Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die preußische Artillerie im Dienste des Rüstenrettungswesens

Westen, der eine dem Ernstfalle ähnliche Situation schuf. Die Hafenpolizei¬
kommission setzte deshalb die Schießversuche für den folgenden Tag an und lud
das Vorsteheramt der Kaufmannschaft dazu ein. Bei diesen Versuchen wurden
verschiedne Arten, die Leine zum Schusse klar zu machen, erprobt. Man
wickelte sie zuerst auf einer nach vorn sich senkenden Bohlenlage vor dem
Mörser über Zapfen. Diese Art bewährte sich nur bei schwacher Ladung.
Wurde dagegen die Ladung verstärkt, so riß die Leine, vermutlich infolge des
Widerstandes, den die Zapfen dem Zuge der Bombe entgegensetzten, jedesmal.
Als man dann die Leine einfach vor dem Mörser auf der Erde ausbreitete,
wurde sie von der Bombe leicht aufgenommen und hielt ihren Zug auch bei
verstärkter Ladung aus. Ein von dem Oberfeuerwerker vorgeschlagner Kasten
mit Zapfen im Boden, die zum Aufwickeln der Leine dienten und zur Ver¬
meidung von Leinenbrüchen bei starker Ladung herausgenommen werden konnten,
wurde diesesmal nicht verwandt, scheint sich aber als brauchbar bewährt zu
haben, da man nach dem Weggange der beiden Artilleristen die Leine darin
aufbewahrte. Dagegen probierte man einen ebenfalls von Kohler vorgeschlagnen
und hergestellten Richtaufsatz an Stelle des Richtlots und fand ihn brauch¬
barer als das der Einwirkung des Sturmes unterworfne Lot. Um die Ro¬
tation des Geschosses zu verhindern, die häufige Leinenbrüche verursachte, füllte
man den zwischen Ladung und Geschoß leer bleibenden Teil der Kammer mit
einem Heupfropfen aus und hüllte die Bombe in Segeltuch. Dieses Verfahren
erwies sich insofern als vorteilhaft, als die bei der bisherigen Ladeweise er¬
reichte Schußweite nunmehr mit einer um acht Lot geringern Ladung erzielt
wurde. Auch die Verminderung der Rotation des Geschosses scheint dadurch
erreicht worden zu sein. Wenigstens riß die Leine immer nur an einer ziemlich
weit (15, 25, 23 Klafter) von der Bombe entfernten Stelle. Von den sieben
Schüssen wird nur der zweite als Treffer, der sechste und siebente als gut ge¬
richtet bezeichnet, der erste ging zu kurz, beim dritten, vierten und fünften riß
die Leine. Die Windstärke verminderte die Wurfweite nicht.

Am Nachmittag des 27. November fand bei ziemlich starkem Sturm wieder
eine Schießprobe statt. Dabei wollte man den Leinenkasten probieren. Allein
die neue Leine, die auf die Zapfen in dem Kasten gewickelt werden sollte, ver¬
wirrte sich dabei so, daß man eine ältere, an mehreren Stellen gespließte ver¬
wenden mußte. Man breitete die Leine wieder einfach auf der bloßen Erde
vor dem Mortier aus und traf auch im übrigen die gleichen Vorbereitungen
wie bisher, nur verwandte man statt der losen Ladungen Papierkartuschen und
gab den Geschossen statt der Segeltuchhülle nur eine Unterlage von Tuch, die
im Verein mit dem schon bei den letzten Versuchen erwähnten Heupfropfen die
Kammer genügend ausfüllte. Über das Resultat der Versuche ist in dem Be¬
richte nichts enthalten, als daß die Leine, obwohl sie gespließt war, alle sieben
Schüsse aushielt, ohne zu reißen. Man hatte sie vorher ausgekocht. Diesem
Umstände schrieb man ihre Dehnbarkeit zu. Die Versuche mit Leuchtraketen,


Die preußische Artillerie im Dienste des Rüstenrettungswesens

Westen, der eine dem Ernstfalle ähnliche Situation schuf. Die Hafenpolizei¬
kommission setzte deshalb die Schießversuche für den folgenden Tag an und lud
das Vorsteheramt der Kaufmannschaft dazu ein. Bei diesen Versuchen wurden
verschiedne Arten, die Leine zum Schusse klar zu machen, erprobt. Man
wickelte sie zuerst auf einer nach vorn sich senkenden Bohlenlage vor dem
Mörser über Zapfen. Diese Art bewährte sich nur bei schwacher Ladung.
