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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Die Neuordnung der Beamtenbesoldungen -- ein sozialpolitisches Problem

Staates auch ein Einfluß auf soziale Verhältnisse und damit ein gewaltiges
Mittel gegeben, auf die Zukunftsbahnen unsers Volkstums richtunggebend zu
wirken. Gut angewandt kann diese Macht den größten Segen stiften: gesunde
Verhältnisse im Beamtenstand werden auch einen gesundenden Einfluß auf
weitere Volkskreise haben -- ungesundes in ihm wird als Krankheitserreger auf
andre Teile des sozialen Körpers übergreifen.

Zur Ehre des deutschen Beamtentums darf es gesagt werden, daß es im
allgemeinen dem deutschen Volke immer ein gutes Vorbild gewesen ist seit den
Zeiten, wo es sich mit der aufkommenden Fürstenmacht als Berufsstand in
modernem Sinne neben den auf feudaler Grundlage beruhenden Geburtsständen
erst entwickelte. Bei Einfachheit und sittlicher Reinheit der Lebensführung wahrte
es jene dem materiellen Genußleben abgewandte, auf hohe Lebensziele hin¬
strebende Geistesrichtung, die wir als deutschen Idealismus zu bezeichnen Pflegen.
Namentlich vom Beginn bis weit über die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts
war der Träger dieses Idealismus vornehmlich der deutsche Beamte. Dieser
zeichnete sich zugleich durch politisches Verständnis und ein reges Gefühl für
die Größe und die Bedürfnisse des Staates aus. Sowohl bei der Entwicklung
zum konstitutionellen Staat wie zum Nationalstaat ist er dem deutschen Volke
treu zur Seite gestanden, vielfach Führer gewesen. Diese politische Bedeutung
des Beamtentums findet kaum irgendwo bei andern Nationen ein Gegenstück.
Während bei diesen politischer Sinn und Staatsgefühl meist eine Domäne des
Adels oder altererbter Reichtums ist, entwickelt sich in Deutschland ein Stand,
der sich bei aller Kleinheit und Enge der Verhältnisse jenen freien und auf
hohe staatliche Ziele gerichteten Blick wahrte, durch den er den wesentlichsten
politischen Kräften unsers Volkes zuzuzählen ist. Diesen vortrefflichen Eigen¬
schaften diente als Wurzel und Kraftquelle ein vorbildlich gesundes und tüchtiges
Familienleben. Hier könnte noch ein Loblied der deutschen Beamtenfrau ge¬
sungen werden, deren Haushaltungskunst es zu danken ist, daß auch bei be¬
schränkten Mitteln der Glanz und der Schimmer in deutschen Beamtenhaus¬
haltungen nicht fehlte, der Beamtenfrau, die meist auch eine treffliche Erzieherin
der jüngern Generation war.

Nun erhebt sich die bange Frage: Ist dieses Idealbild des deutschen
Beamtentums, wie es bis in die letzten Jahrzehnte des neunzehnten Jahr¬
hunderts Geltung haben mag, auch heute noch richtig? Jeder Vaterlands¬
freund möchte sie gern mit freudigem Ja beantworten; aufmerksame Beobachter
unsers nationalen Lebens werden aber gefunden haben, daß immer mehr eine
Wandlung in der standesmäßigen Struktur wie im innern Wesen des Beamten¬
tums hervorzutreten beginnt. Dem Idealismus der alten Zeit ist ein gefähr¬
licher Gegner in einer materiellen Lebensauffassung entstanden, die ihre Quelle
in dem neu errungnen und zunehmenden Wohlstand weiter Volkskreise hat.
Dessen Wirkungen mögen um so schärfer gewesen sein, als dem wirtschaftlichen
Aufschwung in Deutschland lange Zeiten der Dürftigkeit und Kleinheit voraus-


Die Neuordnung der Beamtenbesoldungen — ein sozialpolitisches Problem

Staates auch ein Einfluß auf soziale Verhältnisse und damit ein gewaltiges
Mittel gegeben, auf die Zukunftsbahnen unsers Volkstums richtunggebend zu
wirken. Gut angewandt kann diese Macht den größten Segen stiften: gesunde
Verhältnisse im Beamtenstand werden auch einen gesundenden Einfluß auf
weitere Volkskreise haben — ungesundes in ihm wird als Krankheitserreger auf
andre Teile des sozialen Körpers übergreifen.

Zur Ehre des deutschen Beamtentums darf es gesagt werden, daß es im
allgemeinen dem deutschen Volke immer ein gutes Vorbild gewesen ist seit den
Zeiten, wo es sich mit der aufkommenden Fürstenmacht als Berufsstand in
modernem Sinne neben den auf feudaler Grundlage beruhenden Geburtsständen
erst entwickelte. Bei Einfachheit und sittlicher Reinheit der Lebensführung wahrte
es jene dem materiellen Genußleben abgewandte, auf hohe Lebensziele hin¬
strebende Geistesrichtung, die wir als deutschen Idealismus zu bezeichnen Pflegen.
Namentlich vom Beginn bis weit über die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts
war der Träger dieses Idealismus vornehmlich der deutsche Beamte. Dieser
zeichnete sich zugleich durch politisches Verständnis und ein reges Gefühl für
die Größe und die Bedürfnisse des Staates aus. Sowohl bei der Entwicklung
zum konstitutionellen Staat wie zum Nationalstaat ist er dem deutschen Volke
treu zur Seite gestanden, vielfach Führer gewesen. Diese politische Bedeutung
des Beamtentums findet kaum irgendwo bei andern Nationen ein Gegenstück.
Während bei diesen politischer Sinn und Staatsgefühl meist eine Domäne des
Adels oder altererbter Reichtums ist, entwickelt sich in Deutschland ein Stand,
der sich bei aller Kleinheit und Enge der Verhältnisse jenen freien und auf
hohe staatliche Ziele gerichteten Blick wahrte, durch den er den wesentlichsten
politischen Kräften unsers Volkes zuzuzählen ist. Diesen vortrefflichen Eigen¬
schaften diente als Wurzel und Kraftquelle ein vorbildlich gesundes und tüchtiges
Familienleben. Hier könnte noch ein Loblied der deutschen Beamtenfrau ge¬
sungen werden, deren Haushaltungskunst es zu danken ist, daß auch bei be¬
schränkten Mitteln der Glanz und der Schimmer in deutschen Beamtenhaus¬
haltungen nicht fehlte, der Beamtenfrau, die meist auch eine treffliche Erzieherin
der jüngern Generation war.

