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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Das gesellige Leben bei den Griechen

Diese Truppe zog nun von Ort zu Ort; es war dies das beste Mittel, be¬
kannt zu werden in einer Zeit, wo Presse und Reklame noch nicht blühten wie
jetzt. In hellenistischer Zeit hatte sich eine Truppe in Jonien niedergelassen,
die einen richtigen Staat im Staate bildete, und deren Ansehen so gewachsen
war, daß sie stolz wie souveräne Fürsten mit andern Städten durch vornehme
Gesandtschaften verhandelte. Selbstverständlich verfügten solche Vereine auch über
großes Vermögen, der Grundbesitz wuchs, Erbschaften und Schenkungen ver¬
mehrten das Bestehende, wenn sich auch im Budget gar manche Schulden
einstellten.

Auch die ^"^6ot, die städtischen Musikkapellen, gehören hierher. So
waren die Bürger von Smyrna stolz darauf, daß ihnen Kaiser Hadrian eine
Kapelle verliehen und dazu einen Beitrag gezahlt hatte. Gerade in diesen Musik¬
vereinen herrschte ein ausgeprägtes Schmaussystem, das trockne Gedeck mit
Wein wurde durch die Vereinskasse bezahlt. Aber gewiß trug der ganze Verein
auch Sorge beim Todesfall eines Mitglieds, denn nicht alle Musikdirektoren
besaßen eine so noble Ader wie der Kapellmeister Ebenos in Ephesos, der einem
verstorbnen Mitgliede aus eignen Mitteln einen Grabstein setzen ließ.

Auch Handelsgenossenschaften finden wir schon im Altertume vor. Athen
war nach den Perserkriegen die Stadt des Großhandels geworden. Die Anlage
der Häfen, die Ausdehnung des Hafenviertels, die Ansiedlung von Ausländern
im Piräus, das Emporion mit seinem Riesenquai, die Märkte, Herbergen, Heilig¬
tümer, Markthallen, das as?^-", die Börse Athens, in dem Warenproben aus¬
gelegt wurden, die Wechslerbuden und Banken, die Konversationsräume -- dies
bunte Bild, das sich bei diesen Stichworten vor unsern Blicken entrollt, zeigt
die Handelsmacht der sich entwickelnden Stadt. Der blühende Handel lockte
selbstverständlich in die Hafengegend viele Fremden, die sich zu Kolonien zu¬
sammenladen. Man bat den Staat um die Erlaubnis, ohne weitere Beteiligung
am Staatswesen als Schutzbürger zu leben, natürlich war es auch hier die
ausländische Gottheit, um die sich dieser kaufmännische Verein gruppierte. Da
treten denn namentlich die phrygische Göttermutter oder die kyprische Aphrodite
als fremde Gottheit, als Beschützerin des neuen Ausländervereins entgegen, und
wenn hier und da als Teilnehmer auch ein Bürger der Metropole erscheint, so er¬
klärt sich dies aus der Sehnsucht nach neuen Göttern, die die Herzen der da¬
maligen Athener erfüllte, denn seit dem Verfalle des Volksglaubens fand man
keine Befriedigung mehr im alten Glauben und erwartete das Heil eben von
den ausländischen Göttern und schloß sich jenen Kaufmannsvereinen an. Aber
auch die eingebornen Bürger taten sich zu Handelsverbänden zusammen. Ge¬
sellschaften vereinigten sich, rüsteten gemeinsam ein Kriegsschiff aus und ließen
es auf Beute ausgehn. Weil der Kaufmann persönlich sein Geschäft führte
und die Ware begleitete, waren solche Gesellschaften von großem Nutzen. Fast
nur beim Seehandel verlohnt sich solche Vereinigung, weil bei der Unsicherheit
des Landweges der Seehandel immer noch mehr abwarf. Oder es bildeten sich


Das gesellige Leben bei den Griechen

Diese Truppe zog nun von Ort zu Ort; es war dies das beste Mittel, be¬
kannt zu werden in einer Zeit, wo Presse und Reklame noch nicht blühten wie
jetzt. In hellenistischer Zeit hatte sich eine Truppe in Jonien niedergelassen,
die einen richtigen Staat im Staate bildete, und deren Ansehen so gewachsen
war, daß sie stolz wie souveräne Fürsten mit andern Städten durch vornehme
Gesandtschaften verhandelte. Selbstverständlich verfügten solche Vereine auch über
großes Vermögen, der Grundbesitz wuchs, Erbschaften und Schenkungen ver¬
mehrten das Bestehende, wenn sich auch im Budget gar manche Schulden
einstellten.

Auch die ^«^6ot, die städtischen Musikkapellen, gehören hierher. So
waren die Bürger von Smyrna stolz darauf, daß ihnen Kaiser Hadrian eine
Kapelle verliehen und dazu einen Beitrag gezahlt hatte. Gerade in diesen Musik¬
vereinen herrschte ein ausgeprägtes Schmaussystem, das trockne Gedeck mit
Wein wurde durch die Vereinskasse bezahlt. Aber gewiß trug der ganze Verein
auch Sorge beim Todesfall eines Mitglieds, denn nicht alle Musikdirektoren
besaßen eine so noble Ader wie der Kapellmeister Ebenos in Ephesos, der einem
verstorbnen Mitgliede aus eignen Mitteln einen Grabstein setzen ließ.

