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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Aber wohlgemerkt! diese Meinung besteht nur in der Presse der uns feindlich ge¬
sinnten Kreise des Auslandes, nicht in den fremden Kabinetten. Da weiß man mit
den realen Machtfaktoren anders zu rechnen und hütet sich trotz gelegentlicher Be¬
günstigung und Benutzung deutschfeindlicher Strömungen sehr sorgfältig, der an¬
geblichen Meinung von der deutschen Schwäche und Zaghaftigkeit irgendeine prak¬
tische Folge zu geben oder sie ernstlich auf die Probe zu stellen.

Darum ist es sehr bedauerlich, daß lediglich Preßstimmen des Auslandes bei
uns als Unterlage benutzt werden, um auch in unserm Volk den Glauben zu er¬
wecken, als ob die Leitung unsrer auswärtigen Politik durch Zaghaftigkeit und
Schwäche das Werk Bismarcks zerfallen lasse. Genaue Kenntnis der wirklichen
Verhältnisse zeigt die UnHaltbarkeit dieses Urteils. Wer allerdings eine Politik der
Abenteuer und Experimente wünscht und für notwendig hält, wird sich durch die
Politik des Reichs nicht befriedigt fühlen. Aber wir können dankbar sein, daß die
Verantwortlicher Leiter unsrer auswärtigen Politik diesen Weg nicht gehn. Er
würde für uns doppelt gefährlich sein, da sich eine Politik der rücksichtslosen Aus¬
dehnung und einer angriffsweise vorgehenden Machterweiterung nur durchführen
läßt, wo ein Volk von einem besonders starken Willen einheitlich beherrscht und
mit kalter Entschlossenheit geführt wird, nicht aber wo das Urteil über ausländische
Verhältnisse so vielfach im Zeichen nervöser Zerfahrenheit steht, und wo sich die
Angehörigen einer sogenannten "kraftvollen" Politik zunächst erst im Innern gegen
andre Richtungen durchzusetzen haben würden. Es scheint aber, daß auch unser
Volk allmählich lernen wird, den äußern Widerständen, aus die unsre Politik bei
der zentralen Lage des Reichs immer stoßen wird, nicht nervöse Klagen über die
Passivität des Reichs gegenüber der "Einkreisungspolitik" fremder Mächte, sondern
ruhiges Selbstbewußtsein und tatkräftige Fürsorge für unsre Wehrkraft zu Lande
und zu Wasser entgegenzusetzen.

Eben jetzt weilt Fürst Bülow in Rom, wo er den Besuch erwidert, den
ihm Minister Tittoni abgestattet hat, und zugleich die Gelegenheit zu zahlreichen
Aussprachen mit italienischen Staatsmännern und den maßgebenden Persönlichkeiten
der päpstlichen Kurie findet. Selbstverständlich haben diese Aussprachen streng ver¬
traulichen Charakter, und was darüber als scheinbare Information in die Öffentlichkeit
gebracht worden ist, bewegt sich zum großen Teil auf sehr unsichrer Grundlage.
Aber zweierlei ist dabei doch zur Genüge klar geworden. Erstens, daß der Dreibund
doch immer noch lebendig ist und einen bestimmten Zweck in der europäischen Politik
erfüllt. Er ist nicht der Ausfluß eiuer Stimmung, sondern eines Bedürfnisses,
dessen Ursachen noch heute fortbestehen und auch in absehbarer Zeit nicht ver¬
schwinden werden. Die zweite Erfahrung ist, daß die Hoffnung der Zentrums¬
partei, aus der Gegnerschaft der Regierung gegen die einst ausschlaggebende Partei
einen neuen Kulturkampf zu machen, die höchste Autorität der katholischen Kirche in
die innern Kämpfe zwischen dem Block und seinen Gegnern in Deutschland hinein¬
zuziehen und eine Entfremdung zwischen dem Vatikan und der Reichsregierung
herbeizuführen, keine Aussicht auf Verwirklichung hat. Im Vatikan kennt man
augenscheinlich die Lage gut genug, um der Verlockung zu entgehn, in die das
Zentrum die Kurie gern hineinziehen möchte. Man weiß, daß sich das Interesse
der katholischen Kirche gegenwärtig nicht mit dem der Zentrumspartet deckt.

Daß die letzten Ergebnisse der Beratungen des Reichstags einen großen Er¬
folg der Bülowschen Politik bedeuten, haben wir schon in der vorigen Besprechung
hervorgehoben. Man darf aber an dieser Stelle Wohl noch einmal darauf zurück¬
kommen, weil die übliche kritische Verkleinerungssucht eifrig bemüht ist, eine Stimmung
aufrechtzuerhalten, die in allem, was uns die neueste Politik gebracht hat. nur
Mißerfolge sehen möchte. Wenn wir gegen eine solche Stimmung ankämpfen, so
geschieht es nicht, um einer Selbstzufriedenheit das Wort zu reden, die sich in


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Aber wohlgemerkt! diese Meinung besteht nur in der Presse der uns feindlich ge¬
sinnten Kreise des Auslandes, nicht in den fremden Kabinetten. Da weiß man mit
den realen Machtfaktoren anders zu rechnen und hütet sich trotz gelegentlicher Be¬
günstigung und Benutzung deutschfeindlicher Strömungen sehr sorgfältig, der an¬
geblichen Meinung von der deutschen Schwäche und Zaghaftigkeit irgendeine prak¬
tische Folge zu geben oder sie ernstlich auf die Probe zu stellen.

