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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Aoloniale Liiigeborilenpolitik und 2trbeiterfrage

einer Wirtschaft in unserm Sinne geschaffen. Zu regelmäßiger Arbeit muß er
aber zunächst erst erzogen werden. Und das ist unsre Kulturaufgabe.

Übrigens darf hier ein sehr wichtiger Punkt nicht außer acht gelassen
werden. Aller paar Jahre verspätet sich in Ostafrika einmal der Regen oder
bleibt ganz aus. Die sich daraus ergebende Mißernte trifft die Neger regel¬
mäßig unvorbereitet. Die Folge ist jedesmal eine große Teuerung oder Hungers¬
not, die die Bevölkerung dezimiert und gesundheitlich herunterbringt. Die Er¬
ziehung zu regelmäßiger Arbeit, zur Vorsorge für teure Zeiten, liegt also ganz
im Rahmen der vom Staatssekretär Dernburg mit Recht so sehr betonten Be¬
strebungen zur Hebung der gesundheitlichen Verhältnisse der Eingebornen, durch
die die in den Zeiten des Sklavenhandels verringerte Bevölkerung allmählich
wieder vermehrt werden soll. Das ist die soziale Seite der Frage.

Wir haben aber auch eine nationale Pflicht. Diese besteht darin, daß wir zur
Hebung der Eingebornen unsrer Kolonien Wege einschlagen, die unsrer National¬
wirtschaft einen vollgewichtigen Anteil an den Früchten unsrer Kulturarbeit sichern.
Frei herausgesagt: wir kolonisieren nicht für die Neger, sondern in erster Linie
für uns.

Von vornherein muß betont werden, daß der Eingeborne in den Gebieten,
die zur Produktion von Erzeugnissen für den Weltmarkt, z. B. Baumwolle,
Kautschuk usw., geeignet sind, nach Möglichkeit als selbständiger Unternehmer
auszuschalten ist. Als solcher leistet er höchstens den dritten Teil wie als Arbeiter
von europäischen Unternehmungen. Außerdem bringt er ein ungleichmüßiges und
niinderwertiges Produkt auf den Markt. Baumwolle ist für den Neger Baum¬
wolle, für die Qualität hat er keinen Sinn; er ist zufrieden, wenn er so viel dafür
bekommt, wie er gerade braucht, und er wird im Notfall vielleicht die Menge
zu steigern versuchen, niemals aber größere Sorgfalt bei der Arbeit walten lassen.
Dies gilt nicht nur für Baumwolle und Kautschuk, sondern auch für alle andern
Produkte, wie Kakao, Sisal, Kaffee, Tabak, ja sogar Kopra, ausgenommen
vielleicht Erdnüsse. In Landstrichen mit vorwiegender Plantagenkultur beschränkt
man den Neger, soweit er selbständig ist, am besten auf die Produktion von
Lebensmitteln für den örtlichen Verbrauch. Wo dies nicht mehr durchführbar
ist, wo sich, wie in Togo, das Land schon vorwiegend in Händen der Eingebornen
befindet, bleibt freilich nichts andres mehr übrig, als durch besondre Maßnahmen
fortgesetzt auf die Eingebornen einzuwirken, daß sie bei der Produktion weniger
auf die Menge als auf die Güte der Ware sehn. Ob der Erfolg der Mühe
entspricht, ist eine andre Frage.

Es scheint mir für unsre Kolonien von besondrer Wichtigkeit zu sein, daß
sie in die Lage versetzt werden, Qualitätsware auf den Markt zu liefern, damit
wir vielleicht mit der Zeit auf diesen einen gewissen Einfluß gewinnen.

Dies wird nur erreicht, wenn die koloniale Produktion in möglichst großem
Umfange in Händen europäischer Unternehmer liegt. Der Eingeborne fährt
dabei nicht schlecht, denn als unselbständiger Arbeiter ist er von den Schwankungen


Aoloniale Liiigeborilenpolitik und 2trbeiterfrage

einer Wirtschaft in unserm Sinne geschaffen. Zu regelmäßiger Arbeit muß er
aber zunächst erst erzogen werden. Und das ist unsre Kulturaufgabe.

Übrigens darf hier ein sehr wichtiger Punkt nicht außer acht gelassen
werden. Aller paar Jahre verspätet sich in Ostafrika einmal der Regen oder
bleibt ganz aus. Die sich daraus ergebende Mißernte trifft die Neger regel¬
mäßig unvorbereitet. Die Folge ist jedesmal eine große Teuerung oder Hungers¬
not, die die Bevölkerung dezimiert und gesundheitlich herunterbringt. Die Er¬
ziehung zu regelmäßiger Arbeit, zur Vorsorge für teure Zeiten, liegt also ganz
im Rahmen der vom Staatssekretär Dernburg mit Recht so sehr betonten Be¬
strebungen zur Hebung der gesundheitlichen Verhältnisse der Eingebornen, durch
die die in den Zeiten des Sklavenhandels verringerte Bevölkerung allmählich
wieder vermehrt werden soll. Das ist die soziale Seite der Frage.

Wir haben aber auch eine nationale Pflicht. Diese besteht darin, daß wir zur
Hebung der Eingebornen unsrer Kolonien Wege einschlagen, die unsrer National¬
wirtschaft einen vollgewichtigen Anteil an den Früchten unsrer Kulturarbeit sichern.
Frei herausgesagt: wir kolonisieren nicht für die Neger, sondern in erster Linie
für uns.

