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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Die Mssiml laiMö Z!'iÄll^aiLv in Lhina

Chinesen besonders für die exakten Wissenschaften bekannt ist. Erleichtert
wird den Franzosen die neue Arbeit sicher dadurch, daß sie in den jungen
Leuten, die von der eben genannten Vorschule kommen, einen recht ansehn¬
lichen Vorrat brauchbarer Schüler vorfinden. Auf der andern Seite besitzt
Frankreich in den Ärzten, die seit langer Zeit in Jndochina weilen und die
Sitten des Volkes und seine Sprache kennen, ein ungemein brauchbares Lehrer¬
material, das nach den Behauptungen der Franzosen sogar in China sehr ge¬
schätzt wird, wohin seit längerer Zeit schon aus der französischen Kolonie viele
Ärzte übersiedeln. So gibt es seit langem mit Erfolg praktizierende fran¬
zösische Ärzte in Pakhoi, Kanton, Peking, Tschingtu, Junnanfu, Longtschau
und andern Orten. Überall gründeten sie Polikliniken, in denen sie neben
der rein ärztlichen Tätigkeit die politische Propaganda für die französische
Nachbarkolonie und den französischen Einfluß nicht vergaßen. Sie nutzten
ein paar sensationelle Heilungen aus, um die Mandarinen in ihren Kunden¬
kreis zu ziehen, was sehr wichtig ist. Denn man weiß, mit welchem Respekt
der Chinese die regierende Klasse betrachtet. Und auf diese Weise gelang es
ihnen, als Professoren in amtliche Unterrichtsanstalten zu gelangen. So
wurde Doktor Legendre Professor an der militärischen Medizinschule von
Tschingtu im Setschucm, brachte bei der Erneuerung seines Kontrakts im letzten
Dezember zwei weitere Landsleute hinein und setzte durch, daß die Unterrichts¬
verwaltung das Versprechen abgab, daß für den Fall, daß man weiterer aus¬
wärtiger Professoren bedürfe, vorzugsweise Franzosen genommen werden sollen.
In Kanton besteht ein ganz modernes französisches Hospital, woran dessen
Leiter, Doktor Dupuy, jüngst eine Medizinschule gliederte, die schon zahlreiche
Schüler aufweist und nun durch den Zusammenschluß mit der alten Pichonschule
eine weitere Entwicklung erfahren soll.

Daß die Franzosen daneben schon zahlreiche Vorschulen in China haben,
ist auch in den beiden oben erwähnten Artikeln über die deutsche Kulturarbeit
auseinandergesetzt worden. Und angesichts der deutschen und englischen Rührig¬
keit will auch die Riffian laiaue ^ran^ise nicht auf ihren Lorbeeren aus¬
ruhen. Sie plant neue Schulen in den Provinzen Knäng-Tong und Kiang-Si
und auf der Insel Hai-mein. Und zwar nach dem Muster der französischen
städtischen Schulen von Tim-thir und Schanghai, in denen jährlich zwei¬
tausend Chinesen Französisch lernen und dreihundert es darin doch so weit
bringen, daß sie es gut versteh" und hinreichend sprechen, wie die Revue- ac
l'snseiMsinönt oolcmig.1 in einem lehrreichen Artikel über die französischen
Volksschulen in China darlegt. Übrigens schicken seit 1905 die Mandarinen
der chinesischen Grenzprovinz Junnan chinesische Studenten nach Hanoi, der
Hauptstadt Tonkins, damit sie dort Französisch lernen. Und von dort kommen
Tonkinesen und Franzosen zurück, um sich das Chinesische anzueignen.

Aus dieser kurz zusammenfassenden, aber alles Wesentliche bringenden
Darstellung geht hervor, daß zwischen China und der französischen indo¬
chinesischen Kolonie ein lebhafter intellektueller Verkehr über die Grenze hinüber


Die Mssiml laiMö Z!'iÄll^aiLv in Lhina

Chinesen besonders für die exakten Wissenschaften bekannt ist. Erleichtert
wird den Franzosen die neue Arbeit sicher dadurch, daß sie in den jungen
Leuten, die von der eben genannten Vorschule kommen, einen recht ansehn¬
lichen Vorrat brauchbarer Schüler vorfinden. Auf der andern Seite besitzt
Frankreich in den Ärzten, die seit langer Zeit in Jndochina weilen und die
Sitten des Volkes und seine Sprache kennen, ein ungemein brauchbares Lehrer¬
material, das nach den Behauptungen der Franzosen sogar in China sehr ge¬
schätzt wird, wohin seit längerer Zeit schon aus der französischen Kolonie viele
Ärzte übersiedeln. So gibt es seit langem mit Erfolg praktizierende fran¬
zösische Ärzte in Pakhoi, Kanton, Peking, Tschingtu, Junnanfu, Longtschau
und andern Orten. Überall gründeten sie Polikliniken, in denen sie neben
der rein ärztlichen Tätigkeit die politische Propaganda für die französische
Nachbarkolonie und den französischen Einfluß nicht vergaßen. Sie nutzten
ein paar sensationelle Heilungen aus, um die Mandarinen in ihren Kunden¬
kreis zu ziehen, was sehr wichtig ist. Denn man weiß, mit welchem Respekt
der Chinese die regierende Klasse betrachtet. Und auf diese Weise gelang es
ihnen, als Professoren in amtliche Unterrichtsanstalten zu gelangen. So
wurde Doktor Legendre Professor an der militärischen Medizinschule von
Tschingtu im Setschucm, brachte bei der Erneuerung seines Kontrakts im letzten
Dezember zwei weitere Landsleute hinein und setzte durch, daß die Unterrichts¬
verwaltung das Versprechen abgab, daß für den Fall, daß man weiterer aus¬
wärtiger Professoren bedürfe, vorzugsweise Franzosen genommen werden sollen.
In Kanton besteht ein ganz modernes französisches Hospital, woran dessen
Leiter, Doktor Dupuy, jüngst eine Medizinschule gliederte, die schon zahlreiche
Schüler aufweist und nun durch den Zusammenschluß mit der alten Pichonschule
eine weitere Entwicklung erfahren soll.

