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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Das gesellige Leben bei den Griechen

äsorum, Aloriain. Natürlich mußte der Verein völlig organisiert sein, sonst hielt
er nicht zusammen. So gab es einen Vorstand, einen Geschäftsführer, einen
Schatzmeister, einen Schriftwart, der Vereinskoch und der Vereinsdiener durfte
nicht fehlen, auch besaß jeder Verein seine eignen <7<!v6txot, Rechtsanwülte, das
unvermeidliche Stiftungsfest blieb auch nicht aus, ebenso nicht das Klublokal,
das wir uus aber nicht als räuchriges Vereinszimmer vorstellen müssen, sondern
als anmutiges Grundstück mitten in Gärten gelegen, mit denen Attika übersät
war, etwa in dem Stil unsrer Logengebäude. Auch hatte jeder Kultverein seine
Statuten; bei dem Thiasos der Jobacchen können wir uns eine nähere Vor¬
stellung von den Paragraphen der Eintrittsstatuten machen.

Paragraph 1: "Tro^"^': die offizielle Anmeldung.

Paragraph 2: jedes Mitglied hat sich einer Prüfung zu unterziehen. Da
wurden hochnotpeinliche Fragen gestellt, ob der Aspirant auch ein Ehrenmann
sei und dem Verein keine Schande bereiten würde.

Paragraph 3: der Geprüfte hat ein Eintrittsgeld zu zahlen (dem natürlich
Monatsbeiträge folgten).

Paragraph 4: der Nezipiend hat einen Eid zu leisten, daß er den Satzungen
treu bleiben will.

Paragraph 5: das aufgenommne Mitglied erhält eine Eintrittskarte.

So war der Betreffende aufgenommen in den Thiasos und nahm teil an
den Festen, Opfern und Schmäusen des Vereins. Wie es bei einem solchen
Mahle herging, können wir aus einem Relief sehen, auf dein die Mitglieder
eines solchen Thiasos zu Ehren einer Priesterin des Apollo und der Rhea
Kybele, der Stratonike, versammelt sind und unter Flötenmusik schmausen und
zechen (am besten bei Schreiber, Kulturhistorischer Bilderatlas, Tafel XV, 1).
So bietet denn schon die erste Gruppe der Vereine, die wir besprochen haben,
ein deutliches Bild des ganzen griechischen Lebens, das eine glückliche Mischung
von zwei Seelen bietet, von denen die eine sich hinanfsehnt zu den Gefilden
hoher Ahnen, die andre sich mit derber Liebeslust an die Welt mit klammernden
Organen hält. Um sich diese Mischung der Gefühle in einer solchen Kult¬
genossenschaft klarzumachen, vergegenwärtige man sich einen Tag in Bayreuth,
wo sich die Besucher am Nachmittag in ehrfurchtsvollem Schauder vor der
Kunst des Meisters und dem Heiligsten unsrer Religion im Parsifal beugen,
und wo abends im Künstlerkreise der laute Festjubel zum Ausbruch kommt.

"Beides verstanden die Griechen, am selben Tage zu beten und am selbigen
Tag froh sich des Lebens zu freun!"

Schreiten wir nun von den Göttern langsam zur Erde nieder. Das Band
zwischen Himmel und Erde knüpft der Dichter und der Philosoph. Auch solche
Vereine gab es, in denen Dichtkunst und Wissenschaft getrieben wurde: die
literarischen Vereine. Das klassische Beispiel ist die Akademie des Platon, der
selbst Dichter und Philosoph in einer Person, in dem Haine, dem Heros
Akademos geweiht, ein Museum gründete, eine Art Universität, mit Grundbesitz,


Das gesellige Leben bei den Griechen

äsorum, Aloriain. Natürlich mußte der Verein völlig organisiert sein, sonst hielt
er nicht zusammen. So gab es einen Vorstand, einen Geschäftsführer, einen
Schatzmeister, einen Schriftwart, der Vereinskoch und der Vereinsdiener durfte
nicht fehlen, auch besaß jeder Verein seine eignen <7<!v6txot, Rechtsanwülte, das
unvermeidliche Stiftungsfest blieb auch nicht aus, ebenso nicht das Klublokal,
das wir uus aber nicht als räuchriges Vereinszimmer vorstellen müssen, sondern
als anmutiges Grundstück mitten in Gärten gelegen, mit denen Attika übersät
war, etwa in dem Stil unsrer Logengebäude. Auch hatte jeder Kultverein seine
Statuten; bei dem Thiasos der Jobacchen können wir uns eine nähere Vor¬
stellung von den Paragraphen der Eintrittsstatuten machen.

Paragraph 1: «Tro^«^': die offizielle Anmeldung.

Paragraph 2: jedes Mitglied hat sich einer Prüfung zu unterziehen. Da
wurden hochnotpeinliche Fragen gestellt, ob der Aspirant auch ein Ehrenmann
sei und dem Verein keine Schande bereiten würde.

Paragraph 3: der Geprüfte hat ein Eintrittsgeld zu zahlen (dem natürlich
Monatsbeiträge folgten).

Paragraph 4: der Nezipiend hat einen Eid zu leisten, daß er den Satzungen
treu bleiben will.

Paragraph 5: das aufgenommne Mitglied erhält eine Eintrittskarte.

