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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Die Mission I-UMv ?rauoiusö in China

daß im Lauf der letzten Jahre die Tätigkeit der Nission laiaue ?rü.nhg,is<z,
deren Vorsitzender und sxiritug reotor der Pariser Geschichtsprofessor A. Aulard,
einer der allerschärfsten Antiklerikalen des modernen Frankreichs, ist, immer
weiter um sich griff. Und zwar in China ganz in dem Sinne, worin später
auch die deutsche Kulturarbeit begann, soweit sie konfessionslos blieb.

Neben den vielen Schulen für Sprache, Handel, Technik und Medizin,
die im ganzen Orient schon unter ihrem Schutze stehn, wird die französische
Laienmission jetzt auch das Patronat einer französischen Universität über¬
nehmen, die man in Schanghai gründen will. Der erste Gedanke dieser
Gründung ging von dem französischen Generalkonsul Ratard aus, der damit
offenbar gegen die großartige deutsche Stiftung der Medizinschule von Schanghai
ankämpfen will. Schanghai ist allerdings des Schweißes der Edeln wert.
Beträgt doch sein Handel fast ein Drittel des Gesamthandels Chinas, steht
doch seine Bevölkerung seit vielen Jahren in engem Verkehr mit Europäern
und ist für jeden Fortschritt zu haben, und ist doch auch seine Presse dank
dem Regime der fremden Konzessionen unabhängig und freiheitlich gesinnt.
Außerdem gibt es hier zahlreiche chinesische und europäische höhere Schulen.
Für eine Universität ist es also wie geschaffen.

Die französische Konzession von Schanghai ist die blühendste aller fran¬
zösischen Konzessionen im Reich der Mitte und hat ein Budget von 1^ Millionen
Franken. Ihr Munizipalrat hat soeben eine" jährlichen Zuschuß von 25000 Taels
oder 87500 Franken für die neu zu gründende französische Universität be¬
schlossen. Und es ist ganz sicher, daß sich die französische Regierung nicht
lumpen lassen, sondern einen entsprechenden Zuschuß leisten wird. Der Plan
umfaßt zwei Teile. Erstens will man eine städtische Vorschule gründen, in
der die Kinder von Franzosen und französischen Schutzbefohlnen unterrrichtet
werden sollen. Auch will man die schon bestehende franko-chinesische Schule
reorganisieren. Beide Schulen sollen ihre Krönung in Handelskursen finden,
die die jungen Kolonialfranzosen genügend fortbilden werden, um ihnen die
Ausbildungsreise nach Frankreich zu ersparen. Zweitens aber soll eine eigent¬
liche franko-chinesische Universität für die jungen Chinesen geschaffen werden,
die sich dem Mandarinat, der Medizin und den exakten Wissenschaften widmen
wollen. Die Gründung verfolgt nicht allein rein kulturell-ideale, sondern auch
ganz praktisch-politische Zwecke. Man will sich durch den intensiven Unterricht
eine Klientel heranbilden, die selber begreift und den übrigen Chinesen bei¬
bringen soll, daß Frankreich nicht die geringsten bösen Absichten auf China
hat, trotzdem es in den stammverwandten Kolonien sein Nachbar ist. Auch
auf die Beilegung innerer chinesischer Unruhen, die, soweit sie wenigstens an
oder in der Nähe der Grenze vor sich gehn, auf die indochinesische Kolonie
Frankreichs einen bösen Einfluß haben könnten, sollen bei Gelegenheit diese
Franzosenschüler hinwirken. Für sie also soll eine Medizinschule und eine
Schule für Kunst und Gewerbe geschaffen werden, da die Neigung der


Die Mission I-UMv ?rauoiusö in China

daß im Lauf der letzten Jahre die Tätigkeit der Nission laiaue ?rü.nhg,is<z,
deren Vorsitzender und sxiritug reotor der Pariser Geschichtsprofessor A. Aulard,
einer der allerschärfsten Antiklerikalen des modernen Frankreichs, ist, immer
weiter um sich griff. Und zwar in China ganz in dem Sinne, worin später
auch die deutsche Kulturarbeit begann, soweit sie konfessionslos blieb.

Neben den vielen Schulen für Sprache, Handel, Technik und Medizin,
die im ganzen Orient schon unter ihrem Schutze stehn, wird die französische
Laienmission jetzt auch das Patronat einer französischen Universität über¬
nehmen, die man in Schanghai gründen will. Der erste Gedanke dieser
Gründung ging von dem französischen Generalkonsul Ratard aus, der damit
offenbar gegen die großartige deutsche Stiftung der Medizinschule von Schanghai
ankämpfen will. Schanghai ist allerdings des Schweißes der Edeln wert.
Beträgt doch sein Handel fast ein Drittel des Gesamthandels Chinas, steht
doch seine Bevölkerung seit vielen Jahren in engem Verkehr mit Europäern
und ist für jeden Fortschritt zu haben, und ist doch auch seine Presse dank
dem Regime der fremden Konzessionen unabhängig und freiheitlich gesinnt.
Außerdem gibt es hier zahlreiche chinesische und europäische höhere Schulen.
Für eine Universität ist es also wie geschaffen.