Wurde dagegen die Ladung verstärkt, so riß die Leine, vermutlich infolge des
Widerstandes, den die Zapfen dem Zuge der Bombe entgegensetzten, jedesmal.
Als man dann die Leine einfach vor dem Mörser auf der Erde ausbreitete,
wurde sie von der Bombe leicht aufgenommen und hielt ihren Zug auch bei
verstärkter Ladung aus. Ein von dem Oberfeuerwerker vorgeschlagner Kasten
mit Zapfen im Boden, die zum Aufwickeln der Leine dienten und zur Ver¬
meidung von Leinenbrüchen bei starker Ladung herausgenommen werden konnten,
wurde diesesmal nicht verwandt, scheint sich aber als brauchbar bewährt zu
haben, da man nach dem Weggange der beiden Artilleristen die Leine darin
aufbewahrte. Dagegen probierte man einen ebenfalls von Kohler vorgeschlagnen
und hergestellten Richtaufsatz an Stelle des Richtlots und fand ihn brauch¬
barer als das der Einwirkung des Sturmes unterworfne Lot. Um die Ro¬
tation des Geschosses zu verhindern, die häufige Leinenbrüche verursachte, füllte
man den zwischen Ladung und Geschoß leer bleibenden Teil der Kammer mit
einem Heupfropfen aus und hüllte die Bombe in Segeltuch. Dieses Verfahren
erwies sich insofern als vorteilhaft, als die bei der bisherigen Ladeweise er¬
reichte Schußweite nunmehr mit einer um acht Lot geringern Ladung erzielt
wurde. Auch die Verminderung der Rotation des Geschosses scheint dadurch
erreicht worden zu sein. Wenigstens riß die Leine immer nur an einer ziemlich
weit (15, 25, 23 Klafter) von der Bombe entfernten Stelle. Von den sieben
Schüssen wird nur der zweite als Treffer, der sechste und siebente als gut ge¬
richtet bezeichnet, der erste ging zu kurz, beim dritten, vierten und fünften riß
die Leine. Die Windstärke verminderte die Wurfweite nicht.

Am Nachmittag des 27. November fand bei ziemlich starkem Sturm wieder
eine Schießprobe statt. Dabei wollte man den Leinenkasten probieren. Allein
die neue Leine, die auf die Zapfen in dem Kasten gewickelt werden sollte, ver¬
wirrte sich dabei so, daß man eine ältere, an mehreren Stellen gespließte ver¬
wenden mußte. Man breitete die Leine wieder einfach auf der bloßen Erde
vor dem Mortier aus und traf auch im übrigen die gleichen Vorbereitungen
wie bisher, nur verwandte man statt der losen Ladungen Papierkartuschen und
gab den Geschossen statt der Segeltuchhülle nur eine Unterlage von Tuch, die
im Verein mit dem schon bei den letzten Versuchen erwähnten Heupfropfen die
Kammer genügend ausfüllte. Über das Resultat der Versuche ist in dem Be¬
richte nichts enthalten, als daß die Leine, obwohl sie gespließt war, alle sieben
Schüsse aushielt, ohne zu reißen. Man hatte sie vorher ausgekocht. Diesem
Umstände schrieb man ihre Dehnbarkeit zu. Die Versuche mit Leuchtraketen,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0130" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/311817"/>
          <fw type="header" place="top"> Die preußische Artillerie im Dienste des Rüstenrettungswesens</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_497" prev="#ID_496"> Westen, der eine dem Ernstfalle ähnliche Situation schuf. Die Hafenpolizei¬<lb/>
kommission setzte deshalb die Schießversuche für den folgenden Tag an und lud<lb/>
das Vorsteheramt der Kaufmannschaft dazu ein. Bei diesen Versuchen wurden<lb/>
