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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Teresa de Jesus

verpflichteten. Ganz barfuß sollten nur die Männer gehn, die Frauen durften
Sandalen tragen. Die Karmeliter der strengen Observanz, die sich im Fortgang
der Reform als ein besondrer Orden konstituierten, nannten sich darum unbeschuhte
(äisoalvsati). Für die Gründung von Männerklöstern bot sich ihr Johann vom
Kreuz als Gehilfe an, der jünger und im geistlichen Leben ihr Schüler war,
von dem sie sich aber in den theologischen Wissenschaften unterrichten ließ. Daß
sie auf gänzlicher Armut bestand -- ihre Nonnen sollten bloß von Almosen
und etwaigem Ertrag ihrer Handarbeit leben --, bereitete ihr gleich im Anfang
Schwierigkeiten; die Bürger fürchteten, daß ihnen diese Klosterleute zur Last
fallen würden. Auch die Gründung von Jesuitenkollegien erregte aus diesem
Grunde manchmal Unruhen, wie man aus Briefen Theresens erfährt; die Spanier
sind also damals noch nicht so bigott gewesen wie später. Teresa sah sich
genötigt, den Grundsatz der vollkommnen Armut aufzugeben und zu gestatten,
daß die Existenz der Klöster durch Schenkungen und durch die von wohlhabenden
Novizen mitgebrachten Kapitalien gesichert wurde. Daß die Brüder und Schwestern
von der mildern Observanz, für die in der Reform ein Vorwurf und eine Gefahr
lag, ihr nicht freundlich gesinnt sein konnten, versteht sich von selbst, und Teresas
Verfahren und Benehmen war nicht geeignet, sie und die geistlichen und welt¬
lichen Behörden, die von ihnen gewonnen wurden, zu versöhnen. Sie reiste in
ganz Spanien herum, gründete nach und nach über dreißig Klöster, machte sich
wenig aus Einsprüchen, Verboten und Exkommunikationen und liebte es, dans
aooomrM zu schaffen. Sie ließ nicht neue Häuser bauen, sondern kaufte Bürger¬
häuser, und um die Machinationen der Gegner zu vereiteln und zukünftigen
vorzubeugen, pflegte sie die Verhandlungen mit den Hausbesitzern geheim zu
halten und durch rasche, womöglich nächtliche Besitznahme alle Weiterungen
abzuschneiden. "Läßt man sich erst darauf ein, Gutachten zu sammeln, so bringt
der böse Feind alles in Verwirrung." Leute, die ebenso entschlossen sind wie sie
selbst, machen ihr Freude; furchtsame, bedächtige und unentschlossene bereiten ihr
Unbehagen. Von einer solchen nächtlichen Okkupation in Medina del Campo
erzählt sie, Gottes Barmherzigkeit habe es gefügt, daß ihnen keiner von den
Stieren begegnet sei, die für den Kampf des nächsten Tages in die Arena
geführt wurden. Die Einrichtung war natürlich im Anfang immer sehr dürftig,
was ja dem Ordensgeiste entsprach; je kümmerlicher sich die Nonnen behelfen
mußten, desto mehr freuten sie sich. Einmal brachte der bei der Gründung
behilfliche Bruder, weil Pünktlichkeit doch sehr wichtig sei, fünf Uhren geschleppt,
was den Nonnen großen Spaß machte. Manche der erworbnen Häuser waren
schlecht und verfallen. Da gab es viel Arbeit und Sorge wegen der Herstellung,
und in allen Fällen mußte ja manches verändert, namentlich, ein Saal zur Kirche
umgestaltet werden, und Teresa ließ es am Antreiben der Handwerker nicht
fehlen. Sie möchte nur bescheidne, womöglich ärmliche Häuser, ohne Wand¬
schmuck, freute sich aber doch, als sie in Sevilla ein sehr schönes Haus, das
zwanzigtausend Dukaten wert sei, "so gut wie umsonst" erworben hatte. Die


