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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Die preußische Artillerie im Dienste des Aüstenrettungswesens

an den rettenden Strand befördern. Lustig genug mag diese Fahrt in der
Schlinge gewesen sein und den armen Kindern des Stranddorfs einen Ritt
auf einem Karussellroß ersetzt haben. Mancher mag dann später die gleiche
Fahrt in einer schweren Stunde nicht aus der Krone einer Föhre durch die
fröhlich lärmenden Reihen der Spielgenossen, sondern vom Wrack eines
Schiffes, vielleicht des eignen einzigen Gutes, durch die tosende Brandung
gemacht haben.

Die Gegenstände, die sich bei der Revision des Apparats oder bei der
Übung als mangelhaft erwiesen hatten, zeichnete der Hafenbauinspektor auf,
um für ihre Erneuerung zu sorgen. Erlaubte es dann noch die Zeit und die
Windstärke, so unterwies wohl der alte Lotsenkommandeur die Fischer im Ge¬
brauche des Sperlingschen Nettungsdrachen, von dem er mehr hielt als von
dem Manbyschen Apparat. Er hatte sich in jungen Jahren überzeugt, daß
die Erfindung des Memeler Veteranen brauchbar sei, und wurde nicht müde,
für ihre Anerkennung und Verbreitung zu arbeiten. Hier bei der Fischerjugend
fand er Gehör und Aufmerksamkeit. Schade, daß seine Zuhörer deu Apparat
nur als Spielwerk auffaßten, und daß die erwachsnen Seeleute der Seemanns¬
aberglaube, der Rettungsmittel an Bord als unheilbringend scheut, abhielt,
dieses einfache Rettungsgerät an Bord zu nehmen.

Bald schieden die Gäste wieder aus dem Stranddorf, und wenn der
Mörser gereinigt, das Tauwerk getrocknet und der ganze Apparat wieder ge¬
brauchsklar gemacht war, schlössen sich die Tore des Nettungsschuppens, bis
sie sich beim Eintreffen neuer Geräte oder in einer Sturmnacht, die Schiffe
in Not brachte, wieder öffneten.

Das war die Form, in der Schaefers und Manbys Erfindung, von Trost
eingerichtet, am Strande des "Landes der dunkeln Haine" zum Helfen bereit
war, bis sie durch die Technik weiter gebildet und verbessert wurde.

Trost hatte so wenig wie die andern preußischen Förderer des Rettuugs-
wesens von Manby mit der Idee auch den Erfolg überkommen. Der eng¬
lische Menschenfreund muß eine eigne Gabe gehabt haben, die Leine so wurf¬
bereit zu machen, daß sie, ohne sich zu verwirren und ohne zu zerreißen, der
Bombe folgte. Schon vor dem Jahre 1823 bemühte man sich in England,
einen Haspel zu konstruieren, der Manbys geschickte und gesegnete Hand nicht
allzu schwer vermissen ließ. Im Jahrgang 1828 des Polytechnischen Journals
von Dingler, wo über einen Haspel des Engländers Thorold berichtet wird,
klagt der Berichterstatter: "Wo Hr. Manby selbst Hand anlegte, ging ge¬
wöhnlich alles sehr gut; allein seine Geschicklichkeit im Wickeln des Seiles
besaß nicht jeder, und Standort, Wind, Nacht usw. veranlaßten manches Mi߬
lingen des Rettungsversuches." Trotz allem Eifer gelang es den preußischen
Offizieren und Küstenbeamten nicht, diese Schwäche des Apparats zu beseitigen,
auch Trost nicht. Das materielle Kapital, das er und andre bei den Ver¬
suchen und bei der Organisation verbrauchten, war nicht groß- Dennoch mag


Die preußische Artillerie im Dienste des Aüstenrettungswesens

an den rettenden Strand befördern. Lustig genug mag diese Fahrt in der
Schlinge gewesen sein und den armen Kindern des Stranddorfs einen Ritt
auf einem Karussellroß ersetzt haben. Mancher mag dann später die gleiche
Fahrt in einer schweren Stunde nicht aus der Krone einer Föhre durch die
fröhlich lärmenden Reihen der Spielgenossen, sondern vom Wrack eines
Schiffes, vielleicht des eignen einzigen Gutes, durch die tosende Brandung
gemacht haben.

Die Gegenstände, die sich bei der Revision des Apparats oder bei der
Übung als mangelhaft erwiesen hatten, zeichnete der Hafenbauinspektor auf,
um für ihre Erneuerung zu sorgen. Erlaubte es dann noch die Zeit und die
Windstärke, so unterwies wohl der alte Lotsenkommandeur die Fischer im Ge¬
brauche des Sperlingschen Nettungsdrachen, von dem er mehr hielt als von
dem Manbyschen Apparat. Er hatte sich in jungen Jahren überzeugt, daß
die Erfindung des Memeler Veteranen brauchbar sei, und wurde nicht müde,
für ihre Anerkennung und Verbreitung zu arbeiten. Hier bei der Fischerjugend
fand er Gehör und Aufmerksamkeit. Schade, daß seine Zuhörer deu Apparat
nur als Spielwerk auffaßten, und daß die erwachsnen Seeleute der Seemanns¬
aberglaube, der Rettungsmittel an Bord als unheilbringend scheut, abhielt,
dieses einfache Rettungsgerät an Bord zu nehmen.

