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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Hilfsbücher und Standardwerke

Nadolny. Das Buch gibt in Anlehnung an den deutsch-russischen Handels¬
vertrag alle Bestimmungen in übersichtlicher Form, die der Reisende in Nu߬
land, der Exporteur, der Importeur, Bankier, Gründer, Patentsucher, mit
einem Wort, die jeder zu beachten hat, der gewerblich mit Nußland zu tun
hat. Es wird wohl nur wenige Kritiker geben, die imstande wären, Herrn
Nadolny auf dem behandelten Gebiet in die Geheimnisse seines Wissens zu
folgen. In dieser Hinsicht wird die Praxis den Autor kontrollieren. Das
gleiche gilt für die Methode bei der Anordnung des Stoffes. Infolgedessen
möchte ich nur wiedergeben, was mir praktische Interessenten über das Buch
gesagt haben. Es ist seit einem halben Jahre in Petersburg in einigen
Dutzend Exemplaren in Gebrauch, u. a. auch im russischen Zolldepartement,
das seine Übertragung in die russische Sprache angeordnet hat. Die hiesigen
deutschen Kaufleute, die ich befragte, gaben durchgehends zu, daß auch alte
Praktiker noch nützliche Fingerzeige aus der Arbeit erhalten. Aus diesen
Gründen seien die Handelskammern besonders auf die Arbeit aufmerksam ge¬
macht. Sie werden zweifellos durch Hinweis auf das kleine Hilfsbuch von
Rudolf Nadolny manchem ihrer Mitglieder einen Dienst erweisen.

Das andre Buch ist von or. Martin Ludwig Schlesinger.*) Der Ver¬
leger sagt in der Ankündigung, das Werk habe das Zeug, ein Standardwerk
über Rußland zu werden, und der Autor fügt hinzu, daß seit Leroy-Beaulieu
und Wallcice noch kein Buch über Rußland in diesem Umfange unternommen
worden sei. Das ist richtig, denn das Buch umfaßt 542 große Seiten. Der
Autor legt anscheinend großen Wert auf die Methode. Denn er macht be¬
sonders darauf aufmerksam, daß die des geistreichen Franzosen veraltet sei,
während er hervorhebt, daß er von der Landbevölkerung ausgehe und die
russische Gesetzgebung vom Standpunkt des preußischen Juristen aus behandle.
Der an und für sich schon auf den Inhalt des Werks gespannte Kritiker
wird noch aufmerksamer, nachdem er gelesen, der Autor könne dem Deutschen
außer den Werken von Leroy-Beaulieu und Wallace, die vor dreißig Jahren
geschrieben wurden, kein einziges Buch über Rußland empfehlen.

So aufs höchste gespannt, beginnen wir zu lesen. In der historischen
Einführung sind drei große Richtungen des politischen Denkens, die gerade
in den letzten Jahren wieder nach Geltung streben, überhaupt mit keinem Wort
erwähnt. Zunächst vermisse ich auf S. 8/9 eine Erwähnung der oligarchischen
Bestrebungen des Adels, die in den Vorschlägen Paulus ihren bestimmten
Ausdruck fanden. Wenn der Autor das Wahlgesetz vom 3. (16.) Juni 1907
in seinen historischen Grundlagen untersucht hätte, so wäre er zurückgehend
über die Gesetze der Ssipjagin, Durnowo, Tolstoi, Walujew bei Parm an¬
gelangt. Eine solche Untersuchung war aber notwendig, wenn der Autor



*) Rußland im zwanzigsten Jahrhundert, bei Dietrich Reimer (Ernst Vohsen), Berlin, 1908.
Preis 10 Mark.
Hilfsbücher und Standardwerke

Nadolny. Das Buch gibt in Anlehnung an den deutsch-russischen Handels¬
vertrag alle Bestimmungen in übersichtlicher Form, die der Reisende in Nu߬
land, der Exporteur, der Importeur, Bankier, Gründer, Patentsucher, mit
einem Wort, die jeder zu beachten hat, der gewerblich mit Nußland zu tun
hat. Es wird wohl nur wenige Kritiker geben, die imstande wären, Herrn
Nadolny auf dem behandelten Gebiet in die Geheimnisse seines Wissens zu
folgen. In dieser Hinsicht wird die Praxis den Autor kontrollieren. Das
gleiche gilt für die Methode bei der Anordnung des Stoffes. Infolgedessen
möchte ich nur wiedergeben, was mir praktische Interessenten über das Buch
gesagt haben. Es ist seit einem halben Jahre in Petersburg in einigen
Dutzend Exemplaren in Gebrauch, u. a. auch im russischen Zolldepartement,
das seine Übertragung in die russische Sprache angeordnet hat. Die hiesigen
deutschen Kaufleute, die ich befragte, gaben durchgehends zu, daß auch alte
Praktiker noch nützliche Fingerzeige aus der Arbeit erhalten. Aus diesen
Gründen seien die Handelskammern besonders auf die Arbeit aufmerksam ge¬
macht. Sie werden zweifellos durch Hinweis auf das kleine Hilfsbuch von
Rudolf Nadolny manchem ihrer Mitglieder einen Dienst erweisen.

