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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Amerikawanderunge" eines Deutschen

Haltung der deutschen Gesandtschaft über Gebühr aufgebauscht worden sind,
kommen so selten vor und werden auch regelmäßig so schnell durch einen taktvollern
Besuch der Marine wieder aus der Welt geschafft, daß hierin kein Hinderungs¬
grund für öftere amerikanische Reisen deutscher Kriegsschiffe gesehen werden kann.
Je mehr Schiffe kommen, desto besser. Das zeigt das Beispiel Mexikos, das vor
drei Jahren von einem imponierender Geschwader besucht wurde. Die Vereinigten
Staaten haben den Besuch keineswegs übelgenommen, sondern sympathisch begrüßt.
Weshalb also die Furchtsamkeit noch länger fortsetzen? Es ist gar nicht aus¬
zusagen, welche Bedeutung es haben würde, wenn, wie Wilda sehr gut hervor¬
hebt, statt eines aller zehn Jahre einmal sich zeigenden Kreuzers ein Geschwader
Brasilien, Argentinien und Chile besuchte und ihnen unsre jetzige Kriegsgeltung
zur See vor Augen führte. Insbesondre würden dann die Latino-Amerikaner
auch einen Begriff von der deutschen Disziplin bekommen. Wilda erwähnt, daß
sich bei Gelegenheit der Anwesenheit des Falke im Hafen von Valparaiso die
Disziplin unsrer Mannschaft wieder im hellsten Lichte zeigte, während sich die
zugleich anwesenden nordamerikanischen Matrosen die gröbsten Ausschreitungen
zuschulden kommen ließen. In Mexiko desertierte einmal von einem nord¬
amerikanischen Kriegsschiff fast die Hälfte der Mannschaft. Bei dem Besuche
der vier deutschen Kriegsschiffe ist kein Mann desertiert, kein Mann am Lande
in irgendwelche Schwierigkeiten geraten und kein Mann erkrankt. Dieser eine
Besuch hat dem deutschen Ansehn mehr genutzt als die Arbeit von allen Diplomaten
die dort in den letzten dreißig Jahren beglaubigt waren. Das hat der Präsident
Porfirio Diaz bei verschiednen Gelegenheiten zu erkennen gegeben. Benutzen wir
also unsre vortreffliche Marine, auf die stolz zu sein wir allen Anlaß haben,
uns Sympathien zu erwecken in einem Erdteil, den, wenn wir alles ruhig ge¬
schehn lassen und uns selbst ganz passiv verhalten, die Nordamerikaner sonst
bald zu ihrer ausschließlichen Domäne machen werden.

Roosevelt hat in seiner letzten Botschaft an den Kongreß vom 3. Dezember 1906
die Ziele der amerikanischen auswärtigen Politik mit gewohnter Offenheit aus¬
gesprochen und ausgeführt: die Teilnahme der amerikanischen Republiken an der
Haager Konferenz sei die formelle und endgiltige Annahme der Erklärung seitens
der Weltmächte, daß kein Teil des amerikanischen Kontinents der Kolonisation
unterworfen werden könne. Kein Teil der Welt habe aber auch einen so un¬
geheuern Fortschritt und eine so staunenswerte Entwicklung in den letzten Jahren
aufzuweisen gehabt als das latinische Amerika. Die Vereinigten Staaten und
das latinische Amerika müßten jetzt zusammenstehn, um eine allamerikanische
öffentliche Meinung zu schaffen, deren mächtiger Einfluß die freien amerikanischen
Länder für immer von den Bürden einer Bewaffnung schützen werde, unter der
jetzt Europa seufze. So werde für alle Amerikaner Sicherheit und Gedeihen,
Produktion und Handel, Reichtum, Wissenschaft, Künste und Glück kommen!