Darum ist es sehr bedauerlich, daß lediglich Preßstimmen des Auslandes bei
uns als Unterlage benutzt werden, um auch in unserm Volk den Glauben zu er¬
wecken, als ob die Leitung unsrer auswärtigen Politik durch Zaghaftigkeit und
Schwäche das Werk Bismarcks zerfallen lasse. Genaue Kenntnis der wirklichen
Verhältnisse zeigt die UnHaltbarkeit dieses Urteils. Wer allerdings eine Politik der
Abenteuer und Experimente wünscht und für notwendig hält, wird sich durch die
Politik des Reichs nicht befriedigt fühlen. Aber wir können dankbar sein, daß die
Verantwortlicher Leiter unsrer auswärtigen Politik diesen Weg nicht gehn. Er
würde für uns doppelt gefährlich sein, da sich eine Politik der rücksichtslosen Aus¬
dehnung und einer angriffsweise vorgehenden Machterweiterung nur durchführen
läßt, wo ein Volk von einem besonders starken Willen einheitlich beherrscht und
mit kalter Entschlossenheit geführt wird, nicht aber wo das Urteil über ausländische
Verhältnisse so vielfach im Zeichen nervöser Zerfahrenheit steht, und wo sich die
Angehörigen einer sogenannten „kraftvollen" Politik zunächst erst im Innern gegen
andre Richtungen durchzusetzen haben würden. Es scheint aber, daß auch unser
Volk allmählich lernen wird, den äußern Widerständen, aus die unsre Politik bei
der zentralen Lage des Reichs immer stoßen wird, nicht nervöse Klagen über die
Passivität des Reichs gegenüber der „Einkreisungspolitik" fremder Mächte, sondern
ruhiges Selbstbewußtsein und tatkräftige Fürsorge für unsre Wehrkraft zu Lande
und zu Wasser entgegenzusetzen.

Eben jetzt weilt Fürst Bülow in Rom, wo er den Besuch erwidert, den
ihm Minister Tittoni abgestattet hat, und zugleich die Gelegenheit zu zahlreichen
Aussprachen mit italienischen Staatsmännern und den maßgebenden Persönlichkeiten
der päpstlichen Kurie findet. Selbstverständlich haben diese Aussprachen streng ver¬
traulichen Charakter, und was darüber als scheinbare Information in die Öffentlichkeit
gebracht worden ist, bewegt sich zum großen Teil auf sehr unsichrer Grundlage.
Aber zweierlei ist dabei doch zur Genüge klar geworden. Erstens, daß der Dreibund
doch immer noch lebendig ist und einen bestimmten Zweck in der europäischen Politik
erfüllt. Er ist nicht der Ausfluß eiuer Stimmung, sondern eines Bedürfnisses,
dessen Ursachen noch heute fortbestehen und auch in absehbarer Zeit nicht ver¬
schwinden werden. Die zweite Erfahrung ist, daß die Hoffnung der Zentrums¬
partei, aus der Gegnerschaft der Regierung gegen die einst ausschlaggebende Partei
einen neuen Kulturkampf zu machen, die höchste Autorität der katholischen Kirche in
die innern Kämpfe zwischen dem Block und seinen Gegnern in Deutschland hinein¬
zuziehen und eine Entfremdung zwischen dem Vatikan und der Reichsregierung
herbeizuführen, keine Aussicht auf Verwirklichung hat. Im Vatikan kennt man
augenscheinlich die Lage gut genug, um der Verlockung zu entgehn, in die das
Zentrum die Kurie gern hineinziehen möchte. Man weiß, daß sich das Interesse
der katholischen Kirche gegenwärtig nicht mit dem der Zentrumspartet deckt.