Von vornherein muß betont werden, daß der Eingeborne in den Gebieten,
die zur Produktion von Erzeugnissen für den Weltmarkt, z. B. Baumwolle,
Kautschuk usw., geeignet sind, nach Möglichkeit als selbständiger Unternehmer
auszuschalten ist. Als solcher leistet er höchstens den dritten Teil wie als Arbeiter
von europäischen Unternehmungen. Außerdem bringt er ein ungleichmüßiges und
niinderwertiges Produkt auf den Markt. Baumwolle ist für den Neger Baum¬
wolle, für die Qualität hat er keinen Sinn; er ist zufrieden, wenn er so viel dafür
bekommt, wie er gerade braucht, und er wird im Notfall vielleicht die Menge
zu steigern versuchen, niemals aber größere Sorgfalt bei der Arbeit walten lassen.
Dies gilt nicht nur für Baumwolle und Kautschuk, sondern auch für alle andern
Produkte, wie Kakao, Sisal, Kaffee, Tabak, ja sogar Kopra, ausgenommen
vielleicht Erdnüsse. In Landstrichen mit vorwiegender Plantagenkultur beschränkt
man den Neger, soweit er selbständig ist, am besten auf die Produktion von
Lebensmitteln für den örtlichen Verbrauch. Wo dies nicht mehr durchführbar
ist, wo sich, wie in Togo, das Land schon vorwiegend in Händen der Eingebornen
befindet, bleibt freilich nichts andres mehr übrig, als durch besondre Maßnahmen
fortgesetzt auf die Eingebornen einzuwirken, daß sie bei der Produktion weniger
auf die Menge als auf die Güte der Ware sehn. Ob der Erfolg der Mühe
entspricht, ist eine andre Frage.

Es scheint mir für unsre Kolonien von besondrer Wichtigkeit zu sein, daß
sie in die Lage versetzt werden, Qualitätsware auf den Markt zu liefern, damit
wir vielleicht mit der Zeit auf diesen einen gewissen Einfluß gewinnen.

Dies wird nur erreicht, wenn die koloniale Produktion in möglichst großem
Umfange in Händen europäischer Unternehmer liegt. Der Eingeborne fährt
dabei nicht schlecht, denn als unselbständiger Arbeiter ist er von den Schwankungen


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[0408] Aoloniale Liiigeborilenpolitik und 2trbeiterfrage einer Wirtschaft in unserm Sinne geschaffen. Zu regelmäßiger Arbeit muß er aber zunächst erst erzogen werden. Und das ist unsre Kulturaufgabe. Übrigens darf hier ein sehr wichtiger Punkt nicht außer acht gelassen werden. Aller paar Jahre verspätet sich in Ostafrika einmal der Regen oder bleibt ganz aus. Die sich daraus ergebende Mißernte trifft die Neger regel¬ mäßig unvorbereitet. Die Folge ist jedesmal eine große Teuerung oder Hungers¬ not, die die Bevölkerung dezimiert und gesundheitlich herunterbringt. Die Er¬ ziehung zu regelmäßiger Arbeit, zur Vorsorge für teure Zeiten, liegt also ganz im Rahmen der vom Staatssekretär Dernburg mit Recht so sehr betonten Be¬ strebungen zur Hebung der gesundheitlichen Verhältnisse der Eingebornen, durch die die in den Zeiten des Sklavenhandels verringerte Bevölkerung allmählich wieder vermehrt werden soll. Das ist die soziale Seite der Frage. Wir haben aber auch eine nationale Pflicht. Diese besteht darin, daß wir zur Hebung der Eingebornen unsrer Kolonien Wege einschlagen, die unsrer National¬ wirtschaft einen vollgewichtigen Anteil an den Früchten unsrer Kulturarbeit sichern. Frei herausgesagt: wir kolonisieren nicht für die Neger, sondern in erster Linie für uns. Von vornherein muß betont werden, daß der Eingeborne in den Gebieten, die zur Produktion von Erzeugnissen für den Weltmarkt, z. B. Baumwolle, Kautschuk usw., geeignet sind, nach Möglichkeit als selbständiger Unternehmer auszuschalten ist. Als solcher leistet er höchstens den dritten Teil wie als Arbeiter von europäischen Unternehmungen. Außerdem bringt er ein ungleichmüßiges und niinderwertiges Produkt auf den Markt. Baumwolle ist für den Neger Baum¬ wolle, für die Qualität hat er keinen Sinn; er ist zufrieden, wenn er so viel dafür bekommt, wie er gerade braucht, und er wird im Notfall vielleicht die Menge zu steigern versuchen, niemals aber größere Sorgfalt bei der Arbeit walten lassen. Dies gilt nicht nur für Baumwolle und Kautschuk, sondern auch für alle andern Produkte, wie Kakao, Sisal, Kaffee, Tabak, ja sogar Kopra, ausgenommen vielleicht Erdnüsse. In Landstrichen mit vorwiegender Plantagenkultur beschränkt man den Neger, soweit er selbständig ist, am besten auf die Produktion von Lebensmitteln für den örtlichen Verbrauch. Wo dies nicht mehr durchführbar ist, wo sich, wie in Togo, das Land schon vorwiegend in Händen der Eingebornen befindet, bleibt freilich nichts andres mehr übrig, als durch besondre Maßnahmen fortgesetzt auf die Eingebornen einzuwirken, daß sie bei der Produktion weniger auf die Menge als auf die Güte der Ware sehn. Ob der Erfolg der Mühe entspricht, ist eine andre Frage. Es scheint mir für unsre Kolonien von besondrer Wichtigkeit zu sein, daß sie in die Lage versetzt werden, Qualitätsware auf den Markt zu liefern, damit wir vielleicht mit der Zeit auf diesen einen gewissen Einfluß gewinnen. Dies wird nur erreicht, wenn die koloniale Produktion in möglichst großem Umfange in Händen europäischer Unternehmer liegt. Der Eingeborne fährt dabei nicht schlecht, denn als unselbständiger Arbeiter ist er von den Schwankungen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/408>, abgerufen am 24.08.2024.