Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Folgerung zogen. Sie sind nicht zum Vergnügen im Reichstag, sondern versehen Die großen christlichen Erzieher. D Maßgebliches und Unmaßgebliches Folgerung zogen. Sie sind nicht zum Vergnügen im Reichstag, sondern versehen Die großen christlichen Erzieher. D <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0649" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/311732"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_3111" prev="#ID_3110"> Folgerung zogen. Sie sind nicht zum Vergnügen im Reichstag, sondern versehen<lb/> einen harten Dienst, ohne den der ganze Parlamentarismus zu einer lächerlichen<lb/> Rolle und zur Ohnmacht verurteilt sein würde. Sind diese ehrenwerten Mitarbeiter<lb/> des Parlaments der Möglichkeit ausgesetzt, daß sie aus einem geringfügigen Anlaß<lb/> von den Abgeordneten roh beschimpft werden, ohne daß der Präsident ihnen Schutz<lb/> und Genugtuung gewährt, so ist die Weiterarbeit für Männer von Selbstachtung<lb/> unmöglich. Die Journalisten der Tribüne stellten also die Berichterstattung ein,<lb/> und die überwältigende Mehrheit der deutschen Presse, der sich in erfreulicher<lb/> Solidarität auch die Presse des Auslandes angeschlossen hat, ignoriert den Reichs¬<lb/> tag vollständig. Bis zu dem Augenblick, wo diese Zeilen geschrieben werden, sind<lb/> die Vermittlungsversuche gescheitert. Es ist das um so mehr zu bedauern, als die<lb/> einzig mögliche Lösung, je weiter sie hinausgeschoben wird, desto deutlicher den<lb/> Charakter einer demütigender Erfahrung für den Reichstag und einer Schädigung<lb/> seiner Würde annimmt, während eine ehrliche und schnelle Anerkennung einer be¬<lb/> gangnen Übereilung und Ungehörigkeit niemals diese Wirkung haben könnte. Darum<lb/> hoffen wir, daß recht bald die bessere Einsicht siegen wird.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="2"> <head> Die großen christlichen Erzieher. </head> <p xml:id="ID_3112" next="#ID_3113"> D<lb/> er Gedanke, die Welt- und auch die<lb/> Kirchengeschichte in Biographien repräsentativer Männer darzustellen, ist nicht neu,<lb/> aber er ist ein guter und fruchtbarer Gedanke. B. Beß verwirklicht ihn mit Hilfe<lb/> einer Anzahl von fachmännischer Mitarbeitern in pädagogischer Absicht. Er schreibt<lb/> in der Einleitung zu dem Sammelwerk: Unsre religiösen Erzieher (Leipzig,<lb/> Quelle u. Meyer, 1908): „Wir wollen eine Sammlung lose sich aneinander reisender<lb/> Biographien der hervorragendsten Typen christlicher Frömmigkeit darbieten — eine<lb/> Sammlung, die in ihrer Zusammenfassung ein Bild der Entwicklung des Christentums<lb/> gibt, in ihren einzelnen Teilen aber den Blick schärfen soll für das in allen Wandlungen<lb/> konstante Wesen jener Frömmigkeit. Wir wollen den religiösen Unterricht ergänzen<lb/> und vertiefen, indem wir die großen religiösen Erzieher der christlichen Menschheit<lb/> Von Moses bis Bismarck in ihrer zeitgeschichtlichen Besonderheit und zugleich in<lb/> ihrer bleibenden Bedeutung für die Gegenwart vor Augen führen. Wir haben, im<lb/> übrigen von verschiedner Richtung, den gleichen, strengen wissenschaftlichen Maßstab<lb/> an unsre Arbeiten gelegt." Der erste Band enthält: Moses und die Propheten,<lb/> Jesus, Paulus, Ortgenes, Augustinus, Bernhard von Clairvaux, Franz von AM,<lb/> Heinrich Sense (Suso), Wiclif und Hus. Die Verfasser der Essays von Origenes<lb/> bis Sense (die Professoren E. Preuschen, A. Dörner, S. M. Deutsch, K. Wenk,<lb/> O. Clemen) beweisen, daß die heutige protestantische Theologie dem, was anerkennens¬<lb/> wert und verehrungswürdig ist in der alten Kirche, vollauf gerecht zu werden<lb/> vermag. Diese Anerkennung schließt natürlich nicht aus, daß die Grundauffassung<lb/> der mittelalterlichen Frommen als irrig bezeichnet wird. Bernhard, wird mit Recht<lb/> bemerkt, fühlte sich bei aller Erkenntnis der kirchlichen Schäden ganz und gar an<lb/> die Kirche (sagen wir lieber: an die Hierarchie) gebunden, und solange bei allen<lb/> bedeutenden Männern diese Stimmung vorherrschte, war eine wirkliche Kirchenreform<lb/> nicht möglich. Trotzdem ist doch anch die nachreformatorische katholische Frömmigkeit<lb/> nicht für nichts zu achten, deshalb hätte wenigstens einer der Männer, die sie ver¬<lb/> körpern, etwa Karl Borromäus oder Franz von Sales oder I. M. Salier, in den<lb/> zweiten Band aufgenommen werden müssen. Dieser enthält: Luther, Zwingli, Calvin,<lb/> Spener, Goethe und Schiller (als die zwei Männer, die das Christentum mit der<lb/> modernen Bildung versöhnen), Schleiermacher und Bismarck. Und da bemerken wir<lb/> nun eine zweite Lücke. Daß Bismarck als gläubiger Christ gestorben ist, und welche<lb/> Bedeutung sein religiöser Glaube für sein Handeln gehabt hat, das wissen wir<lb/> ja aus seinen Selbstbekenntnissen, und daß seine Persönlichkeit einen gewaltigen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0649]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Folgerung zogen. Sie sind nicht zum Vergnügen im Reichstag, sondern versehen
