Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die großen Flotten der ZVelt im Jahre

gibt. Auch die jährlich zunehmende Verminderung des Arbeitspersonals in
den Arsenälen, das am 1. Juli 1900 noch 17186 Köpfe betrug, seitdem all-
mühlich herabgesetzt worden ist und gegenwärtig nur noch 14165 Mann be¬
trügt, ist natürlich einer schnellen Fertigstellung der Schiffe nicht günstig und
zieht die Lieferfristen in die Länge. Es erscheint deshalb unter den obwaltenden
Umständen wenig glaubwürdig, daß im Parlament ein Antrag eingebracht
werden soll, der die Arbeiterzahl in den Arsenälen noch weiter vermindert und
bis auf 12000 Köpfe herabdrückt.

Die japanische Marine hat seit dem siegreichen Kriege mit Rußland
nicht stillgestanden. Im Gegenteil ist sie fortgesetzt tätig, durch Bestellungen
im Auslande und bei der eignen Industrie ihren Schiffsbestand zu vermehren.
Die Fortschritte auf den Werften im Lande durch den Bau großer Schiffe
würden dazu voraussichtlich noch umfangreicher sein, wenn die Einrichtungen,
namentlich zur Herstellung des Panzermaterials, ausreichten, und wenn nicht
die Ausbesserungen der den Russen abgenommnen Schiffe und des während
des Krieges beschädigten eignen Schiffsmaterials so viel Zeit und Arbeits¬
kräfte in Anspruch nehmen würden. Trotz allen Fleißes und emsiger Tätigkeit
auch während des vergangnen Jahres sind die vierzehn russischen Schiffe auch
heute noch nicht alle ausgebessert, und bei einzelnen von ihnen soll es noch
dazu zweifelhaft sein, ob sie sich nach beendeter Arbeit im aktiven Flottendienst
werden verwenden lassen. Es kann also sein, daß hier Mühe und Kosten
teilweise ohne Nutzen verbraucht worden sind. Sehr zufriedenstellend äußert
sich dagegen die japanische Presse, daß es der Kunst und den Mitteln der
heimischen Industrie gelungen ist, das durch einen Unglücksfall nach dem Kriege
schwer beschädigte Schlachtschiff Mikasa von 15400 Tonnen, nachdem es längere
Zeit für verloren angesehen wurde, wieder vollkommen dienstbereit herzustellen.
Rechnet man dazu die sechs ehemaligen russischen Schlachtschiffe, die einrangiert
worden sind, dann verfügt die japanische Flotte heute über vierzehn Linien¬
schiffe mit einem Deplacement von zusammen 191400 Tonnen.

Sehr schwer ist es, sich ein zuverlässiges Bild von der Weiterentwicklung
der japanischen Marine, das heißt von den Bauprogramms zu machen, die
entweder vom Parlament schon angenommen sind oder erst in den Entwürfen
vorliegen. Der Grund für diese Unsicherheit in den Nachrichten liegt erstens
darin, daß die Japaner nach wie vor alle militärischen Mitteilungen so geheim
wie nur irgend denkbar halten und es ganz gern sehen, wenn möglichst viel
widersprechende Angaben verbreitet werden. Auf der andern Seite macht aber
auch die Finanzlage des Landes manchen Strich durch die Regierungövoran-
schläge, und daher kommt es wohl auch, daß die Verwirklichung mancher Pläne
des Marineministers, deren Annahme so gut wie sicher schien, und die auch
schon bekannt gegeben wurden, hinausgeschoben werden muß. Dadurch wird
natürlich die Genauigkeit der Berichterstattung erschwert. So liegen auch die
Dinge in diesem Augenblick. Im Jahre 1903 wurde vom Parlament ein


Die großen Flotten der ZVelt im Jahre

gibt. Auch die jährlich zunehmende Verminderung des Arbeitspersonals in
den Arsenälen, das am 1. Juli 1900 noch 17186 Köpfe betrug, seitdem all-
mühlich herabgesetzt worden ist und gegenwärtig nur noch 14165 Mann be¬
trügt, ist natürlich einer schnellen Fertigstellung der Schiffe nicht günstig und
zieht die Lieferfristen in die Länge. Es erscheint deshalb unter den obwaltenden
Umständen wenig glaubwürdig, daß im Parlament ein Antrag eingebracht
werden soll, der die Arbeiterzahl in den Arsenälen noch weiter vermindert und
bis auf 12000 Köpfe herabdrückt.

