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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Indifferenten und Feindseligen. Sie können völlig zu den Dissidenten übergehn,
oder sie können nach der Bekanntschaft mit diesen Dingen in den ersten Jugend¬
jahren alles wieder vergessen und im übrigen von den Kirchen ungestört bleiben
bis zur völligen Unkenntnis von allen kirchlichen Dingen, ja bis zum Vergessen
der Existenz der Kirchen, wovon die Zeitungspresse und das akademische Deutsch¬
land ja auch den reichlichsten Gebrauch machen." Trotzdem werde sich dieser Zu¬
stand auf die Dauer kaum erhalten lassen, die Entwicklung strebe der Trennung
von Staat und Kirche zu. Bevor jedoch der Staat in diese willigt, müsse bei
den deutscheu Katholiken der cmtiultramontane Reformgeist durchgedrungen sein.
"Ohne das Durchdringen dieses Geistes würde die Trennung von der katholischen
Kirche nur mit Hilfe eines Knebelungsgesetzes möglich sein, das kein Mensch wünschen
kann." Die Hoffnung der Kirchenfeinde, daß nach der Trennung die Religion
verschwinden werde, sei trügerisch. Diese Hoffnung beruhe "auf, der Utopie eines
dereinst kommenden religionslosen Zustandes oder einer alle überzeugenden wissen¬
schaftlichen Ethik und Weltanschauung. Derartiges hat es nie gegeben, gibt es
heute nicht und wird es nie geben." Die Gesellschaft werde immer Religion
brauchen, darum auch Religionsunterricht; damit sei die Berechtigung der theo¬
logischen Fakultäten auch für die Zukunft gegeben. Vorausgesetzt sei dabei, daß
diese Fakultäten "christlich bleiben und sich nicht durch das Prinzip der Voraus-
setzungslosigkeit genötigt glauben, das Christentum selbst in seiner Geltung und
seinem Werte als möglichst fraglich zu behandeln". Was die Frage nach der
wissenschaftlichen Berechtigung der Theologie betrifft, so wird sie mit dem Hinweis
darauf erledigt, daß auch die Medizin, die Rechtswissenschaft und die Philologie an
der Universität weder als reine Wissenschaften noch bloß um ihres wissenschaftlichen
Wertes willen gelehrt werden. -- In Frankreich bedeutet die eben vollzogn" Trennung
von Staat und Kirche den Sieg des Geistes Voltaires; Voltaires des Kirchen¬
hassers, nicht Voltaires des Deisten, denn die Männer, die das heutige Frankreich
regieren, sind ja Atheisten. Daß der Haß Voltaires gegen die katholische Kirche
berechtigt und sein kritisches Zerstörungswerk eine Notwendigkeit war, beweist
L6on Robert in der Studie Vo1es.irs se 1'intolsiAnos rsliZisuss (I^usanns,
tZsorg'Sö IZriäsl se Lo., ?g.ris, librsiris FisLlidasQki'). Der Verfasser verfolgt die
Entwicklung des Toleranzgedankens im Leben und in den Schriften des großen
Spötters und hebt mit Recht als erklärende Ursache des Pfaffenhasses der "Philo¬
sophen" die, wie es scheint, wenig bekannte Tatsache hervor, daß gerade im
Enzyklopädistenzeitalter der Verfolgungsfanatismus noch einmal aufflammte und eine
Reihe abscheulicher Hinrichtungen durchsetzte. Die ganz verweltlichten vornehmen
Geistlichen, meint Robert, mögen das Kirchenwesen, von dem sie lebten, und das
sie bei ihrem notorischen Unglauben mit Gründen nicht verteidigen konnte, mit
Hilfe des Henkers haben aufrecht erhalten wollen. Der Verfasser, der ein gläubiger
Reformierter zu sein scheint, ist keineswegs blind gegen Voltaires Charakter¬
schwächen und Irrtümer und beschönigt sie nicht, lehrt sie jedoch milde beurteilen.
Bei aller Spottsucht und Lachlust, die er auch vor den erhabensten Gegenständen
und in tragischen Situationen nicht zügelte, hatte er ein gutes Herz und übte
werktätige Nächstenliebe. Dieses besonders in der Verteidigung und Unterstützung
der vier Justizopfer Calas, Sirven, La Barre und d'Etallonde, von denen nur
das erste allgemein bekannt geworden ist. Man übertreibt nicht, wenn man dem
dreijährigen, hartnäckigen und leidenschaftlichen Kampfe Voltaires für die Wieder¬
herstellung der Ehre des als vorgeblichen Mörders seines Sohnes von fanatisierten
Richtern gefolterten und geräderten Protestanten Catus und für die Entschädigung
seiner Familie weltgeschichtliche Bedeutung beimißt. Denn die Verderbnis der
Strafrechtspflege, die von der falschen Anwendung des römischen Rechts und von


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Indifferenten und Feindseligen. Sie können völlig zu den Dissidenten übergehn,
oder sie können nach der Bekanntschaft mit diesen Dingen in den ersten Jugend¬
jahren alles wieder vergessen und im übrigen von den Kirchen ungestört bleiben
bis zur völligen Unkenntnis von allen kirchlichen Dingen, ja bis zum Vergessen
der Existenz der Kirchen, wovon die Zeitungspresse und das akademische Deutsch¬
land ja auch den reichlichsten Gebrauch machen." Trotzdem werde sich dieser Zu¬
stand auf die Dauer kaum erhalten lassen, die Entwicklung strebe der Trennung
von Staat und Kirche zu. Bevor jedoch der Staat in diese willigt, müsse bei
den deutscheu Katholiken der cmtiultramontane Reformgeist durchgedrungen sein.