Daß die Franzosen daneben schon zahlreiche Vorschulen in China haben,
ist auch in den beiden oben erwähnten Artikeln über die deutsche Kulturarbeit
auseinandergesetzt worden. Und angesichts der deutschen und englischen Rührig¬
keit will auch die Riffian laiaue ^ran^ise nicht auf ihren Lorbeeren aus¬
ruhen. Sie plant neue Schulen in den Provinzen Knäng-Tong und Kiang-Si
und auf der Insel Hai-mein. Und zwar nach dem Muster der französischen
städtischen Schulen von Tim-thir und Schanghai, in denen jährlich zwei¬
tausend Chinesen Französisch lernen und dreihundert es darin doch so weit
bringen, daß sie es gut versteh» und hinreichend sprechen, wie die Revue- ac
l'snseiMsinönt oolcmig.1 in einem lehrreichen Artikel über die französischen
Volksschulen in China darlegt. Übrigens schicken seit 1905 die Mandarinen
der chinesischen Grenzprovinz Junnan chinesische Studenten nach Hanoi, der
Hauptstadt Tonkins, damit sie dort Französisch lernen. Und von dort kommen
Tonkinesen und Franzosen zurück, um sich das Chinesische anzueignen.

Aus dieser kurz zusammenfassenden, aber alles Wesentliche bringenden
Darstellung geht hervor, daß zwischen China und der französischen indo¬
chinesischen Kolonie ein lebhafter intellektueller Verkehr über die Grenze hinüber


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[0416] Die Mssiml laiMö Z!'iÄll^aiLv in Lhina Chinesen besonders für die exakten Wissenschaften bekannt ist. Erleichtert wird den Franzosen die neue Arbeit sicher dadurch, daß sie in den jungen Leuten, die von der eben genannten Vorschule kommen, einen recht ansehn¬ lichen Vorrat brauchbarer Schüler vorfinden. Auf der andern Seite besitzt Frankreich in den Ärzten, die seit langer Zeit in Jndochina weilen und die Sitten des Volkes und seine Sprache kennen, ein ungemein brauchbares Lehrer¬ material, das nach den Behauptungen der Franzosen sogar in China sehr ge¬ schätzt wird, wohin seit längerer Zeit schon aus der französischen Kolonie viele Ärzte übersiedeln. So gibt es seit langem mit Erfolg praktizierende fran¬ zösische Ärzte in Pakhoi, Kanton, Peking, Tschingtu, Junnanfu, Longtschau und andern Orten. Überall gründeten sie Polikliniken, in denen sie neben der rein ärztlichen Tätigkeit die politische Propaganda für die französische Nachbarkolonie und den französischen Einfluß nicht vergaßen. Sie nutzten ein paar sensationelle Heilungen aus, um die Mandarinen in ihren Kunden¬ kreis zu ziehen, was sehr wichtig ist. Denn man weiß, mit welchem Respekt der Chinese die regierende Klasse betrachtet. Und auf diese Weise gelang es ihnen, als Professoren in amtliche Unterrichtsanstalten zu gelangen. So wurde Doktor Legendre Professor an der militärischen Medizinschule von Tschingtu im Setschucm, brachte bei der Erneuerung seines Kontrakts im letzten Dezember zwei weitere Landsleute hinein und setzte durch, daß die Unterrichts¬ verwaltung das Versprechen abgab, daß für den Fall, daß man weiterer aus¬ wärtiger Professoren bedürfe, vorzugsweise Franzosen genommen werden sollen. In Kanton besteht ein ganz modernes französisches Hospital, woran dessen Leiter, Doktor Dupuy, jüngst eine Medizinschule gliederte, die schon zahlreiche Schüler aufweist und nun durch den Zusammenschluß mit der alten Pichonschule eine weitere Entwicklung erfahren soll. Daß die Franzosen daneben schon zahlreiche Vorschulen in China haben, ist auch in den beiden oben erwähnten Artikeln über die deutsche Kulturarbeit auseinandergesetzt worden. Und angesichts der deutschen und englischen Rührig¬ keit will auch die Riffian laiaue ^ran^ise nicht auf ihren Lorbeeren aus¬ ruhen. Sie plant neue Schulen in den Provinzen Knäng-Tong und Kiang-Si und auf der Insel Hai-mein. Und zwar nach dem Muster der französischen städtischen Schulen von Tim-thir und Schanghai, in denen jährlich zwei¬ tausend Chinesen Französisch lernen und dreihundert es darin doch so weit bringen, daß sie es gut versteh» und hinreichend sprechen, wie die Revue- ac l'snseiMsinönt oolcmig.1 in einem lehrreichen Artikel über die französischen Volksschulen in China darlegt. Übrigens schicken seit 1905 die Mandarinen der chinesischen Grenzprovinz Junnan chinesische Studenten nach Hanoi, der Hauptstadt Tonkins, damit sie dort Französisch lernen. Und von dort kommen Tonkinesen und Franzosen zurück, um sich das Chinesische anzueignen. Aus dieser kurz zusammenfassenden, aber alles Wesentliche bringenden Darstellung geht hervor, daß zwischen China und der französischen indo¬ chinesischen Kolonie ein lebhafter intellektueller Verkehr über die Grenze hinüber

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/416>, abgerufen am 29.06.2024.