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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Der Ranipf gegen die Korruption der Polizei in Newyork

Wenn trotzdem keine Woche vergeht, ohne daß man in den Newyorker
Zeitungen von der Aufhebung von Poolrooms, Bordellen usw. liest, so ist dies
darauf zurückzuführen, daß die Polizei dem Publikum gern Sand in die Augen
streut. Denn der größere Teil der Öffentlichkeit glaubt natürlich, daß die
Polizei außerordentlich wachsam sei und ihre Pflicht vorzüglich erfülle, wenn
alle paar Tage eine solche Nachricht in der Zeitung steht. Sehr häufig aber
handelt es sich dabei um abgekartete Dinge, wenn natürlich auch ab und zu
eine regelrechte Aushebung von Poolrooms und Bordellen durch ein paar
ehrliche Polizisten erfolgt. Der Outlook schätzt, daß ein Polizeicaptain, dessen
Gewissen keine moralischen Beschwerden kennt, monatlich etwa 4000 Mark außer
seinem Gehalt einnimmt, der Polizeiinspektor von denselben Eigenschaften dagegen
ungefähr drei- oder viermal so viel.

Die höchsten Einnahmen können von den Detective Sergecmts (Kriminal¬
kommissären) erreicht werden. Der Outlook behauptet geradezu, daß jeder Kriminal¬
kommissar einen Verbrecher an der Hand habe, der ihm Auskunft usw. verschaffe
und dafür die Freiheit genieße, aus dem von ihm besonders erkornen Gebiet des
Verbrechens straflos tätig zu sein. Nicht selten entsteht Freundschaft zwischen
ihnen, und der "Stoot" macht den Kriminalkommissar mit einigen seiner ver¬
trautesten Freunde bekannt. So erweitern sich die geselligen Beziehungen immer
mehr, und man kommt dazu, sich gegenseitig beim Vornamen zu rufen und gut
freund miteinander zu sein. Diese Beziehungen sollen sich bis zu einem wirk¬
lichen System erweitert haben. So erlauben zum Beispiel die Kriminalkommissäre
den Taschendieben, in bestimmten Bezirken tätig zu sein, und drohen ihnen nur
dann mit Verhaftung, wenn sie nicht einen bestimmten Prozentsatz ihrer Beute
hergeben. Mit großen Diebstählen allerdings hat die Polizei direkt nichts zu
tun, weil das Risiko zu groß ist. Sie erhält aber ihren Anteil doch durch Ver¬
mittlung der sogenannten toueös, d. h. Geschäfte, in denen gestohlene Sachen
von einem Hehler aufbewahrt werden. Der zahlt dann dem Kriminalkommissar
seine Abgaben für die Erlaubnis, die Hehlerei zu betreiben -- ganz ähnlich wie
die Poolrooms den Polizeicaptains ihre Abgaben entrichten.

Die Kriminalkommissare arbeiten immer zu zweien zusammen. Ereignet sich
nun der Fall, daß sie über die Verteilung einer bestimmten Beute nicht einig
werden können, so soll es häusig vorkommen, daß der eine aus Rache den
"Stoot" des andern arretiert.

Die Beziehungen der leichtern Verbrecherwelt zu den Kriminalkommissaren
der Stadt Newyork sind deshalb die denkbar besten -- soweit es sich um die
Zahl derer handelt, die der Bestechung zugänglich sind. Taucht aber einmal ein
Krinnnalkommissar auf, der es auf ehrliche Weise versucht und sich von dem
Verbrecherpack nicht schmieren läßt, so suchen sich die Verbrecher eine recht
genaue Personalkenntnis dieses Mannes zu verschaffen. Wird zum Beispiel eine
Anzahl von Kriminalkommissaren zusammengerufen, um bestimmte Instruktionen
zu empfangen, so lungern die Verbrecher in der Nähe des betreffenden Polizei¬
bureaus herum -- durch ihre guten Freunde unter den Polizeikommissaren haben