Nun erhebt sich die bange Frage: Ist dieses Idealbild des deutschen
Beamtentums, wie es bis in die letzten Jahrzehnte des neunzehnten Jahr¬
hunderts Geltung haben mag, auch heute noch richtig? Jeder Vaterlands¬
freund möchte sie gern mit freudigem Ja beantworten; aufmerksame Beobachter
unsers nationalen Lebens werden aber gefunden haben, daß immer mehr eine
Wandlung in der standesmäßigen Struktur wie im innern Wesen des Beamten¬
tums hervorzutreten beginnt. Dem Idealismus der alten Zeit ist ein gefähr¬
licher Gegner in einer materiellen Lebensauffassung entstanden, die ihre Quelle
in dem neu errungnen und zunehmenden Wohlstand weiter Volkskreise hat.
Dessen Wirkungen mögen um so schärfer gewesen sein, als dem wirtschaftlichen
Aufschwung in Deutschland lange Zeiten der Dürftigkeit und Kleinheit voraus-


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[0084] Die Neuordnung der Beamtenbesoldungen — ein sozialpolitisches Problem Staates auch ein Einfluß auf soziale Verhältnisse und damit ein gewaltiges Mittel gegeben, auf die Zukunftsbahnen unsers Volkstums richtunggebend zu wirken. Gut angewandt kann diese Macht den größten Segen stiften: gesunde Verhältnisse im Beamtenstand werden auch einen gesundenden Einfluß auf weitere Volkskreise haben — ungesundes in ihm wird als Krankheitserreger auf andre Teile des sozialen Körpers übergreifen. Zur Ehre des deutschen Beamtentums darf es gesagt werden, daß es im allgemeinen dem deutschen Volke immer ein gutes Vorbild gewesen ist seit den Zeiten, wo es sich mit der aufkommenden Fürstenmacht als Berufsstand in modernem Sinne neben den auf feudaler Grundlage beruhenden Geburtsständen erst entwickelte. Bei Einfachheit und sittlicher Reinheit der Lebensführung wahrte es jene dem materiellen Genußleben abgewandte, auf hohe Lebensziele hin¬ strebende Geistesrichtung, die wir als deutschen Idealismus zu bezeichnen Pflegen. Namentlich vom Beginn bis weit über die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts war der Träger dieses Idealismus vornehmlich der deutsche Beamte. Dieser zeichnete sich zugleich durch politisches Verständnis und ein reges Gefühl für die Größe und die Bedürfnisse des Staates aus. Sowohl bei der Entwicklung zum konstitutionellen Staat wie zum Nationalstaat ist er dem deutschen Volke treu zur Seite gestanden, vielfach Führer gewesen. Diese politische Bedeutung des Beamtentums findet kaum irgendwo bei andern Nationen ein Gegenstück. Während bei diesen politischer Sinn und Staatsgefühl meist eine Domäne des Adels oder altererbter Reichtums ist, entwickelt sich in Deutschland ein Stand, der sich bei aller Kleinheit und Enge der Verhältnisse jenen freien und auf hohe staatliche Ziele gerichteten Blick wahrte, durch den er den wesentlichsten politischen Kräften unsers Volkes zuzuzählen ist. Diesen vortrefflichen Eigen¬ schaften diente als Wurzel und Kraftquelle ein vorbildlich gesundes und tüchtiges Familienleben. Hier könnte noch ein Loblied der deutschen Beamtenfrau ge¬ sungen werden, deren Haushaltungskunst es zu danken ist, daß auch bei be¬ schränkten Mitteln der Glanz und der Schimmer in deutschen Beamtenhaus¬ haltungen nicht fehlte, der Beamtenfrau, die meist auch eine treffliche Erzieherin der jüngern Generation war. Nun erhebt sich die bange Frage: Ist dieses Idealbild des deutschen Beamtentums, wie es bis in die letzten Jahrzehnte des neunzehnten Jahr¬ hunderts Geltung haben mag, auch heute noch richtig? Jeder Vaterlands¬ freund möchte sie gern mit freudigem Ja beantworten; aufmerksame Beobachter unsers nationalen Lebens werden aber gefunden haben, daß immer mehr eine Wandlung in der standesmäßigen Struktur wie im innern Wesen des Beamten¬ tums hervorzutreten beginnt. Dem Idealismus der alten Zeit ist ein gefähr¬ licher Gegner in einer materiellen Lebensauffassung entstanden, die ihre Quelle in dem neu errungnen und zunehmenden Wohlstand weiter Volkskreise hat. Dessen Wirkungen mögen um so schärfer gewesen sein, als dem wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland lange Zeiten der Dürftigkeit und Kleinheit voraus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/84>, abgerufen am 22.07.2024.