verschiedne Arten, die Leine zum Schusse klar zu machen, erprobt. Man<lb/>
wickelte sie zuerst auf einer nach vorn sich senkenden Bohlenlage vor dem<lb/>
Mörser über Zapfen. Diese Art bewährte sich nur bei schwacher Ladung.<lb/>
Wurde dagegen die Ladung verstärkt, so riß die Leine, vermutlich infolge des<lb/>
Widerstandes, den die Zapfen dem Zuge der Bombe entgegensetzten, jedesmal.<lb/>
Als man dann die Leine einfach vor dem Mörser auf der Erde ausbreitete,<lb/>
wurde sie von der Bombe leicht aufgenommen und hielt ihren Zug auch bei<lb/>
verstärkter Ladung aus. Ein von dem Oberfeuerwerker vorgeschlagner Kasten<lb/>
mit Zapfen im Boden, die zum Aufwickeln der Leine dienten und zur Ver¬<lb/>
meidung von Leinenbrüchen bei starker Ladung herausgenommen werden konnten,<lb/>
wurde diesesmal nicht verwandt, scheint sich aber als brauchbar bewährt zu<lb/>
haben, da man nach dem Weggange der beiden Artilleristen die Leine darin<lb/>
aufbewahrte. Dagegen probierte man einen ebenfalls von Kohler vorgeschlagnen<lb/>
und hergestellten Richtaufsatz an Stelle des Richtlots und fand ihn brauch¬<lb/>
barer als das der Einwirkung des Sturmes unterworfne Lot. Um die Ro¬<lb/>
tation des Geschosses zu verhindern, die häufige Leinenbrüche verursachte, füllte<lb/>
man den zwischen Ladung und Geschoß leer bleibenden Teil der Kammer mit<lb/>
einem Heupfropfen aus und hüllte die Bombe in Segeltuch. Dieses Verfahren<lb/>
erwies sich insofern als vorteilhaft, als die bei der bisherigen Ladeweise er¬<lb/>
reichte Schußweite nunmehr mit einer um acht Lot geringern Ladung erzielt<lb/>
wurde. Auch die Verminderung der Rotation des Geschosses scheint dadurch<lb/>
erreicht worden zu sein. Wenigstens riß die Leine immer nur an einer ziemlich<lb/>
weit (15, 25, 23 Klafter) von der Bombe entfernten Stelle. Von den sieben<lb/>
Schüssen wird nur der zweite als Treffer, der sechste und siebente als gut ge¬<lb/>
richtet bezeichnet, der erste ging zu kurz, beim dritten, vierten und fünften riß<lb/>
die Leine.  Die Windstärke verminderte die Wurfweite nicht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_498" next="#ID_499"> Am Nachmittag des 27. November fand bei ziemlich starkem Sturm wieder<lb/>
eine Schießprobe statt. Dabei wollte man den Leinenkasten probieren. Allein<lb/>
die neue Leine, die auf die Zapfen in dem Kasten gewickelt werden sollte, ver¬<lb/>
wirrte sich dabei so, daß man eine ältere, an mehreren Stellen gespließte ver¬<lb/>
wenden mußte. Man breitete die Leine wieder einfach auf der bloßen Erde<lb/>
vor dem Mortier aus und traf auch im übrigen die gleichen Vorbereitungen<lb/>
wie bisher, nur verwandte man statt der losen Ladungen Papierkartuschen und<lb/>
gab den Geschossen statt der Segeltuchhülle nur eine Unterlage von Tuch, die<lb/>
im Verein mit dem schon bei den letzten Versuchen erwähnten Heupfropfen die<lb/>
Kammer genügend ausfüllte. Über das Resultat der Versuche ist in dem Be¬<lb/>
richte nichts enthalten, als daß die Leine, obwohl sie gespließt war, alle sieben<lb/>
Schüsse aushielt, ohne zu reißen. Man hatte sie vorher ausgekocht. Diesem<lb/>
