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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Siena

der Förte Ovile. einem malerischen alten Brunnen vor dem Tore, ging. Ich kam
kaum vorwärts in dem lärmenden, geschäftigen Gewühl. Aber es war ein äußerst
fesselndes Bild- die steilansteigenden mittelalterlichen Straßen waren wie für den
Einzug eines Fürsten geschmückt. Leuchtendrote Decken und bunte Teppiche hingen
aus den hohen schmalen Fenstern und bildeten einen eigentümlichen Kontrast zu
dem düstern Ton der Gebäude. Die Fahne mit der Raupe flatterte überall, aber
auch solche mit der Gans, dem Igel und andern: Getier waren viel vertreten;
man nahm das eben nicht so genau. Und gew.ß dachten die übrigen Contrade:
Helfen wir dir jetzt schmücken, so hilfst du uns ein andres Jahr wenn die Re.he
an uns kommt. Einige spannten Girlanden von natürlichen und künstlichen Blumen
über die Straßen Andre befestigten bunte Glaslämpchen, die w zu Zeder "Rotte
ti Benezia" gehören All diese dunkeln Gesichter trugen den unbezahlbaren Aus¬
druck von Stolz und kindlicher Freude, der mich bet den Italienern immer so
amüsiert hat. Am Abend speisten sie dann im Freien, und noch spat in der Nacht
zogen an "meinem Palazzo" singende Bursch^
obwohl sie schon ganz heiser waren. Der C null ließ ihnen wohl keine Rü e.
Jeder der längere M in Toskana war. kennt die Melodie dieser for^Ul, dieser
Wechselaeiänae die an die Schnadahüpfl erinnern, und wozu immer neue Texte
imvr vis r werd n Einer pflegt mit der Gitarre zu begleiten, oder was noch
orig^ Instrument mit der Stimme zu imitieren. Da singt zum

Beispiel einer betrübt:

Da findet der andre Trost für ihn in der glücklichern Zukunft und singt:

La i-sha Asti' swor uno
vom'd loilwvkU
Na An Aivriio mi vorm, s-ir-l
Views,!

Neben den vielen sentimentalen gibt es auch humoristisch-ironische:

Und der zweite steigert noch den Hohn:

, .. . ,k .>na^it,i Geld -- soarvs rotes zerrissene Stiefel --
(va-is5o ^- eUel, albern - ^loin ^ ^e^ ^^^^.^^^

Die Melodie behauptet sich zum Glück neben allen zeitweilige.^
und ich habe ihren glänzenden Sieg über den länderuberflutenden Ma tchrche mit¬
erlebt. Eine Sommernacht in Toskana, und mag ste noch so schön sein, ist nicht
vollkommen ohne einen solchen Zwiegesang. ... ^. . - . u?^

-etwrack vorhin von der Förte Ovile. Für mich ist dieses kleine gotische
Gewölbe mit der einfachen anmutigen Säule weit romantischer gelegen als die be¬
rühmt außer andern Dichtern auch Dante im Inferno erwäh.re
Freilich kann die Förte Ovile sich nicht rühmen, daß die kleine Caterina Benincasa
an i r Wasser geschöpft habe. Diesen Ruhm muß ste der Fontebranda la,sen. und


Siena

der Förte Ovile. einem malerischen alten Brunnen vor dem Tore, ging. Ich kam
kaum vorwärts in dem lärmenden, geschäftigen Gewühl. Aber es war ein äußerst
fesselndes Bild- die steilansteigenden mittelalterlichen Straßen waren wie für den
Einzug eines Fürsten geschmückt. Leuchtendrote Decken und bunte Teppiche hingen
aus den hohen schmalen Fenstern und bildeten einen eigentümlichen Kontrast zu
dem düstern Ton der Gebäude. Die Fahne mit der Raupe flatterte überall, aber
auch solche mit der Gans, dem Igel und andern: Getier waren viel vertreten;
man nahm das eben nicht so genau. Und gew.ß dachten die übrigen Contrade:
Helfen wir dir jetzt schmücken, so hilfst du uns ein andres Jahr wenn die Re.he
an uns kommt. Einige spannten Girlanden von natürlichen und künstlichen Blumen
über die Straßen Andre befestigten bunte Glaslämpchen, die w zu Zeder „Rotte
ti Benezia" gehören All diese dunkeln Gesichter trugen den unbezahlbaren Aus¬
druck von Stolz und kindlicher Freude, der mich bet den Italienern immer so
amüsiert hat. Am Abend speisten sie dann im Freien, und noch spat in der Nacht
zogen an „meinem Palazzo" singende Bursch^
obwohl sie schon ganz heiser waren. Der C null ließ ihnen wohl keine Rü e.
Jeder der längere M in Toskana war. kennt die Melodie dieser for^Ul, dieser
Wechselaeiänae die an die Schnadahüpfl erinnern, und wozu immer neue Texte
imvr vis r werd n Einer pflegt mit der Gitarre zu begleiten, oder was noch
orig^ Instrument mit der Stimme zu imitieren. Da singt zum

Beispiel einer betrübt:

Da findet der andre Trost für ihn in der glücklichern Zukunft und singt:

La i-sha Asti' swor uno
vom'd loilwvkU
Na An Aivriio mi vorm, s-ir-l
Views,!