Der Imperialismus ist von alters her mit altruistischen Beiwerk ausgeschmückt
worden, und Roosevelt handelt nur nach römischem und britischen Muster,


Amerikawanderunge» eines Deutschen

Haltung der deutschen Gesandtschaft über Gebühr aufgebauscht worden sind,
kommen so selten vor und werden auch regelmäßig so schnell durch einen taktvollern
Besuch der Marine wieder aus der Welt geschafft, daß hierin kein Hinderungs¬
grund für öftere amerikanische Reisen deutscher Kriegsschiffe gesehen werden kann.
Je mehr Schiffe kommen, desto besser. Das zeigt das Beispiel Mexikos, das vor
drei Jahren von einem imponierender Geschwader besucht wurde. Die Vereinigten
Staaten haben den Besuch keineswegs übelgenommen, sondern sympathisch begrüßt.
Weshalb also die Furchtsamkeit noch länger fortsetzen? Es ist gar nicht aus¬
zusagen, welche Bedeutung es haben würde, wenn, wie Wilda sehr gut hervor¬
hebt, statt eines aller zehn Jahre einmal sich zeigenden Kreuzers ein Geschwader
Brasilien, Argentinien und Chile besuchte und ihnen unsre jetzige Kriegsgeltung
zur See vor Augen führte. Insbesondre würden dann die Latino-Amerikaner
auch einen Begriff von der deutschen Disziplin bekommen. Wilda erwähnt, daß
sich bei Gelegenheit der Anwesenheit des Falke im Hafen von Valparaiso die
Disziplin unsrer Mannschaft wieder im hellsten Lichte zeigte, während sich die
zugleich anwesenden nordamerikanischen Matrosen die gröbsten Ausschreitungen
zuschulden kommen ließen. In Mexiko desertierte einmal von einem nord¬
amerikanischen Kriegsschiff fast die Hälfte der Mannschaft. Bei dem Besuche
der vier deutschen Kriegsschiffe ist kein Mann desertiert, kein Mann am Lande
in irgendwelche Schwierigkeiten geraten und kein Mann erkrankt. Dieser eine
Besuch hat dem deutschen Ansehn mehr genutzt als die Arbeit von allen Diplomaten
die dort in den letzten dreißig Jahren beglaubigt waren. Das hat der Präsident
Porfirio Diaz bei verschiednen Gelegenheiten zu erkennen gegeben. Benutzen wir
also unsre vortreffliche Marine, auf die stolz zu sein wir allen Anlaß haben,
uns Sympathien zu erwecken in einem Erdteil, den, wenn wir alles ruhig ge¬
schehn lassen und uns selbst ganz passiv verhalten, die Nordamerikaner sonst
bald zu ihrer ausschließlichen Domäne machen werden.

Roosevelt hat in seiner letzten Botschaft an den Kongreß vom 3. Dezember 1906
die Ziele der amerikanischen auswärtigen Politik mit gewohnter Offenheit aus¬
gesprochen und ausgeführt: die Teilnahme der amerikanischen Republiken an der
Haager Konferenz sei die formelle und endgiltige Annahme der Erklärung seitens
der Weltmächte, daß kein Teil des amerikanischen Kontinents der Kolonisation
unterworfen werden könne. Kein Teil der Welt habe aber auch einen so un¬
geheuern Fortschritt und eine so staunenswerte Entwicklung in den letzten Jahren
aufzuweisen gehabt als das latinische Amerika. Die Vereinigten Staaten und
das latinische Amerika müßten jetzt zusammenstehn, um eine allamerikanische
öffentliche Meinung zu schaffen, deren mächtiger Einfluß die freien amerikanischen
Länder für immer von den Bürden einer Bewaffnung schützen werde, unter der
jetzt Europa seufze. So werde für alle Amerikaner Sicherheit und Gedeihen,
Produktion und Handel, Reichtum, Wissenschaft, Künste und Glück kommen!