Umstände schrieb man ihre Dehnbarkeit zu. Die Versuche mit Leuchtraketen,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0130] Die preußische Artillerie im Dienste des Rüstenrettungswesens Westen, der eine dem Ernstfalle ähnliche Situation schuf. Die Hafenpolizei¬ kommission setzte deshalb die Schießversuche für den folgenden Tag an und lud das Vorsteheramt der Kaufmannschaft dazu ein. Bei diesen Versuchen wurden verschiedne Arten, die Leine zum Schusse klar zu machen, erprobt. Man wickelte sie zuerst auf einer nach vorn sich senkenden Bohlenlage vor dem Mörser über Zapfen. Diese Art bewährte sich nur bei schwacher Ladung. Wurde dagegen die Ladung verstärkt, so riß die Leine, vermutlich infolge des Widerstandes, den die Zapfen dem Zuge der Bombe entgegensetzten, jedesmal. Als man dann die Leine einfach vor dem Mörser auf der Erde ausbreitete, wurde sie von der Bombe leicht aufgenommen und hielt ihren Zug auch bei verstärkter Ladung aus. Ein von dem Oberfeuerwerker vorgeschlagner Kasten mit Zapfen im Boden, die zum Aufwickeln der Leine dienten und zur Ver¬ meidung von Leinenbrüchen bei starker Ladung herausgenommen werden konnten, wurde diesesmal nicht verwandt, scheint sich aber als brauchbar bewährt zu haben, da man nach dem Weggange der beiden Artilleristen die Leine darin aufbewahrte. Dagegen probierte man einen ebenfalls von Kohler vorgeschlagnen und hergestellten Richtaufsatz an Stelle des Richtlots und fand ihn brauch¬ barer als das der Einwirkung des Sturmes unterworfne Lot. Um die Ro¬ tation des Geschosses zu verhindern, die häufige Leinenbrüche verursachte, füllte man den zwischen Ladung und Geschoß leer bleibenden Teil der Kammer mit einem Heupfropfen aus und hüllte die Bombe in Segeltuch. Dieses Verfahren erwies sich insofern als vorteilhaft, als die bei der bisherigen Ladeweise er¬ reichte Schußweite nunmehr mit einer um acht Lot geringern Ladung erzielt wurde. Auch die Verminderung der Rotation des Geschosses scheint dadurch erreicht worden zu sein. Wenigstens riß die Leine immer nur an einer ziemlich weit (15, 25, 23 Klafter) von der Bombe entfernten Stelle. Von den sieben Schüssen wird nur der zweite als Treffer, der sechste und siebente als gut ge¬ richtet bezeichnet, der erste ging zu kurz, beim dritten, vierten und fünften riß die Leine. Die Windstärke verminderte die Wurfweite nicht. Am Nachmittag des 27. November fand bei ziemlich starkem Sturm wieder eine Schießprobe statt. Dabei wollte man den Leinenkasten probieren. Allein die neue Leine, die auf die Zapfen in dem Kasten gewickelt werden sollte, ver¬ wirrte sich dabei so, daß man eine ältere, an mehreren Stellen gespließte ver¬ wenden mußte. Man breitete die Leine wieder einfach auf der bloßen Erde vor dem Mortier aus und traf auch im übrigen die gleichen Vorbereitungen wie bisher, nur verwandte man statt der losen Ladungen Papierkartuschen und gab den Geschossen statt der Segeltuchhülle nur eine Unterlage von Tuch, die im Verein mit dem schon bei den letzten Versuchen erwähnten Heupfropfen die Kammer genügend ausfüllte. Über das Resultat der Versuche ist in dem Be¬ richte nichts enthalten, als daß die Leine, obwohl sie gespließt war, alle sieben Schüsse aushielt, ohne zu reißen. Man hatte sie vorher ausgekocht. Diesem Umstände schrieb man ihre Dehnbarkeit zu. Die Versuche mit Leuchtraketen,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/130
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/130>, abgerufen am 24.07.2024.