„Ohne das Durchdringen dieses Geistes würde die Trennung von der katholischen
Kirche nur mit Hilfe eines Knebelungsgesetzes möglich sein, das kein Mensch wünschen
kann." Die Hoffnung der Kirchenfeinde, daß nach der Trennung die Religion
verschwinden werde, sei trügerisch. Diese Hoffnung beruhe „auf, der Utopie eines
dereinst kommenden religionslosen Zustandes oder einer alle überzeugenden wissen¬
schaftlichen Ethik und Weltanschauung. Derartiges hat es nie gegeben, gibt es
heute nicht und wird es nie geben." Die Gesellschaft werde immer Religion
brauchen, darum auch Religionsunterricht; damit sei die Berechtigung der theo¬
logischen Fakultäten auch für die Zukunft gegeben. Vorausgesetzt sei dabei, daß
diese Fakultäten „christlich bleiben und sich nicht durch das Prinzip der Voraus-
setzungslosigkeit genötigt glauben, das Christentum selbst in seiner Geltung und
seinem Werte als möglichst fraglich zu behandeln". Was die Frage nach der
wissenschaftlichen Berechtigung der Theologie betrifft, so wird sie mit dem Hinweis
darauf erledigt, daß auch die Medizin, die Rechtswissenschaft und die Philologie an
der Universität weder als reine Wissenschaften noch bloß um ihres wissenschaftlichen
Wertes willen gelehrt werden. — In Frankreich bedeutet die eben vollzogn« Trennung
von Staat und Kirche den Sieg des Geistes Voltaires; Voltaires des Kirchen¬
hassers, nicht Voltaires des Deisten, denn die Männer, die das heutige Frankreich
regieren, sind ja Atheisten. Daß der Haß Voltaires gegen die katholische Kirche
berechtigt und sein kritisches Zerstörungswerk eine Notwendigkeit war, beweist
L6on Robert in der Studie Vo1es.irs se 1'intolsiAnos rsliZisuss (I^usanns,
tZsorg'Sö IZriäsl se Lo., ?g.ris, librsiris FisLlidasQki'). Der Verfasser verfolgt die
Entwicklung des Toleranzgedankens im Leben und in den Schriften des großen
Spötters und hebt mit Recht als erklärende Ursache des Pfaffenhasses der „Philo¬
sophen" die, wie es scheint, wenig bekannte Tatsache hervor, daß gerade im
Enzyklopädistenzeitalter der Verfolgungsfanatismus noch einmal aufflammte und eine
Reihe abscheulicher Hinrichtungen durchsetzte. Die ganz verweltlichten vornehmen
Geistlichen, meint Robert, mögen das Kirchenwesen, von dem sie lebten, und das
sie bei ihrem notorischen Unglauben mit Gründen nicht verteidigen konnte, mit
Hilfe des Henkers haben aufrecht erhalten wollen. Der Verfasser, der ein gläubiger
Reformierter zu sein scheint, ist keineswegs blind gegen Voltaires Charakter¬
schwächen und Irrtümer und beschönigt sie nicht, lehrt sie jedoch milde beurteilen.