Die japanische Marine hat seit dem siegreichen Kriege mit Rußland
nicht stillgestanden. Im Gegenteil ist sie fortgesetzt tätig, durch Bestellungen
im Auslande und bei der eignen Industrie ihren Schiffsbestand zu vermehren.
Die Fortschritte auf den Werften im Lande durch den Bau großer Schiffe
würden dazu voraussichtlich noch umfangreicher sein, wenn die Einrichtungen,
namentlich zur Herstellung des Panzermaterials, ausreichten, und wenn nicht
die Ausbesserungen der den Russen abgenommnen Schiffe und des während
des Krieges beschädigten eignen Schiffsmaterials so viel Zeit und Arbeits¬
kräfte in Anspruch nehmen würden. Trotz allen Fleißes und emsiger Tätigkeit
auch während des vergangnen Jahres sind die vierzehn russischen Schiffe auch
heute noch nicht alle ausgebessert, und bei einzelnen von ihnen soll es noch
dazu zweifelhaft sein, ob sie sich nach beendeter Arbeit im aktiven Flottendienst
werden verwenden lassen. Es kann also sein, daß hier Mühe und Kosten
teilweise ohne Nutzen verbraucht worden sind. Sehr zufriedenstellend äußert
sich dagegen die japanische Presse, daß es der Kunst und den Mitteln der
heimischen Industrie gelungen ist, das durch einen Unglücksfall nach dem Kriege
schwer beschädigte Schlachtschiff Mikasa von 15400 Tonnen, nachdem es längere
Zeit für verloren angesehen wurde, wieder vollkommen dienstbereit herzustellen.
Rechnet man dazu die sechs ehemaligen russischen Schlachtschiffe, die einrangiert
worden sind, dann verfügt die japanische Flotte heute über vierzehn Linien¬
schiffe mit einem Deplacement von zusammen 191400 Tonnen.

Sehr schwer ist es, sich ein zuverlässiges Bild von der Weiterentwicklung
der japanischen Marine, das heißt von den Bauprogramms zu machen, die
entweder vom Parlament schon angenommen sind oder erst in den Entwürfen
vorliegen. Der Grund für diese Unsicherheit in den Nachrichten liegt erstens
darin, daß die Japaner nach wie vor alle militärischen Mitteilungen so geheim
wie nur irgend denkbar halten und es ganz gern sehen, wenn möglichst viel
widersprechende Angaben verbreitet werden. Auf der andern Seite macht aber
auch die Finanzlage des Landes manchen Strich durch die Regierungövoran-
schläge, und daher kommt es wohl auch, daß die Verwirklichung mancher Pläne
des Marineministers, deren Annahme so gut wie sicher schien, und die auch
schon bekannt gegeben wurden, hinausgeschoben werden muß. Dadurch wird
natürlich die Genauigkeit der Berichterstattung erschwert. So liegen auch die
Dinge in diesem Augenblick. Im Jahre 1903 wurde vom Parlament ein