Teresa de Jesus

verpflichteten. Ganz barfuß sollten nur die Männer gehn, die Frauen durften
Sandalen tragen. Die Karmeliter der strengen Observanz, die sich im Fortgang
der Reform als ein besondrer Orden konstituierten, nannten sich darum unbeschuhte
(äisoalvsati). Für die Gründung von Männerklöstern bot sich ihr Johann vom
Kreuz als Gehilfe an, der jünger und im geistlichen Leben ihr Schüler war,
von dem sie sich aber in den theologischen Wissenschaften unterrichten ließ. Daß
sie auf gänzlicher Armut bestand — ihre Nonnen sollten bloß von Almosen
und etwaigem Ertrag ihrer Handarbeit leben —, bereitete ihr gleich im Anfang
Schwierigkeiten; die Bürger fürchteten, daß ihnen diese Klosterleute zur Last
fallen würden. Auch die Gründung von Jesuitenkollegien erregte aus diesem
Grunde manchmal Unruhen, wie man aus Briefen Theresens erfährt; die Spanier
sind also damals noch nicht so bigott gewesen wie später. Teresa sah sich
genötigt, den Grundsatz der vollkommnen Armut aufzugeben und zu gestatten,
daß die Existenz der Klöster durch Schenkungen und durch die von wohlhabenden
Novizen mitgebrachten Kapitalien gesichert wurde. Daß die Brüder und Schwestern
von der mildern Observanz, für die in der Reform ein Vorwurf und eine Gefahr
lag, ihr nicht freundlich gesinnt sein konnten, versteht sich von selbst, und Teresas
Verfahren und Benehmen war nicht geeignet, sie und die geistlichen und welt¬
lichen Behörden, die von ihnen gewonnen wurden, zu versöhnen. Sie reiste in
ganz Spanien herum, gründete nach und nach über dreißig Klöster, machte sich
wenig aus Einsprüchen, Verboten und Exkommunikationen und liebte es, dans
aooomrM zu schaffen. Sie ließ nicht neue Häuser bauen, sondern kaufte Bürger¬
häuser, und um die Machinationen der Gegner zu vereiteln und zukünftigen
vorzubeugen, pflegte sie die Verhandlungen mit den Hausbesitzern geheim zu
halten und durch rasche, womöglich nächtliche Besitznahme alle Weiterungen
abzuschneiden. „Läßt man sich erst darauf ein, Gutachten zu sammeln, so bringt
der böse Feind alles in Verwirrung." Leute, die ebenso entschlossen sind wie sie
selbst, machen ihr Freude; furchtsame, bedächtige und unentschlossene bereiten ihr
Unbehagen. Von einer solchen nächtlichen Okkupation in Medina del Campo
erzählt sie, Gottes Barmherzigkeit habe es gefügt, daß ihnen keiner von den
Stieren begegnet sei, die für den Kampf des nächsten Tages in die Arena
geführt wurden. Die Einrichtung war natürlich im Anfang immer sehr dürftig,
was ja dem Ordensgeiste entsprach; je kümmerlicher sich die Nonnen behelfen
mußten, desto mehr freuten sie sich. Einmal brachte der bei der Gründung
behilfliche Bruder, weil Pünktlichkeit doch sehr wichtig sei, fünf Uhren geschleppt,
was den Nonnen großen Spaß machte. Manche der erworbnen Häuser waren
schlecht und verfallen. Da gab es viel Arbeit und Sorge wegen der Herstellung,
und in allen Fällen mußte ja manches verändert, namentlich, ein Saal zur Kirche
umgestaltet werden, und Teresa ließ es am Antreiben der Handwerker nicht
fehlen. Sie möchte nur bescheidne, womöglich ärmliche Häuser, ohne Wand¬
schmuck, freute sich aber doch, als sie in Sevilla ein sehr schönes Haus, das
zwanzigtausend Dukaten wert sei, „so gut wie umsonst" erworben hatte. Die