Bei aller Spottsucht und Lachlust, die er auch vor den erhabensten Gegenständen
und in tragischen Situationen nicht zügelte, hatte er ein gutes Herz und übte
werktätige Nächstenliebe. Dieses besonders in der Verteidigung und Unterstützung
der vier Justizopfer Calas, Sirven, La Barre und d'Etallonde, von denen nur
das erste allgemein bekannt geworden ist. Man übertreibt nicht, wenn man dem
dreijährigen, hartnäckigen und leidenschaftlichen Kampfe Voltaires für die Wieder¬
herstellung der Ehre des als vorgeblichen Mörders seines Sohnes von fanatisierten
Richtern gefolterten und geräderten Protestanten Catus und für die Entschädigung
seiner Familie weltgeschichtliche Bedeutung beimißt. Denn die Verderbnis der
Strafrechtspflege, die von der falschen Anwendung des römischen Rechts und von


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[0600] Maßgebliches und Unmaßgebliches Indifferenten und Feindseligen. Sie können völlig zu den Dissidenten übergehn, oder sie können nach der Bekanntschaft mit diesen Dingen in den ersten Jugend¬ jahren alles wieder vergessen und im übrigen von den Kirchen ungestört bleiben bis zur völligen Unkenntnis von allen kirchlichen Dingen, ja bis zum Vergessen der Existenz der Kirchen, wovon die Zeitungspresse und das akademische Deutsch¬ land ja auch den reichlichsten Gebrauch machen." Trotzdem werde sich dieser Zu¬ stand auf die Dauer kaum erhalten lassen, die Entwicklung strebe der Trennung von Staat und Kirche zu. Bevor jedoch der Staat in diese willigt, müsse bei den deutscheu Katholiken der cmtiultramontane Reformgeist durchgedrungen sein. „Ohne das Durchdringen dieses Geistes würde die Trennung von der katholischen Kirche nur mit Hilfe eines Knebelungsgesetzes möglich sein, das kein Mensch wünschen kann." Die Hoffnung der Kirchenfeinde, daß nach der Trennung die Religion verschwinden werde, sei trügerisch. Diese Hoffnung beruhe „auf, der Utopie eines dereinst kommenden religionslosen Zustandes oder einer alle überzeugenden wissen¬ schaftlichen Ethik und Weltanschauung. Derartiges hat es nie gegeben, gibt es heute nicht und wird es nie geben." Die Gesellschaft werde immer Religion brauchen, darum auch Religionsunterricht; damit sei die Berechtigung der theo¬ logischen Fakultäten auch für die Zukunft gegeben. Vorausgesetzt sei dabei, daß diese Fakultäten „christlich bleiben und sich nicht durch das Prinzip der Voraus- setzungslosigkeit genötigt glauben, das Christentum selbst in seiner Geltung und seinem Werte als möglichst fraglich zu behandeln". Was die Frage nach der wissenschaftlichen Berechtigung der Theologie betrifft, so wird sie mit dem Hinweis darauf erledigt, daß auch die Medizin, die Rechtswissenschaft und die Philologie an der Universität weder als reine Wissenschaften noch bloß um ihres wissenschaftlichen Wertes willen gelehrt werden. — In Frankreich bedeutet die eben vollzogn« Trennung von Staat und Kirche den Sieg des Geistes Voltaires; Voltaires des Kirchen¬ hassers, nicht Voltaires des Deisten, denn die Männer, die das heutige Frankreich regieren, sind ja Atheisten. Daß der Haß Voltaires gegen die katholische Kirche berechtigt und sein kritisches Zerstörungswerk eine Notwendigkeit war, beweist L6on Robert in der Studie Vo1es.irs se 1'intolsiAnos rsliZisuss (I^usanns, tZsorg'Sö IZriäsl se Lo., ?g.ris, librsiris FisLlidasQki'). Der Verfasser verfolgt die Entwicklung des Toleranzgedankens im Leben und in den Schriften des großen Spötters und hebt mit Recht als erklärende Ursache des Pfaffenhasses der „Philo¬ sophen" die, wie es scheint, wenig bekannte Tatsache hervor, daß gerade im Enzyklopädistenzeitalter der Verfolgungsfanatismus noch einmal aufflammte und eine Reihe abscheulicher Hinrichtungen durchsetzte. Die ganz verweltlichten vornehmen Geistlichen, meint Robert, mögen das Kirchenwesen, von dem sie lebten, und das sie bei ihrem notorischen Unglauben mit Gründen nicht verteidigen konnte, mit Hilfe des Henkers haben aufrecht erhalten wollen. Der Verfasser, der ein gläubiger Reformierter zu sein scheint, ist keineswegs blind gegen Voltaires Charakter¬ schwächen und Irrtümer und beschönigt sie nicht, lehrt sie jedoch milde beurteilen. Bei aller Spottsucht und Lachlust, die er auch vor den erhabensten Gegenständen und in tragischen Situationen nicht zügelte, hatte er ein gutes Herz und übte werktätige Nächstenliebe. Dieses besonders in der Verteidigung und Unterstützung der vier Justizopfer Calas, Sirven, La Barre und d'Etallonde, von denen nur das erste allgemein bekannt geworden ist. Man übertreibt nicht, wenn man dem dreijährigen, hartnäckigen und leidenschaftlichen Kampfe Voltaires für die Wieder¬ herstellung der Ehre des als vorgeblichen Mörders seines Sohnes von fanatisierten Richtern gefolterten und geräderten Protestanten Catus und für die Entschädigung seiner Familie weltgeschichtliche Bedeutung beimißt. Denn die Verderbnis der Strafrechtspflege, die von der falschen Anwendung des römischen Rechts und von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/600>, abgerufen am 01.07.2024.