Daß die letzten Ergebnisse der Beratungen des Reichstags einen großen Er¬
folg der Bülowschen Politik bedeuten, haben wir schon in der vorigen Besprechung
hervorgehoben. Man darf aber an dieser Stelle Wohl noch einmal darauf zurück¬
kommen, weil die übliche kritische Verkleinerungssucht eifrig bemüht ist, eine Stimmung
aufrechtzuerhalten, die in allem, was uns die neueste Politik gebracht hat. nur
Mißerfolge sehen möchte. Wenn wir gegen eine solche Stimmung ankämpfen, so
geschieht es nicht, um einer Selbstzufriedenheit das Wort zu reden, die sich in


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[0208] Maßgebliches und Unmaßgebliches Aber wohlgemerkt! diese Meinung besteht nur in der Presse der uns feindlich ge¬ sinnten Kreise des Auslandes, nicht in den fremden Kabinetten. Da weiß man mit den realen Machtfaktoren anders zu rechnen und hütet sich trotz gelegentlicher Be¬ günstigung und Benutzung deutschfeindlicher Strömungen sehr sorgfältig, der an¬ geblichen Meinung von der deutschen Schwäche und Zaghaftigkeit irgendeine prak¬ tische Folge zu geben oder sie ernstlich auf die Probe zu stellen. Darum ist es sehr bedauerlich, daß lediglich Preßstimmen des Auslandes bei uns als Unterlage benutzt werden, um auch in unserm Volk den Glauben zu er¬ wecken, als ob die Leitung unsrer auswärtigen Politik durch Zaghaftigkeit und Schwäche das Werk Bismarcks zerfallen lasse. Genaue Kenntnis der wirklichen Verhältnisse zeigt die UnHaltbarkeit dieses Urteils. Wer allerdings eine Politik der Abenteuer und Experimente wünscht und für notwendig hält, wird sich durch die Politik des Reichs nicht befriedigt fühlen. Aber wir können dankbar sein, daß die Verantwortlicher Leiter unsrer auswärtigen Politik diesen Weg nicht gehn. Er würde für uns doppelt gefährlich sein, da sich eine Politik der rücksichtslosen Aus¬ dehnung und einer angriffsweise vorgehenden Machterweiterung nur durchführen läßt, wo ein Volk von einem besonders starken Willen einheitlich beherrscht und mit kalter Entschlossenheit geführt wird, nicht aber wo das Urteil über ausländische Verhältnisse so vielfach im Zeichen nervöser Zerfahrenheit steht, und wo sich die Angehörigen einer sogenannten „kraftvollen" Politik zunächst erst im Innern gegen andre Richtungen durchzusetzen haben würden. Es scheint aber, daß auch unser Volk allmählich lernen wird, den äußern Widerständen, aus die unsre Politik bei der zentralen Lage des Reichs immer stoßen wird, nicht nervöse Klagen über die Passivität des Reichs gegenüber der „Einkreisungspolitik" fremder Mächte, sondern ruhiges Selbstbewußtsein und tatkräftige Fürsorge für unsre Wehrkraft zu Lande und zu Wasser entgegenzusetzen. Eben jetzt weilt Fürst Bülow in Rom, wo er den Besuch erwidert, den ihm Minister Tittoni abgestattet hat, und zugleich die Gelegenheit zu zahlreichen Aussprachen mit italienischen Staatsmännern und den maßgebenden Persönlichkeiten der päpstlichen Kurie findet. Selbstverständlich haben diese Aussprachen streng ver¬ traulichen Charakter, und was darüber als scheinbare Information in die Öffentlichkeit gebracht worden ist, bewegt sich zum großen Teil auf sehr unsichrer Grundlage. Aber zweierlei ist dabei doch zur Genüge klar geworden. Erstens, daß der Dreibund doch immer noch lebendig ist und einen bestimmten Zweck in der europäischen Politik erfüllt. Er ist nicht der Ausfluß eiuer Stimmung, sondern eines Bedürfnisses, dessen Ursachen noch heute fortbestehen und auch in absehbarer Zeit nicht ver¬ schwinden werden. Die zweite Erfahrung ist, daß die Hoffnung der Zentrums¬ partei, aus der Gegnerschaft der Regierung gegen die einst ausschlaggebende Partei einen neuen Kulturkampf zu machen, die höchste Autorität der katholischen Kirche in die innern Kämpfe zwischen dem Block und seinen Gegnern in Deutschland hinein¬ zuziehen und eine Entfremdung zwischen dem Vatikan und der Reichsregierung herbeizuführen, keine Aussicht auf Verwirklichung hat. Im Vatikan kennt man augenscheinlich die Lage gut genug, um der Verlockung zu entgehn, in die das Zentrum die Kurie gern hineinziehen möchte. Man weiß, daß sich das Interesse der katholischen Kirche gegenwärtig nicht mit dem der Zentrumspartet deckt. Daß die letzten Ergebnisse der Beratungen des Reichstags einen großen Er¬ folg der Bülowschen Politik bedeuten, haben wir schon in der vorigen Besprechung hervorgehoben. Man darf aber an dieser Stelle Wohl noch einmal darauf zurück¬ kommen, weil die übliche kritische Verkleinerungssucht eifrig bemüht ist, eine Stimmung aufrechtzuerhalten, die in allem, was uns die neueste Politik gebracht hat. nur Mißerfolge sehen möchte. Wenn wir gegen eine solche Stimmung ankämpfen, so geschieht es nicht, um einer Selbstzufriedenheit das Wort zu reden, die sich in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/208>, abgerufen am 04.07.2024.