Der Ranipf gegen die Korruption der Polizei in Newyork

Wenn trotzdem keine Woche vergeht, ohne daß man in den Newyorker
Zeitungen von der Aufhebung von Poolrooms, Bordellen usw. liest, so ist dies
darauf zurückzuführen, daß die Polizei dem Publikum gern Sand in die Augen
streut. Denn der größere Teil der Öffentlichkeit glaubt natürlich, daß die
Polizei außerordentlich wachsam sei und ihre Pflicht vorzüglich erfülle, wenn
alle paar Tage eine solche Nachricht in der Zeitung steht. Sehr häufig aber
handelt es sich dabei um abgekartete Dinge, wenn natürlich auch ab und zu
eine regelrechte Aushebung von Poolrooms und Bordellen durch ein paar
ehrliche Polizisten erfolgt. Der Outlook schätzt, daß ein Polizeicaptain, dessen
Gewissen keine moralischen Beschwerden kennt, monatlich etwa 4000 Mark außer
seinem Gehalt einnimmt, der Polizeiinspektor von denselben Eigenschaften dagegen
ungefähr drei- oder viermal so viel.

Die höchsten Einnahmen können von den Detective Sergecmts (Kriminal¬
kommissären) erreicht werden. Der Outlook behauptet geradezu, daß jeder Kriminal¬
kommissar einen Verbrecher an der Hand habe, der ihm Auskunft usw. verschaffe
und dafür die Freiheit genieße, aus dem von ihm besonders erkornen Gebiet des
Verbrechens straflos tätig zu sein. Nicht selten entsteht Freundschaft zwischen
ihnen, und der „Stoot" macht den Kriminalkommissar mit einigen seiner ver¬
trautesten Freunde bekannt. So erweitern sich die geselligen Beziehungen immer
mehr, und man kommt dazu, sich gegenseitig beim Vornamen zu rufen und gut
freund miteinander zu sein. Diese Beziehungen sollen sich bis zu einem wirk¬
lichen System erweitert haben. So erlauben zum Beispiel die Kriminalkommissäre
den Taschendieben, in bestimmten Bezirken tätig zu sein, und drohen ihnen nur
dann mit Verhaftung, wenn sie nicht einen bestimmten Prozentsatz ihrer Beute
hergeben. Mit großen Diebstählen allerdings hat die Polizei direkt nichts zu
tun, weil das Risiko zu groß ist. Sie erhält aber ihren Anteil doch durch Ver¬
mittlung der sogenannten toueös, d. h. Geschäfte, in denen gestohlene Sachen
von einem Hehler aufbewahrt werden. Der zahlt dann dem Kriminalkommissar
seine Abgaben für die Erlaubnis, die Hehlerei zu betreiben — ganz ähnlich wie
die Poolrooms den Polizeicaptains ihre Abgaben entrichten.

Die Kriminalkommissare arbeiten immer zu zweien zusammen. Ereignet sich
nun der Fall, daß sie über die Verteilung einer bestimmten Beute nicht einig
werden können, so soll es häusig vorkommen, daß der eine aus Rache den
„Stoot" des andern arretiert.

Die Beziehungen der leichtern Verbrecherwelt zu den Kriminalkommissaren
der Stadt Newyork sind deshalb die denkbar besten — soweit es sich um die
Zahl derer handelt, die der Bestechung zugänglich sind. Taucht aber einmal ein
Krinnnalkommissar auf, der es auf ehrliche Weise versucht und sich von dem
Verbrecherpack nicht schmieren läßt, so suchen sich die Verbrecher eine recht
genaue Personalkenntnis dieses Mannes zu verschaffen. Wird zum Beispiel eine
Anzahl von Kriminalkommissaren zusammengerufen, um bestimmte Instruktionen
zu empfangen, so lungern die Verbrecher in der Nähe des betreffenden Polizei¬
bureaus herum — durch ihre guten Freunde unter den Polizeikommissaren haben