Das andre Buch ist von or. Martin Ludwig Schlesinger.*) Der Ver¬
leger sagt in der Ankündigung, das Werk habe das Zeug, ein Standardwerk
über Rußland zu werden, und der Autor fügt hinzu, daß seit Leroy-Beaulieu
und Wallcice noch kein Buch über Rußland in diesem Umfange unternommen
worden sei. Das ist richtig, denn das Buch umfaßt 542 große Seiten. Der
Autor legt anscheinend großen Wert auf die Methode. Denn er macht be¬
sonders darauf aufmerksam, daß die des geistreichen Franzosen veraltet sei,
während er hervorhebt, daß er von der Landbevölkerung ausgehe und die
russische Gesetzgebung vom Standpunkt des preußischen Juristen aus behandle.
Der an und für sich schon auf den Inhalt des Werks gespannte Kritiker
wird noch aufmerksamer, nachdem er gelesen, der Autor könne dem Deutschen
außer den Werken von Leroy-Beaulieu und Wallace, die vor dreißig Jahren
geschrieben wurden, kein einziges Buch über Rußland empfehlen.

So aufs höchste gespannt, beginnen wir zu lesen. In der historischen
Einführung sind drei große Richtungen des politischen Denkens, die gerade
in den letzten Jahren wieder nach Geltung streben, überhaupt mit keinem Wort
erwähnt. Zunächst vermisse ich auf S. 8/9 eine Erwähnung der oligarchischen
Bestrebungen des Adels, die in den Vorschlägen Paulus ihren bestimmten
Ausdruck fanden. Wenn der Autor das Wahlgesetz vom 3. (16.) Juni 1907
in seinen historischen Grundlagen untersucht hätte, so wäre er zurückgehend
über die Gesetze der Ssipjagin, Durnowo, Tolstoi, Walujew bei Parm an¬
gelangt. Eine solche Untersuchung war aber notwendig, wenn der Autor



*) Rußland im zwanzigsten Jahrhundert, bei Dietrich Reimer (Ernst Vohsen), Berlin, 1908.
Preis 10 Mark.
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[0614] Hilfsbücher und Standardwerke Nadolny. Das Buch gibt in Anlehnung an den deutsch-russischen Handels¬ vertrag alle Bestimmungen in übersichtlicher Form, die der Reisende in Nu߬ land, der Exporteur, der Importeur, Bankier, Gründer, Patentsucher, mit einem Wort, die jeder zu beachten hat, der gewerblich mit Nußland zu tun hat. Es wird wohl nur wenige Kritiker geben, die imstande wären, Herrn Nadolny auf dem behandelten Gebiet in die Geheimnisse seines Wissens zu folgen. In dieser Hinsicht wird die Praxis den Autor kontrollieren. Das gleiche gilt für die Methode bei der Anordnung des Stoffes. Infolgedessen möchte ich nur wiedergeben, was mir praktische Interessenten über das Buch gesagt haben. Es ist seit einem halben Jahre in Petersburg in einigen Dutzend Exemplaren in Gebrauch, u. a. auch im russischen Zolldepartement, das seine Übertragung in die russische Sprache angeordnet hat. Die hiesigen deutschen Kaufleute, die ich befragte, gaben durchgehends zu, daß auch alte Praktiker noch nützliche Fingerzeige aus der Arbeit erhalten. Aus diesen Gründen seien die Handelskammern besonders auf die Arbeit aufmerksam ge¬ macht. Sie werden zweifellos durch Hinweis auf das kleine Hilfsbuch von Rudolf Nadolny manchem ihrer Mitglieder einen Dienst erweisen. Das andre Buch ist von or. Martin Ludwig Schlesinger.*) Der Ver¬ leger sagt in der Ankündigung, das Werk habe das Zeug, ein Standardwerk über Rußland zu werden, und der Autor fügt hinzu, daß seit Leroy-Beaulieu und Wallcice noch kein Buch über Rußland in diesem Umfange unternommen worden sei. Das ist richtig, denn das Buch umfaßt 542 große Seiten. Der Autor legt anscheinend großen Wert auf die Methode. Denn er macht be¬ sonders darauf aufmerksam, daß die des geistreichen Franzosen veraltet sei, während er hervorhebt, daß er von der Landbevölkerung ausgehe und die russische Gesetzgebung vom Standpunkt des preußischen Juristen aus behandle. Der an und für sich schon auf den Inhalt des Werks gespannte Kritiker wird noch aufmerksamer, nachdem er gelesen, der Autor könne dem Deutschen außer den Werken von Leroy-Beaulieu und Wallace, die vor dreißig Jahren geschrieben wurden, kein einziges Buch über Rußland empfehlen. So aufs höchste gespannt, beginnen wir zu lesen. In der historischen Einführung sind drei große Richtungen des politischen Denkens, die gerade in den letzten Jahren wieder nach Geltung streben, überhaupt mit keinem Wort erwähnt. Zunächst vermisse ich auf S. 8/9 eine Erwähnung der oligarchischen Bestrebungen des Adels, die in den Vorschlägen Paulus ihren bestimmten Ausdruck fanden. Wenn der Autor das Wahlgesetz vom 3. (16.) Juni 1907 in seinen historischen Grundlagen untersucht hätte, so wäre er zurückgehend über die Gesetze der Ssipjagin, Durnowo, Tolstoi, Walujew bei Parm an¬ gelangt. Eine solche Untersuchung war aber notwendig, wenn der Autor *) Rußland im zwanzigsten Jahrhundert, bei Dietrich Reimer (Ernst Vohsen), Berlin, 1908. Preis 10 Mark.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/614>, abgerufen am 24.07.2024.