Der Imperialismus ist von alters her mit altruistischen Beiwerk ausgeschmückt
worden, und Roosevelt handelt nur nach römischem und britischen Muster,


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[0082] Amerikawanderunge» eines Deutschen Haltung der deutschen Gesandtschaft über Gebühr aufgebauscht worden sind, kommen so selten vor und werden auch regelmäßig so schnell durch einen taktvollern Besuch der Marine wieder aus der Welt geschafft, daß hierin kein Hinderungs¬ grund für öftere amerikanische Reisen deutscher Kriegsschiffe gesehen werden kann. Je mehr Schiffe kommen, desto besser. Das zeigt das Beispiel Mexikos, das vor drei Jahren von einem imponierender Geschwader besucht wurde. Die Vereinigten Staaten haben den Besuch keineswegs übelgenommen, sondern sympathisch begrüßt. Weshalb also die Furchtsamkeit noch länger fortsetzen? Es ist gar nicht aus¬ zusagen, welche Bedeutung es haben würde, wenn, wie Wilda sehr gut hervor¬ hebt, statt eines aller zehn Jahre einmal sich zeigenden Kreuzers ein Geschwader Brasilien, Argentinien und Chile besuchte und ihnen unsre jetzige Kriegsgeltung zur See vor Augen führte. Insbesondre würden dann die Latino-Amerikaner auch einen Begriff von der deutschen Disziplin bekommen. Wilda erwähnt, daß sich bei Gelegenheit der Anwesenheit des Falke im Hafen von Valparaiso die Disziplin unsrer Mannschaft wieder im hellsten Lichte zeigte, während sich die zugleich anwesenden nordamerikanischen Matrosen die gröbsten Ausschreitungen zuschulden kommen ließen. In Mexiko desertierte einmal von einem nord¬ amerikanischen Kriegsschiff fast die Hälfte der Mannschaft. Bei dem Besuche der vier deutschen Kriegsschiffe ist kein Mann desertiert, kein Mann am Lande in irgendwelche Schwierigkeiten geraten und kein Mann erkrankt. Dieser eine Besuch hat dem deutschen Ansehn mehr genutzt als die Arbeit von allen Diplomaten die dort in den letzten dreißig Jahren beglaubigt waren. Das hat der Präsident Porfirio Diaz bei verschiednen Gelegenheiten zu erkennen gegeben. Benutzen wir also unsre vortreffliche Marine, auf die stolz zu sein wir allen Anlaß haben, uns Sympathien zu erwecken in einem Erdteil, den, wenn wir alles ruhig ge¬ schehn lassen und uns selbst ganz passiv verhalten, die Nordamerikaner sonst bald zu ihrer ausschließlichen Domäne machen werden. Roosevelt hat in seiner letzten Botschaft an den Kongreß vom 3. Dezember 1906 die Ziele der amerikanischen auswärtigen Politik mit gewohnter Offenheit aus¬ gesprochen und ausgeführt: die Teilnahme der amerikanischen Republiken an der Haager Konferenz sei die formelle und endgiltige Annahme der Erklärung seitens der Weltmächte, daß kein Teil des amerikanischen Kontinents der Kolonisation unterworfen werden könne. Kein Teil der Welt habe aber auch einen so un¬ geheuern Fortschritt und eine so staunenswerte Entwicklung in den letzten Jahren aufzuweisen gehabt als das latinische Amerika. Die Vereinigten Staaten und das latinische Amerika müßten jetzt zusammenstehn, um eine allamerikanische öffentliche Meinung zu schaffen, deren mächtiger Einfluß die freien amerikanischen Länder für immer von den Bürden einer Bewaffnung schützen werde, unter der jetzt Europa seufze. So werde für alle Amerikaner Sicherheit und Gedeihen, Produktion und Handel, Reichtum, Wissenschaft, Künste und Glück kommen! Der Imperialismus ist von alters her mit altruistischen Beiwerk ausgeschmückt worden, und Roosevelt handelt nur nach römischem und britischen Muster,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/82>, abgerufen am 22.07.2024.