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[0384] Teresa de Jesus verpflichteten. Ganz barfuß sollten nur die Männer gehn, die Frauen durften Sandalen tragen. Die Karmeliter der strengen Observanz, die sich im Fortgang der Reform als ein besondrer Orden konstituierten, nannten sich darum unbeschuhte (äisoalvsati). Für die Gründung von Männerklöstern bot sich ihr Johann vom Kreuz als Gehilfe an, der jünger und im geistlichen Leben ihr Schüler war, von dem sie sich aber in den theologischen Wissenschaften unterrichten ließ. Daß sie auf gänzlicher Armut bestand — ihre Nonnen sollten bloß von Almosen und etwaigem Ertrag ihrer Handarbeit leben —, bereitete ihr gleich im Anfang Schwierigkeiten; die Bürger fürchteten, daß ihnen diese Klosterleute zur Last fallen würden. Auch die Gründung von Jesuitenkollegien erregte aus diesem Grunde manchmal Unruhen, wie man aus Briefen Theresens erfährt; die Spanier sind also damals noch nicht so bigott gewesen wie später. Teresa sah sich genötigt, den Grundsatz der vollkommnen Armut aufzugeben und zu gestatten, daß die Existenz der Klöster durch Schenkungen und durch die von wohlhabenden Novizen mitgebrachten Kapitalien gesichert wurde. Daß die Brüder und Schwestern von der mildern Observanz, für die in der Reform ein Vorwurf und eine Gefahr lag, ihr nicht freundlich gesinnt sein konnten, versteht sich von selbst, und Teresas Verfahren und Benehmen war nicht geeignet, sie und die geistlichen und welt¬ lichen Behörden, die von ihnen gewonnen wurden, zu versöhnen. Sie reiste in ganz Spanien herum, gründete nach und nach über dreißig Klöster, machte sich wenig aus Einsprüchen, Verboten und Exkommunikationen und liebte es, dans aooomrM zu schaffen. Sie ließ nicht neue Häuser bauen, sondern kaufte Bürger¬ häuser, und um die Machinationen der Gegner zu vereiteln und zukünftigen vorzubeugen, pflegte sie die Verhandlungen mit den Hausbesitzern geheim zu halten und durch rasche, womöglich nächtliche Besitznahme alle Weiterungen abzuschneiden. „Läßt man sich erst darauf ein, Gutachten zu sammeln, so bringt der böse Feind alles in Verwirrung." Leute, die ebenso entschlossen sind wie sie selbst, machen ihr Freude; furchtsame, bedächtige und unentschlossene bereiten ihr Unbehagen. Von einer solchen nächtlichen Okkupation in Medina del Campo erzählt sie, Gottes Barmherzigkeit habe es gefügt, daß ihnen keiner von den Stieren begegnet sei, die für den Kampf des nächsten Tages in die Arena geführt wurden. Die Einrichtung war natürlich im Anfang immer sehr dürftig, was ja dem Ordensgeiste entsprach; je kümmerlicher sich die Nonnen behelfen mußten, desto mehr freuten sie sich. Einmal brachte der bei der Gründung behilfliche Bruder, weil Pünktlichkeit doch sehr wichtig sei, fünf Uhren geschleppt, was den Nonnen großen Spaß machte. Manche der erworbnen Häuser waren schlecht und verfallen. Da gab es viel Arbeit und Sorge wegen der Herstellung, und in allen Fällen mußte ja manches verändert, namentlich, ein Saal zur Kirche umgestaltet werden, und Teresa ließ es am Antreiben der Handwerker nicht fehlen. Sie möchte nur bescheidne, womöglich ärmliche Häuser, ohne Wand¬ schmuck, freute sich aber doch, als sie in Sevilla ein sehr schönes Haus, das zwanzigtausend Dukaten wert sei, „so gut wie umsonst" erworben hatte. Die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/384>, abgerufen am 24.07.2024.