Die französische Konzession von Schanghai ist die blühendste aller fran¬
zösischen Konzessionen im Reich der Mitte und hat ein Budget von 1^ Millionen
Franken. Ihr Munizipalrat hat soeben eine» jährlichen Zuschuß von 25000 Taels
oder 87500 Franken für die neu zu gründende französische Universität be¬
schlossen. Und es ist ganz sicher, daß sich die französische Regierung nicht
lumpen lassen, sondern einen entsprechenden Zuschuß leisten wird. Der Plan
umfaßt zwei Teile. Erstens will man eine städtische Vorschule gründen, in
der die Kinder von Franzosen und französischen Schutzbefohlnen unterrrichtet
werden sollen. Auch will man die schon bestehende franko-chinesische Schule
reorganisieren. Beide Schulen sollen ihre Krönung in Handelskursen finden,
die die jungen Kolonialfranzosen genügend fortbilden werden, um ihnen die
Ausbildungsreise nach Frankreich zu ersparen. Zweitens aber soll eine eigent¬
liche franko-chinesische Universität für die jungen Chinesen geschaffen werden,
die sich dem Mandarinat, der Medizin und den exakten Wissenschaften widmen
wollen. Die Gründung verfolgt nicht allein rein kulturell-ideale, sondern auch
ganz praktisch-politische Zwecke. Man will sich durch den intensiven Unterricht
eine Klientel heranbilden, die selber begreift und den übrigen Chinesen bei¬
bringen soll, daß Frankreich nicht die geringsten bösen Absichten auf China
hat, trotzdem es in den stammverwandten Kolonien sein Nachbar ist. Auch
auf die Beilegung innerer chinesischer Unruhen, die, soweit sie wenigstens an
oder in der Nähe der Grenze vor sich gehn, auf die indochinesische Kolonie
Frankreichs einen bösen Einfluß haben könnten, sollen bei Gelegenheit diese
Franzosenschüler hinwirken. Für sie also soll eine Medizinschule und eine
Schule für Kunst und Gewerbe geschaffen werden, da die Neigung der


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[0415] Die Mission I-UMv ?rauoiusö in China daß im Lauf der letzten Jahre die Tätigkeit der Nission laiaue ?rü.nhg,is<z, deren Vorsitzender und sxiritug reotor der Pariser Geschichtsprofessor A. Aulard, einer der allerschärfsten Antiklerikalen des modernen Frankreichs, ist, immer weiter um sich griff. Und zwar in China ganz in dem Sinne, worin später auch die deutsche Kulturarbeit begann, soweit sie konfessionslos blieb. Neben den vielen Schulen für Sprache, Handel, Technik und Medizin, die im ganzen Orient schon unter ihrem Schutze stehn, wird die französische Laienmission jetzt auch das Patronat einer französischen Universität über¬ nehmen, die man in Schanghai gründen will. Der erste Gedanke dieser Gründung ging von dem französischen Generalkonsul Ratard aus, der damit offenbar gegen die großartige deutsche Stiftung der Medizinschule von Schanghai ankämpfen will. Schanghai ist allerdings des Schweißes der Edeln wert. Beträgt doch sein Handel fast ein Drittel des Gesamthandels Chinas, steht doch seine Bevölkerung seit vielen Jahren in engem Verkehr mit Europäern und ist für jeden Fortschritt zu haben, und ist doch auch seine Presse dank dem Regime der fremden Konzessionen unabhängig und freiheitlich gesinnt. Außerdem gibt es hier zahlreiche chinesische und europäische höhere Schulen. Für eine Universität ist es also wie geschaffen. Die französische Konzession von Schanghai ist die blühendste aller fran¬ zösischen Konzessionen im Reich der Mitte und hat ein Budget von 1^ Millionen Franken. Ihr Munizipalrat hat soeben eine» jährlichen Zuschuß von 25000 Taels oder 87500 Franken für die neu zu gründende französische Universität be¬ schlossen. Und es ist ganz sicher, daß sich die französische Regierung nicht lumpen lassen, sondern einen entsprechenden Zuschuß leisten wird. Der Plan umfaßt zwei Teile. Erstens will man eine städtische Vorschule gründen, in der die Kinder von Franzosen und französischen Schutzbefohlnen unterrrichtet werden sollen. Auch will man die schon bestehende franko-chinesische Schule reorganisieren. Beide Schulen sollen ihre Krönung in Handelskursen finden, die die jungen Kolonialfranzosen genügend fortbilden werden, um ihnen die Ausbildungsreise nach Frankreich zu ersparen. Zweitens aber soll eine eigent¬ liche franko-chinesische Universität für die jungen Chinesen geschaffen werden, die sich dem Mandarinat, der Medizin und den exakten Wissenschaften widmen wollen. Die Gründung verfolgt nicht allein rein kulturell-ideale, sondern auch ganz praktisch-politische Zwecke. Man will sich durch den intensiven Unterricht eine Klientel heranbilden, die selber begreift und den übrigen Chinesen bei¬ bringen soll, daß Frankreich nicht die geringsten bösen Absichten auf China hat, trotzdem es in den stammverwandten Kolonien sein Nachbar ist. Auch auf die Beilegung innerer chinesischer Unruhen, die, soweit sie wenigstens an oder in der Nähe der Grenze vor sich gehn, auf die indochinesische Kolonie Frankreichs einen bösen Einfluß haben könnten, sollen bei Gelegenheit diese Franzosenschüler hinwirken. Für sie also soll eine Medizinschule und eine Schule für Kunst und Gewerbe geschaffen werden, da die Neigung der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/415>, abgerufen am 01.07.2024.