Bald schieden die Gäste wieder aus dem Stranddorf, und wenn der
Mörser gereinigt, das Tauwerk getrocknet und der ganze Apparat wieder ge¬
brauchsklar gemacht war, schlössen sich die Tore des Nettungsschuppens, bis
sie sich beim Eintreffen neuer Geräte oder in einer Sturmnacht, die Schiffe
in Not brachte, wieder öffneten.

Das war die Form, in der Schaefers und Manbys Erfindung, von Trost
eingerichtet, am Strande des „Landes der dunkeln Haine" zum Helfen bereit
war, bis sie durch die Technik weiter gebildet und verbessert wurde.

Trost hatte so wenig wie die andern preußischen Förderer des Rettuugs-
wesens von Manby mit der Idee auch den Erfolg überkommen. Der eng¬
lische Menschenfreund muß eine eigne Gabe gehabt haben, die Leine so wurf¬
bereit zu machen, daß sie, ohne sich zu verwirren und ohne zu zerreißen, der
Bombe folgte. Schon vor dem Jahre 1823 bemühte man sich in England,
einen Haspel zu konstruieren, der Manbys geschickte und gesegnete Hand nicht
allzu schwer vermissen ließ. Im Jahrgang 1828 des Polytechnischen Journals
von Dingler, wo über einen Haspel des Engländers Thorold berichtet wird,
klagt der Berichterstatter: „Wo Hr. Manby selbst Hand anlegte, ging ge¬
wöhnlich alles sehr gut; allein seine Geschicklichkeit im Wickeln des Seiles
besaß nicht jeder, und Standort, Wind, Nacht usw. veranlaßten manches Mi߬
lingen des Rettungsversuches." Trotz allem Eifer gelang es den preußischen
Offizieren und Küstenbeamten nicht, diese Schwäche des Apparats zu beseitigen,
auch Trost nicht. Das materielle Kapital, das er und andre bei den Ver¬
suchen und bei der Organisation verbrauchten, war nicht groß- Dennoch mag


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[0470] Die preußische Artillerie im Dienste des Aüstenrettungswesens an den rettenden Strand befördern. Lustig genug mag diese Fahrt in der Schlinge gewesen sein und den armen Kindern des Stranddorfs einen Ritt auf einem Karussellroß ersetzt haben. Mancher mag dann später die gleiche Fahrt in einer schweren Stunde nicht aus der Krone einer Föhre durch die fröhlich lärmenden Reihen der Spielgenossen, sondern vom Wrack eines Schiffes, vielleicht des eignen einzigen Gutes, durch die tosende Brandung gemacht haben. Die Gegenstände, die sich bei der Revision des Apparats oder bei der Übung als mangelhaft erwiesen hatten, zeichnete der Hafenbauinspektor auf, um für ihre Erneuerung zu sorgen. Erlaubte es dann noch die Zeit und die Windstärke, so unterwies wohl der alte Lotsenkommandeur die Fischer im Ge¬ brauche des Sperlingschen Nettungsdrachen, von dem er mehr hielt als von dem Manbyschen Apparat. Er hatte sich in jungen Jahren überzeugt, daß die Erfindung des Memeler Veteranen brauchbar sei, und wurde nicht müde, für ihre Anerkennung und Verbreitung zu arbeiten. Hier bei der Fischerjugend fand er Gehör und Aufmerksamkeit. Schade, daß seine Zuhörer deu Apparat nur als Spielwerk auffaßten, und daß die erwachsnen Seeleute der Seemanns¬ aberglaube, der Rettungsmittel an Bord als unheilbringend scheut, abhielt, dieses einfache Rettungsgerät an Bord zu nehmen. Bald schieden die Gäste wieder aus dem Stranddorf, und wenn der Mörser gereinigt, das Tauwerk getrocknet und der ganze Apparat wieder ge¬ brauchsklar gemacht war, schlössen sich die Tore des Nettungsschuppens, bis sie sich beim Eintreffen neuer Geräte oder in einer Sturmnacht, die Schiffe in Not brachte, wieder öffneten. Das war die Form, in der Schaefers und Manbys Erfindung, von Trost eingerichtet, am Strande des „Landes der dunkeln Haine" zum Helfen bereit war, bis sie durch die Technik weiter gebildet und verbessert wurde. Trost hatte so wenig wie die andern preußischen Förderer des Rettuugs- wesens von Manby mit der Idee auch den Erfolg überkommen. Der eng¬ lische Menschenfreund muß eine eigne Gabe gehabt haben, die Leine so wurf¬ bereit zu machen, daß sie, ohne sich zu verwirren und ohne zu zerreißen, der Bombe folgte. Schon vor dem Jahre 1823 bemühte man sich in England, einen Haspel zu konstruieren, der Manbys geschickte und gesegnete Hand nicht allzu schwer vermissen ließ. Im Jahrgang 1828 des Polytechnischen Journals von Dingler, wo über einen Haspel des Engländers Thorold berichtet wird, klagt der Berichterstatter: „Wo Hr. Manby selbst Hand anlegte, ging ge¬ wöhnlich alles sehr gut; allein seine Geschicklichkeit im Wickeln des Seiles besaß nicht jeder, und Standort, Wind, Nacht usw. veranlaßten manches Mi߬ lingen des Rettungsversuches." Trotz allem Eifer gelang es den preußischen Offizieren und Küstenbeamten nicht, diese Schwäche des Apparats zu beseitigen, auch Trost nicht. Das materielle Kapital, das er und andre bei den Ver¬ suchen und bei der Organisation verbrauchten, war nicht groß- Dennoch mag

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/470>, abgerufen am 20.06.2024.