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[0418] Der Ranipf gegen die Korruption der Polizei in Newyork Wenn trotzdem keine Woche vergeht, ohne daß man in den Newyorker Zeitungen von der Aufhebung von Poolrooms, Bordellen usw. liest, so ist dies darauf zurückzuführen, daß die Polizei dem Publikum gern Sand in die Augen streut. Denn der größere Teil der Öffentlichkeit glaubt natürlich, daß die Polizei außerordentlich wachsam sei und ihre Pflicht vorzüglich erfülle, wenn alle paar Tage eine solche Nachricht in der Zeitung steht. Sehr häufig aber handelt es sich dabei um abgekartete Dinge, wenn natürlich auch ab und zu eine regelrechte Aushebung von Poolrooms und Bordellen durch ein paar ehrliche Polizisten erfolgt. Der Outlook schätzt, daß ein Polizeicaptain, dessen Gewissen keine moralischen Beschwerden kennt, monatlich etwa 4000 Mark außer seinem Gehalt einnimmt, der Polizeiinspektor von denselben Eigenschaften dagegen ungefähr drei- oder viermal so viel. Die höchsten Einnahmen können von den Detective Sergecmts (Kriminal¬ kommissären) erreicht werden. Der Outlook behauptet geradezu, daß jeder Kriminal¬ kommissar einen Verbrecher an der Hand habe, der ihm Auskunft usw. verschaffe und dafür die Freiheit genieße, aus dem von ihm besonders erkornen Gebiet des Verbrechens straflos tätig zu sein. Nicht selten entsteht Freundschaft zwischen ihnen, und der „Stoot" macht den Kriminalkommissar mit einigen seiner ver¬ trautesten Freunde bekannt. So erweitern sich die geselligen Beziehungen immer mehr, und man kommt dazu, sich gegenseitig beim Vornamen zu rufen und gut freund miteinander zu sein. Diese Beziehungen sollen sich bis zu einem wirk¬ lichen System erweitert haben. So erlauben zum Beispiel die Kriminalkommissäre den Taschendieben, in bestimmten Bezirken tätig zu sein, und drohen ihnen nur dann mit Verhaftung, wenn sie nicht einen bestimmten Prozentsatz ihrer Beute hergeben. Mit großen Diebstählen allerdings hat die Polizei direkt nichts zu tun, weil das Risiko zu groß ist. Sie erhält aber ihren Anteil doch durch Ver¬ mittlung der sogenannten toueös, d. h. Geschäfte, in denen gestohlene Sachen von einem Hehler aufbewahrt werden. Der zahlt dann dem Kriminalkommissar seine Abgaben für die Erlaubnis, die Hehlerei zu betreiben — ganz ähnlich wie die Poolrooms den Polizeicaptains ihre Abgaben entrichten. Die Kriminalkommissare arbeiten immer zu zweien zusammen. Ereignet sich nun der Fall, daß sie über die Verteilung einer bestimmten Beute nicht einig werden können, so soll es häusig vorkommen, daß der eine aus Rache den „Stoot" des andern arretiert. Die Beziehungen der leichtern Verbrecherwelt zu den Kriminalkommissaren der Stadt Newyork sind deshalb die denkbar besten — soweit es sich um die Zahl derer handelt, die der Bestechung zugänglich sind. Taucht aber einmal ein Krinnnalkommissar auf, der es auf ehrliche Weise versucht und sich von dem Verbrecherpack nicht schmieren läßt, so suchen sich die Verbrecher eine recht genaue Personalkenntnis dieses Mannes zu verschaffen. Wird zum Beispiel eine Anzahl von Kriminalkommissaren zusammengerufen, um bestimmte Instruktionen zu empfangen, so lungern die Verbrecher in der Nähe des betreffenden Polizei¬ bureaus herum — durch ihre guten Freunde unter den Polizeikommissaren haben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/418>, abgerufen am 29.06.2024.