Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.Der Abschluß der großen englischen Heeresreformen lasse viel zu wünschen übrig. Der Hauptfehler sei dabei, daß sich die Kavallerie Am eingehendsten behandelt die Kritik die Leistungen und das Verhalten Der Abschluß der großen englischen Heeresreformen lasse viel zu wünschen übrig. Der Hauptfehler sei dabei, daß sich die Kavallerie Am eingehendsten behandelt die Kritik die Leistungen und das Verhalten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0316" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/312003"/> <fw type="header" place="top"> Der Abschluß der großen englischen Heeresreformen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1291" prev="#ID_1290"> lasse viel zu wünschen übrig. Der Hauptfehler sei dabei, daß sich die Kavallerie<lb/> nicht in den Verband der übrigen Waffen hineinschicke, sondern immer nur auf<lb/> eigne Faust operiere. Fast an jedem einzelnen Übungstage habe man die<lb/> Wahrnehmung machen können, daß der Zusammenhang zwischen der Kavallerie<lb/> und der Infanterie und der Artillerie fehle, daß sich jene um die Vorgänge<lb/> auf dem Gefechtsfelde so gut wie gar nicht kümmere, und daß die Patrouillen<lb/> nicht darüber instruiert gewesen seien, an welche Stelle die Meldungen ab¬<lb/> gegeben werden müßten; sie seien immer nur zu den Vorgesetzten ihrer Waffe<lb/> zurückgeeilt. Vielfach haben es die Regimenter auch an Geschicklichkeit im<lb/> Gelände gegenüber den Wirkungen des Infanterie- und Artilleriefeuers fehlen<lb/> lassen, und von einer katzenartigen lMliKs) Beweglichkeit im Verschwinden und<lb/> Erscheinen bald hier bald dort, die heutzutage von der Kavallerie unbedingt<lb/> gefordert werden müsse, sei nirgends etwas zu sehn gewesen. Kurz die Führung<lb/> und das Auftreten der Reiterei habe fast durchweg einen etwas veralteten<lb/> (Al'u,na-inotuörl^) Eindruck gemacht. Vielleicht kommen diese Fehler daher, daß<lb/> die Kavallerie zu viel für sich allein übe und darüber die Übungen der gemischten<lb/> Waffe versäumt habe.</p><lb/> <p xml:id="ID_1292" next="#ID_1293"> Am eingehendsten behandelt die Kritik die Leistungen und das Verhalten<lb/> der Artillerie. Das erklärt sich einmal aus der Neubewaffnung dieser Waffe<lb/> mit Nohrrücklaufschnellfeuergeschützen und dann aus den neuen reglementarischen<lb/> Bestimmungen, die zum erstenmal in der Manöverpraxis erprobt worden sind und<lb/> Stoff zu vielerlei Erwägungen geben. Wir lassen darum eine der interessantesten<lb/> Stellen aus dieser Beurteilung im Wortlaut folgen: „Der wahre Wert einer<lb/> Artillerie kann nur auf dem Übungsplatz ermessen werden, und es ist erfreulich,<lb/> festzustellen, daß die neuen Geschütze fortgesetzt uneingeschränktes Lob ernten,<lb/> und daß die Geübtheit der Batterien, samt denen der berittncn Artillerie,<lb/> immer weiter fortschreitet. Bedauerlich ist jedoch, daß wir immer noch ohne<lb/> die notwendige Haubitze sind, nämlich eine solche, die eine 351hö (15,9 Kilo¬<lb/> gramm) Granate 7000 Jards (6400 Meter) weit zu verfeuern vermag und hinter<lb/> dem Gespann nicht schwerer ist als unsre 18-Pfdr.-Feldkanone. Unbefriedigend<lb/> ist ferner, daß wir der Gewinnung einer schweren Haubitze nicht näher gekommen<lb/> sind als vor einem Jahre. Die Haubitze ist eine wirklich unschätzbare Waffe,<lb/> und die Offiziere und Mannschaften der Haubitzbatterien sind so gut, daß sie<lb/> es verdienen, mit einer bessern Waffe ausgerüstet zu werden, als worüber sie<lb/> jetzt verfügen. Seit dem letzten Jahre ist in unserm Feldartillerie-Exerzierreglement<lb/> eine Anzahl von Änderungen vorgenommen worden, und diese sind während<lb/> der soeben beendeten Übungen versucht worden. Manche von ihnen sind technischer<lb/> Art und betreffen das Richten, die Seitenabweichung usw. Man hat aber auch<lb/> wichtige Änderungen im Verfahren zum Einschießen angeordnet, was erkennen<lb/> läßt, daß man den Wert der Geschwindigkeit und die durch Einschießen mit<lb/> dem Lü.-Schrapnell erhaltnen Ergebnisse besser zu schätzen weiß. Diese und<lb/> andre Änderungen in bezug auf die Feuerleitung scheinen von praktischer</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0316]