Auch Handelsgenossenschaften finden wir schon im Altertume vor. Athen
war nach den Perserkriegen die Stadt des Großhandels geworden. Die Anlage
der Häfen, die Ausdehnung des Hafenviertels, die Ansiedlung von Ausländern
im Piräus, das Emporion mit seinem Riesenquai, die Märkte, Herbergen, Heilig¬
tümer, Markthallen, das as?^-«, die Börse Athens, in dem Warenproben aus¬
gelegt wurden, die Wechslerbuden und Banken, die Konversationsräume — dies
bunte Bild, das sich bei diesen Stichworten vor unsern Blicken entrollt, zeigt
die Handelsmacht der sich entwickelnden Stadt. Der blühende Handel lockte
selbstverständlich in die Hafengegend viele Fremden, die sich zu Kolonien zu¬
sammenladen. Man bat den Staat um die Erlaubnis, ohne weitere Beteiligung
am Staatswesen als Schutzbürger zu leben, natürlich war es auch hier die
ausländische Gottheit, um die sich dieser kaufmännische Verein gruppierte. Da
treten denn namentlich die phrygische Göttermutter oder die kyprische Aphrodite
als fremde Gottheit, als Beschützerin des neuen Ausländervereins entgegen, und
wenn hier und da als Teilnehmer auch ein Bürger der Metropole erscheint, so er¬
klärt sich dies aus der Sehnsucht nach neuen Göttern, die die Herzen der da¬
maligen Athener erfüllte, denn seit dem Verfalle des Volksglaubens fand man
keine Befriedigung mehr im alten Glauben und erwartete das Heil eben von
den ausländischen Göttern und schloß sich jenen Kaufmannsvereinen an. Aber
auch die eingebornen Bürger taten sich zu Handelsverbänden zusammen. Ge¬
sellschaften vereinigten sich, rüsteten gemeinsam ein Kriegsschiff aus und ließen
es auf Beute ausgehn. Weil der Kaufmann persönlich sein Geschäft führte
und die Ware begleitete, waren solche Gesellschaften von großem Nutzen. Fast
nur beim Seehandel verlohnt sich solche Vereinigung, weil bei der Unsicherheit
des Landweges der Seehandel immer noch mehr abwarf. Oder es bildeten sich


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[0476] Das gesellige Leben bei den Griechen Diese Truppe zog nun von Ort zu Ort; es war dies das beste Mittel, be¬ kannt zu werden in einer Zeit, wo Presse und Reklame noch nicht blühten wie jetzt. In hellenistischer Zeit hatte sich eine Truppe in Jonien niedergelassen, die einen richtigen Staat im Staate bildete, und deren Ansehen so gewachsen war, daß sie stolz wie souveräne Fürsten mit andern Städten durch vornehme Gesandtschaften verhandelte. Selbstverständlich verfügten solche Vereine auch über großes Vermögen, der Grundbesitz wuchs, Erbschaften und Schenkungen ver¬ mehrten das Bestehende, wenn sich auch im Budget gar manche Schulden einstellten. Auch die ^«^6ot, die städtischen Musikkapellen, gehören hierher. So waren die Bürger von Smyrna stolz darauf, daß ihnen Kaiser Hadrian eine Kapelle verliehen und dazu einen Beitrag gezahlt hatte. Gerade in diesen Musik¬ vereinen herrschte ein ausgeprägtes Schmaussystem, das trockne Gedeck mit Wein wurde durch die Vereinskasse bezahlt. Aber gewiß trug der ganze Verein auch Sorge beim Todesfall eines Mitglieds, denn nicht alle Musikdirektoren besaßen eine so noble Ader wie der Kapellmeister Ebenos in Ephesos, der einem verstorbnen Mitgliede aus eignen Mitteln einen Grabstein setzen ließ. Auch Handelsgenossenschaften finden wir schon im Altertume vor. Athen war nach den Perserkriegen die Stadt des Großhandels geworden. Die Anlage der Häfen, die Ausdehnung des Hafenviertels, die Ansiedlung von Ausländern im Piräus, das Emporion mit seinem Riesenquai, die Märkte, Herbergen, Heilig¬ tümer, Markthallen, das as?^-«, die Börse Athens, in dem Warenproben aus¬ gelegt wurden, die Wechslerbuden und Banken, die Konversationsräume — dies bunte Bild, das sich bei diesen Stichworten vor unsern Blicken entrollt, zeigt die Handelsmacht der sich entwickelnden Stadt. Der blühende Handel lockte selbstverständlich in die Hafengegend viele Fremden, die sich zu Kolonien zu¬ sammenladen. Man bat den Staat um die Erlaubnis, ohne weitere Beteiligung am Staatswesen als Schutzbürger zu leben, natürlich war es auch hier die ausländische Gottheit, um die sich dieser kaufmännische Verein gruppierte. Da treten denn namentlich die phrygische Göttermutter oder die kyprische Aphrodite als fremde Gottheit, als Beschützerin des neuen Ausländervereins entgegen, und wenn hier und da als Teilnehmer auch ein Bürger der Metropole erscheint, so er¬ klärt sich dies aus der Sehnsucht nach neuen Göttern, die die Herzen der da¬ maligen Athener erfüllte, denn seit dem Verfalle des Volksglaubens fand man keine Befriedigung mehr im alten Glauben und erwartete das Heil eben von den ausländischen Göttern und schloß sich jenen Kaufmannsvereinen an. Aber auch die eingebornen Bürger taten sich zu Handelsverbänden zusammen. Ge¬ sellschaften vereinigten sich, rüsteten gemeinsam ein Kriegsschiff aus und ließen es auf Beute ausgehn. Weil der Kaufmann persönlich sein Geschäft führte und die Ware begleitete, waren solche Gesellschaften von großem Nutzen. Fast nur beim Seehandel verlohnt sich solche Vereinigung, weil bei der Unsicherheit des Landweges der Seehandel immer noch mehr abwarf. Oder es bildeten sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/476>, abgerufen am 20.06.2024.