einen harten Dienst, ohne den der ganze Parlamentarismus zu einer lächerlichen
Rolle und zur Ohnmacht verurteilt sein würde. Sind diese ehrenwerten Mitarbeiter
des Parlaments der Möglichkeit ausgesetzt, daß sie aus einem geringfügigen Anlaß
von den Abgeordneten roh beschimpft werden, ohne daß der Präsident ihnen Schutz
und Genugtuung gewährt, so ist die Weiterarbeit für Männer von Selbstachtung
unmöglich. Die Journalisten der Tribüne stellten also die Berichterstattung ein,
und die überwältigende Mehrheit der deutschen Presse, der sich in erfreulicher
Solidarität auch die Presse des Auslandes angeschlossen hat, ignoriert den Reichs¬
tag vollständig. Bis zu dem Augenblick, wo diese Zeilen geschrieben werden, sind
die Vermittlungsversuche gescheitert. Es ist das um so mehr zu bedauern, als die
einzig mögliche Lösung, je weiter sie hinausgeschoben wird, desto deutlicher den
Charakter einer demütigender Erfahrung für den Reichstag und einer Schädigung
seiner Würde annimmt, während eine ehrliche und schnelle Anerkennung einer be¬
gangnen Übereilung und Ungehörigkeit niemals diese Wirkung haben könnte. Darum
hoffen wir, daß recht bald die bessere Einsicht siegen wird.
Die großen christlichen Erzieher. D
er Gedanke, die Welt- und auch die
Kirchengeschichte in Biographien repräsentativer Männer darzustellen, ist nicht neu,
aber er ist ein guter und fruchtbarer Gedanke. B. Beß verwirklicht ihn mit Hilfe
einer Anzahl von fachmännischer Mitarbeitern in pädagogischer Absicht. Er schreibt
in der Einleitung zu dem Sammelwerk: Unsre religiösen Erzieher (Leipzig,
Quelle u. Meyer, 1908): „Wir wollen eine Sammlung lose sich aneinander reisender
Biographien der hervorragendsten Typen christlicher Frömmigkeit darbieten — eine
Sammlung, die in ihrer Zusammenfassung ein Bild der Entwicklung des Christentums
gibt, in ihren einzelnen Teilen aber den Blick schärfen soll für das in allen Wandlungen
konstante Wesen jener Frömmigkeit. Wir wollen den religiösen Unterricht ergänzen
und vertiefen, indem wir die großen religiösen Erzieher der christlichen Menschheit
Von Moses bis Bismarck in ihrer zeitgeschichtlichen Besonderheit und zugleich in
ihrer bleibenden Bedeutung für die Gegenwart vor Augen führen. Wir haben, im
übrigen von verschiedner Richtung, den gleichen, strengen wissenschaftlichen Maßstab
an unsre Arbeiten gelegt." Der erste Band enthält: Moses und die Propheten,
Jesus, Paulus, Ortgenes, Augustinus, Bernhard von Clairvaux, Franz von AM,
Heinrich Sense (Suso), Wiclif und Hus. Die Verfasser der Essays von Origenes
bis Sense (die Professoren E. Preuschen, A. Dörner, S. M. Deutsch, K. Wenk,
O. Clemen) beweisen, daß die heutige protestantische Theologie dem, was anerkennens¬
wert und verehrungswürdig ist in der alten Kirche, vollauf gerecht zu werden
vermag. Diese Anerkennung schließt natürlich nicht aus, daß die Grundauffassung
der mittelalterlichen Frommen als irrig bezeichnet wird. Bernhard, wird mit Recht
bemerkt, fühlte sich bei aller Erkenntnis der kirchlichen Schäden ganz und gar an
die Kirche (sagen wir lieber: an die Hierarchie) gebunden, und solange bei allen
bedeutenden Männern diese Stimmung vorherrschte, war eine wirkliche Kirchenreform
nicht möglich. Trotzdem ist doch anch die nachreformatorische katholische Frömmigkeit
nicht für nichts zu achten, deshalb hätte wenigstens einer der Männer, die sie ver¬
körpern, etwa Karl Borromäus oder Franz von Sales oder I. M. Salier, in den
zweiten Band aufgenommen werden müssen. Dieser enthält: Luther, Zwingli, Calvin,
Spener, Goethe und Schiller (als die zwei Männer, die das Christentum mit der
modernen Bildung versöhnen), Schleiermacher und Bismarck. Und da bemerken wir
nun eine zweite Lücke. Daß Bismarck als gläubiger Christ gestorben ist, und welche
Bedeutung sein religiöser Glaube für sein Handeln gehabt hat, das wissen wir
ja aus seinen Selbstbekenntnissen, und daß seine Persönlichkeit einen gewaltigen
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