Neben den vielen sentimentalen gibt es auch humoristisch-ironische:

Und der zweite steigert noch den Hohn:

, .. . ,k .>na^it,i Geld — soarvs rotes zerrissene Stiefel —
(va-is5o ^- eUel, albern - ^loin ^ ^e^ ^^^^.^^^

Die Melodie behauptet sich zum Glück neben allen zeitweilige.^
und ich habe ihren glänzenden Sieg über den länderuberflutenden Ma tchrche mit¬
erlebt. Eine Sommernacht in Toskana, und mag ste noch so schön sein, ist nicht
vollkommen ohne einen solchen Zwiegesang. ... ^. . - . u?^

-etwrack vorhin von der Förte Ovile. Für mich ist dieses kleine gotische
Gewölbe mit der einfachen anmutigen Säule weit romantischer gelegen als die be¬
rühmt außer andern Dichtern auch Dante im Inferno erwäh.re
Freilich kann die Förte Ovile sich nicht rühmen, daß die kleine Caterina Benincasa
an i r Wasser geschöpft habe. Diesen Ruhm muß ste der Fontebranda la,sen. und


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[0535] Siena der Förte Ovile. einem malerischen alten Brunnen vor dem Tore, ging. Ich kam kaum vorwärts in dem lärmenden, geschäftigen Gewühl. Aber es war ein äußerst fesselndes Bild- die steilansteigenden mittelalterlichen Straßen waren wie für den Einzug eines Fürsten geschmückt. Leuchtendrote Decken und bunte Teppiche hingen aus den hohen schmalen Fenstern und bildeten einen eigentümlichen Kontrast zu dem düstern Ton der Gebäude. Die Fahne mit der Raupe flatterte überall, aber auch solche mit der Gans, dem Igel und andern: Getier waren viel vertreten; man nahm das eben nicht so genau. Und gew.ß dachten die übrigen Contrade: Helfen wir dir jetzt schmücken, so hilfst du uns ein andres Jahr wenn die Re.he an uns kommt. Einige spannten Girlanden von natürlichen und künstlichen Blumen über die Straßen Andre befestigten bunte Glaslämpchen, die w zu Zeder „Rotte ti Benezia" gehören All diese dunkeln Gesichter trugen den unbezahlbaren Aus¬ druck von Stolz und kindlicher Freude, der mich bet den Italienern immer so amüsiert hat. Am Abend speisten sie dann im Freien, und noch spat in der Nacht zogen an „meinem Palazzo" singende Bursch^ obwohl sie schon ganz heiser waren. Der C null ließ ihnen wohl keine Rü e. Jeder der längere M in Toskana war. kennt die Melodie dieser for^Ul, dieser Wechselaeiänae die an die Schnadahüpfl erinnern, und wozu immer neue Texte imvr vis r werd n Einer pflegt mit der Gitarre zu begleiten, oder was noch orig^ Instrument mit der Stimme zu imitieren. Da singt zum Beispiel einer betrübt: Da findet der andre Trost für ihn in der glücklichern Zukunft und singt: La i-sha Asti' swor uno vom'd loilwvkU Na An Aivriio mi vorm, s-ir-l Views,! Neben den vielen sentimentalen gibt es auch humoristisch-ironische: Und der zweite steigert noch den Hohn: , .. . ,k .>na^it,i Geld — soarvs rotes zerrissene Stiefel — (va-is5o ^- eUel, albern - ^loin ^ ^e^ ^^^^.^^^ Die Melodie behauptet sich zum Glück neben allen zeitweilige.^ und ich habe ihren glänzenden Sieg über den länderuberflutenden Ma tchrche mit¬ erlebt. Eine Sommernacht in Toskana, und mag ste noch so schön sein, ist nicht vollkommen ohne einen solchen Zwiegesang. ... ^. . - . u?^ -etwrack vorhin von der Förte Ovile. Für mich ist dieses kleine gotische Gewölbe mit der einfachen anmutigen Säule weit romantischer gelegen als die be¬ rühmt außer andern Dichtern auch Dante im Inferno erwäh.re Freilich kann die Förte Ovile sich nicht rühmen, daß die kleine Caterina Benincasa an i r Wasser geschöpft habe. Diesen Ruhm muß ste der Fontebranda la,sen. und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/535>, abgerufen am 24.07.2024.