit so brutalen Boykottcmdrohungen verfolgt, daß sich eine auffallend große Zahl von ihnen, soweit sie sich nicht dem Terrorismus fügten, der Wahlpflicht direkt entzog. Viele wagten es nicht einmal, einfach der Wahlhandlung fernzubleiben; sie fingierten Reisen, Krankheit oder dergleichen oder gingen auch wirklich weg. Noch niemals ist der sozialdemokratische Terrorismus, der sich bisher in den Kreisen der Arbeiter hielt,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/547>, abgerufen am 21.06.2024.