So war der Betreffende aufgenommen in den Thiasos und nahm teil an
den Festen, Opfern und Schmäusen des Vereins. Wie es bei einem solchen
Mahle herging, können wir aus einem Relief sehen, auf dein die Mitglieder
eines solchen Thiasos zu Ehren einer Priesterin des Apollo und der Rhea
Kybele, der Stratonike, versammelt sind und unter Flötenmusik schmausen und
zechen (am besten bei Schreiber, Kulturhistorischer Bilderatlas, Tafel XV, 1).
So bietet denn schon die erste Gruppe der Vereine, die wir besprochen haben,
ein deutliches Bild des ganzen griechischen Lebens, das eine glückliche Mischung
von zwei Seelen bietet, von denen die eine sich hinanfsehnt zu den Gefilden
hoher Ahnen, die andre sich mit derber Liebeslust an die Welt mit klammernden
Organen hält. Um sich diese Mischung der Gefühle in einer solchen Kult¬
genossenschaft klarzumachen, vergegenwärtige man sich einen Tag in Bayreuth,
wo sich die Besucher am Nachmittag in ehrfurchtsvollem Schauder vor der
Kunst des Meisters und dem Heiligsten unsrer Religion im Parsifal beugen,
und wo abends im Künstlerkreise der laute Festjubel zum Ausbruch kommt.

„Beides verstanden die Griechen, am selben Tage zu beten und am selbigen
Tag froh sich des Lebens zu freun!"

Schreiten wir nun von den Göttern langsam zur Erde nieder. Das Band
zwischen Himmel und Erde knüpft der Dichter und der Philosoph. Auch solche
Vereine gab es, in denen Dichtkunst und Wissenschaft getrieben wurde: die
literarischen Vereine. Das klassische Beispiel ist die Akademie des Platon, der
selbst Dichter und Philosoph in einer Person, in dem Haine, dem Heros
Akademos geweiht, ein Museum gründete, eine Art Universität, mit Grundbesitz,


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[0474] Das gesellige Leben bei den Griechen äsorum, Aloriain. Natürlich mußte der Verein völlig organisiert sein, sonst hielt er nicht zusammen. So gab es einen Vorstand, einen Geschäftsführer, einen Schatzmeister, einen Schriftwart, der Vereinskoch und der Vereinsdiener durfte nicht fehlen, auch besaß jeder Verein seine eignen <7<!v6txot, Rechtsanwülte, das unvermeidliche Stiftungsfest blieb auch nicht aus, ebenso nicht das Klublokal, das wir uus aber nicht als räuchriges Vereinszimmer vorstellen müssen, sondern als anmutiges Grundstück mitten in Gärten gelegen, mit denen Attika übersät war, etwa in dem Stil unsrer Logengebäude. Auch hatte jeder Kultverein seine Statuten; bei dem Thiasos der Jobacchen können wir uns eine nähere Vor¬ stellung von den Paragraphen der Eintrittsstatuten machen. Paragraph 1: «Tro^«^': die offizielle Anmeldung. Paragraph 2: jedes Mitglied hat sich einer Prüfung zu unterziehen. Da wurden hochnotpeinliche Fragen gestellt, ob der Aspirant auch ein Ehrenmann sei und dem Verein keine Schande bereiten würde. Paragraph 3: der Geprüfte hat ein Eintrittsgeld zu zahlen (dem natürlich Monatsbeiträge folgten). Paragraph 4: der Nezipiend hat einen Eid zu leisten, daß er den Satzungen treu bleiben will. Paragraph 5: das aufgenommne Mitglied erhält eine Eintrittskarte. So war der Betreffende aufgenommen in den Thiasos und nahm teil an den Festen, Opfern und Schmäusen des Vereins. Wie es bei einem solchen Mahle herging, können wir aus einem Relief sehen, auf dein die Mitglieder eines solchen Thiasos zu Ehren einer Priesterin des Apollo und der Rhea Kybele, der Stratonike, versammelt sind und unter Flötenmusik schmausen und zechen (am besten bei Schreiber, Kulturhistorischer Bilderatlas, Tafel XV, 1). So bietet denn schon die erste Gruppe der Vereine, die wir besprochen haben, ein deutliches Bild des ganzen griechischen Lebens, das eine glückliche Mischung von zwei Seelen bietet, von denen die eine sich hinanfsehnt zu den Gefilden hoher Ahnen, die andre sich mit derber Liebeslust an die Welt mit klammernden Organen hält. Um sich diese Mischung der Gefühle in einer solchen Kult¬ genossenschaft klarzumachen, vergegenwärtige man sich einen Tag in Bayreuth, wo sich die Besucher am Nachmittag in ehrfurchtsvollem Schauder vor der Kunst des Meisters und dem Heiligsten unsrer Religion im Parsifal beugen, und wo abends im Künstlerkreise der laute Festjubel zum Ausbruch kommt. „Beides verstanden die Griechen, am selben Tage zu beten und am selbigen Tag froh sich des Lebens zu freun!" Schreiten wir nun von den Göttern langsam zur Erde nieder. Das Band zwischen Himmel und Erde knüpft der Dichter und der Philosoph. Auch solche Vereine gab es, in denen Dichtkunst und Wissenschaft getrieben wurde: die literarischen Vereine. Das klassische Beispiel ist die Akademie des Platon, der selbst Dichter und Philosoph in einer Person, in dem Haine, dem Heros Akademos geweiht, ein Museum gründete, eine Art Universität, mit Grundbesitz,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/474>, abgerufen am 20.06.2024.