Der Abschluß der großen englischen Heeresreformen
lasse viel zu wünschen übrig. Der Hauptfehler sei dabei, daß sich die Kavallerie
nicht in den Verband der übrigen Waffen hineinschicke, sondern immer nur auf
eigne Faust operiere. Fast an jedem einzelnen Übungstage habe man die
Wahrnehmung machen können, daß der Zusammenhang zwischen der Kavallerie
und der Infanterie und der Artillerie fehle, daß sich jene um die Vorgänge
auf dem Gefechtsfelde so gut wie gar nicht kümmere, und daß die Patrouillen
nicht darüber instruiert gewesen seien, an welche Stelle die Meldungen ab¬
gegeben werden müßten; sie seien immer nur zu den Vorgesetzten ihrer Waffe
zurückgeeilt. Vielfach haben es die Regimenter auch an Geschicklichkeit im
Gelände gegenüber den Wirkungen des Infanterie- und Artilleriefeuers fehlen
lassen, und von einer katzenartigen lMliKs) Beweglichkeit im Verschwinden und
Erscheinen bald hier bald dort, die heutzutage von der Kavallerie unbedingt
gefordert werden müsse, sei nirgends etwas zu sehn gewesen. Kurz die Führung
und das Auftreten der Reiterei habe fast durchweg einen etwas veralteten
(Al'u,na-inotuörl^) Eindruck gemacht. Vielleicht kommen diese Fehler daher, daß
die Kavallerie zu viel für sich allein übe und darüber die Übungen der gemischten
Waffe versäumt habe.
Am eingehendsten behandelt die Kritik die Leistungen und das Verhalten
der Artillerie. Das erklärt sich einmal aus der Neubewaffnung dieser Waffe
mit Nohrrücklaufschnellfeuergeschützen und dann aus den neuen reglementarischen
Bestimmungen, die zum erstenmal in der Manöverpraxis erprobt worden sind und
Stoff zu vielerlei Erwägungen geben. Wir lassen darum eine der interessantesten
Stellen aus dieser Beurteilung im Wortlaut folgen: „Der wahre Wert einer
Artillerie kann nur auf dem Übungsplatz ermessen werden, und es ist erfreulich,
festzustellen, daß die neuen Geschütze fortgesetzt uneingeschränktes Lob ernten,
und daß die Geübtheit der Batterien, samt denen der berittncn Artillerie,
immer weiter fortschreitet. Bedauerlich ist jedoch, daß wir immer noch ohne
die notwendige Haubitze sind, nämlich eine solche, die eine 351hö (15,9 Kilo¬
gramm) Granate 7000 Jards (6400 Meter) weit zu verfeuern vermag und hinter
dem Gespann nicht schwerer ist als unsre 18-Pfdr.-Feldkanone. Unbefriedigend
ist ferner, daß wir der Gewinnung einer schweren Haubitze nicht näher gekommen
sind als vor einem Jahre. Die Haubitze ist eine wirklich unschätzbare Waffe,
und die Offiziere und Mannschaften der Haubitzbatterien sind so gut, daß sie
es verdienen, mit einer bessern Waffe ausgerüstet zu werden, als worüber sie
jetzt verfügen. Seit dem letzten Jahre ist in unserm Feldartillerie-Exerzierreglement
eine Anzahl von Änderungen vorgenommen worden, und diese sind während
der soeben beendeten Übungen versucht worden. Manche von ihnen sind technischer
Art und betreffen das Richten, die Seitenabweichung usw. Man hat aber auch
wichtige Änderungen im Verfahren zum Einschießen angeordnet, was erkennen
läßt, daß man den Wert der Geschwindigkeit und die durch Einschießen mit
dem Lü.-Schrapnell erhaltnen Ergebnisse besser zu schätzen weiß. Diese und
andre Änderungen in bezug auf die Feuerleitung scheinen von praktischer
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