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0018" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/311759"/>
          <fw type="header" place="top"> Die großen Flotten der ZVelt im Jahre</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_30" prev="#ID_29"> gibt. Auch die jährlich zunehmende Verminderung des Arbeitspersonals in<lb/>
den Arsenälen, das am 1. Juli 1900 noch 17186 Köpfe betrug, seitdem all-<lb/>
mühlich herabgesetzt worden ist und gegenwärtig nur noch 14165 Mann be¬<lb/>
trügt, ist natürlich einer schnellen Fertigstellung der Schiffe nicht günstig und<lb/>
zieht die Lieferfristen in die Länge. Es erscheint deshalb unter den obwaltenden<lb/>
Umständen wenig glaubwürdig, daß im Parlament ein Antrag eingebracht<lb/>
werden soll, der die Arbeiterzahl in den Arsenälen noch weiter vermindert und<lb/>
bis auf 12000 Köpfe herabdrückt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_31"> Die japanische Marine hat seit dem siegreichen Kriege mit Rußland<lb/>
nicht stillgestanden. Im Gegenteil ist sie fortgesetzt tätig, durch Bestellungen<lb/>
im Auslande und bei der eignen Industrie ihren Schiffsbestand zu vermehren.<lb/>
Die Fortschritte auf den Werften im Lande durch den Bau großer Schiffe<lb/>
würden dazu voraussichtlich noch umfangreicher sein, wenn die Einrichtungen,<lb/>
namentlich zur Herstellung des Panzermaterials, ausreichten, und wenn nicht<lb/>
die Ausbesserungen der den Russen abgenommnen Schiffe und des während<lb/>
des Krieges beschädigten eignen Schiffsmaterials so viel Zeit und Arbeits¬<lb/>
kräfte in Anspruch nehmen würden. Trotz allen Fleißes und emsiger Tätigkeit<lb/>
auch während des vergangnen Jahres sind die vierzehn russischen Schiffe auch<lb/>
heute noch nicht alle ausgebessert, und bei einzelnen von ihnen soll es noch<lb/>
dazu zweifelhaft sein, ob sie sich nach beendeter Arbeit im aktiven Flottendienst<lb/>
werden verwenden lassen. Es kann also sein, daß hier Mühe und Kosten<lb/>
teilweise ohne Nutzen verbraucht worden sind. Sehr zufriedenstellend äußert<lb/>
sich dagegen die japanische Presse, daß es der Kunst und den Mitteln der<lb/>
heimischen Industrie gelungen ist, das durch einen Unglücksfall nach dem Kriege<lb/>
schwer beschädigte Schlachtschiff Mikasa von 15400 Tonnen, nachdem es längere<lb/>
Zeit für verloren angesehen wurde, wieder vollkommen dienstbereit herzustellen.<lb/>
Rechnet man dazu die sechs ehemaligen russischen Schlachtschiffe, die einrangiert<lb/>
worden sind, dann verfügt die japanische Flotte heute über vierzehn Linien¬<lb/>
schiffe mit einem Deplacement von zusammen 191400 Tonnen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_32" next="#ID_33"> Sehr schwer ist es, sich ein zuverlässiges Bild von der Weiterentwicklung<lb/>
der japanischen Marine, das heißt von den Bauprogramms zu machen, die<lb/>
entweder vom Parlament schon angenommen sind oder erst in den Entwürfen<lb/>
vorliegen. Der Grund für diese Unsicherheit in den Nachrichten liegt erstens<lb/>
darin, daß die Japaner nach wie vor alle militärischen Mitteilungen so geheim<lb/>
wie nur irgend denkbar halten und es ganz gern sehen, wenn möglichst viel<lb/>
widersprechende Angaben verbreitet werden. Auf der andern Seite macht aber<lb/>
auch die Finanzlage des Landes manchen Strich durch die Regierungövoran-<lb/>
schläge, und daher kommt es wohl auch, daß die Verwirklichung mancher Pläne<lb/>
des Marineministers, deren Annahme so gut wie sicher schien, und die auch<lb/>
schon bekannt gegeben wurden, hinausgeschoben werden muß. Dadurch wird<lb/>
natürlich die Genauigkeit der Berichterstattung erschwert. So liegen auch die<lb/>
Dinge in diesem Augenblick.  Im Jahre 1903 wurde vom Parlament ein</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0018] Die großen Flotten der ZVelt im Jahre gibt. Auch die jährlich zunehmende Verminderung des Arbeitspersonals in den Arsenälen, das am 1. Juli 1900 noch 17186 Köpfe betrug, seitdem all- mühlich herabgesetzt worden ist und gegenwärtig nur noch 14165 Mann be¬ trügt, ist natürlich einer schnellen Fertigstellung der Schiffe nicht günstig und zieht die Lieferfristen in die Länge. Es erscheint deshalb unter den obwaltenden Umständen wenig glaubwürdig, daß im Parlament ein Antrag eingebracht werden soll, der die Arbeiterzahl in den Arsenälen noch weiter vermindert und bis auf 12000 Köpfe herabdrückt. Die japanische Marine hat seit dem siegreichen Kriege mit Rußland nicht stillgestanden. Im Gegenteil ist sie fortgesetzt tätig, durch Bestellungen im Auslande und bei der eignen Industrie ihren Schiffsbestand zu vermehren. Die Fortschritte auf den Werften im Lande durch den Bau großer Schiffe würden dazu voraussichtlich noch umfangreicher sein, wenn die Einrichtungen, namentlich zur Herstellung des Panzermaterials, ausreichten, und wenn nicht die Ausbesserungen der den Russen abgenommnen Schiffe und des während des Krieges beschädigten eignen Schiffsmaterials so viel Zeit und Arbeits¬ kräfte in Anspruch nehmen würden. Trotz allen Fleißes und emsiger Tätigkeit auch während des vergangnen Jahres sind die vierzehn russischen Schiffe auch heute noch nicht alle ausgebessert, und bei einzelnen von ihnen soll es noch dazu zweifelhaft sein, ob sie sich nach beendeter Arbeit im aktiven Flottendienst werden verwenden lassen. Es kann also sein, daß hier Mühe und Kosten teilweise ohne Nutzen verbraucht worden sind. Sehr zufriedenstellend äußert sich dagegen die japanische Presse, daß es der Kunst und den Mitteln der heimischen Industrie gelungen ist, das durch einen Unglücksfall nach dem Kriege schwer beschädigte Schlachtschiff Mikasa von 15400 Tonnen, nachdem es längere Zeit für verloren angesehen wurde, wieder vollkommen dienstbereit herzustellen. Rechnet man dazu die sechs ehemaligen russischen Schlachtschiffe, die einrangiert worden sind, dann verfügt die japanische Flotte heute über vierzehn Linien¬ schiffe mit einem Deplacement von zusammen 191400 Tonnen. Sehr schwer ist es, sich ein zuverlässiges Bild von der Weiterentwicklung der japanischen Marine, das heißt von den Bauprogramms zu machen, die entweder vom Parlament schon angenommen sind oder erst in den Entwürfen vorliegen. Der Grund für diese Unsicherheit in den Nachrichten liegt erstens darin, daß die Japaner nach wie vor alle militärischen Mitteilungen so geheim wie nur irgend denkbar halten und es ganz gern sehen, wenn möglichst viel widersprechende Angaben verbreitet werden. Auf der andern Seite macht aber auch die Finanzlage des Landes manchen Strich durch die Regierungövoran- schläge, und daher kommt es wohl auch, daß die Verwirklichung mancher Pläne des Marineministers, deren Annahme so gut wie sicher schien, und die auch schon bekannt gegeben wurden, hinausgeschoben werden muß. Dadurch wird natürlich die Genauigkeit der Berichterstattung erschwert. So liegen auch die Dinge in diesem Augenblick. Im Jahre 1903 wurde vom Parlament ein

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/18
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/18>, abgerufen am 24.07.2024.