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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Adel und Lauern in Gsteurojxi

seine sämtlichen Güter einzuziehen.^) Wenn man dieses Vorgehn des Kaisers
-- und es sind noch ähnliche Fülle überliefert -- zu hart und gewalttätig findet,
so muß man bedenken, daß gerade der kleinasiatische Landadel von einem ma߬
losen Dünkel erfüllt war und, wie aus einem konkreten Falle hervorgeht, auf
die aus dem europäischen Westen des Reiches stammenden Staatsmänner und
Feldherren als weniger Mich herabsah. Es gähnte hier eine ganz ähnliche
soziale Kluft wie zwischen dem West- und dem ostelbischcn Preußen, nur daß
jene Kluft in Byzanz zu einer politischen wurde, da die meisten Usurpatoren
aus jenem Feudaladel hervorgingen, der dem Reiche schließlich das Grab ge¬
graben hat. "Auf den Sieg des Großgrundbesitzes, sagt Neumann, gingen im
Grunde alle innerpolitischen Erschütterungen dieser Zeiten zurück", wie umge¬
kehrt die Blüte des Reiches parallel geht mit der Erhaltung des kleinen Grund¬
besitzes.

Es ist hier noch einer Gattung von Gütern zu gedenken, deren Schutz für
die Regierung eine Lebensfrage war, um derentwillen sie auch vornehmlich den
Kampf gegen den Grundadel aufnahm, deren rechte Benutzung im Interesse der
staatlichen Konsolidierung aber doch erst den Türken vorbehalten blieb. Es
waren dies die sogenannten Soldgüter, das heißt Lündereien, die nach römischem
Muster den zum Kriegsdienste Verpflichteten anstatt des Soldes als Lehen zu^
gewiesen wurden, von denen sie Unterhalt und Ausrüstung zu bestreikn hatten,
und die nicht veräußert werden durften, vor allem nicht an die "Mächtigen".
Dies geschah aber dennoch; denn da die Offiziere aus der Klasse der Ver¬
mögenden genommen wurden, diese aber Grundbesitzer waren, so kam es vor,
daß sie, "die Macht des militärischen Vorgesetzten mißbrauchend, den Unter¬
gebnen ihr Land abnahmen und sie dafür militärfrei machten"^") -- man sieht,
das Bestechungswesen stand schon in Byzanz in voller Blüte und brauchte von
der Türkei und Rußland nur übernommen zu werden. Man war sich aber
wenigstens der Gefahr dieser Zustände bewußt, wenn es in einem Gesetze heißt,
ein solches Verfahren sei schlimmer als das der Bären, die "vor Hunger ihre
eignen Pfoten anbeißen".^)

Beständen nun auch diese Güter bis zum Fall des Reiches, so waren sie
doch zu sehr von fremden Elementen durchsetzt, als daß sich jene Institution
daraus entwickelt hätte, die leider ganz Osteuropa fremd geblieben ist, und deren
Fehlen hier dieselben verhängnisvollen Folgen hatte, wie ihr Vorhandensein in
Westeuropa für dieses segensreich wurde -- das Lehnswesen. Gerade dieses
hat ja "durch Aufteilung der Grundrente die germanisch-romanische Welt vor
den sozialen Übeln bewahrt, welche dem unvermittelter Gegensatz zwischen Gro߬
grundbesitz und Pauperismus entspringen". 1')





Nach C. Ncumaim, Weltstellung des byzantinischen Reiches, S. 59,
--
") C. Neumann a. a. O. S. 55. -- ) a. a. O. S, 55.
se Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte 1, 209 f.
Adel und Lauern in Gsteurojxi

seine sämtlichen Güter einzuziehen.^) Wenn man dieses Vorgehn des Kaisers
— und es sind noch ähnliche Fülle überliefert — zu hart und gewalttätig findet,
so muß man bedenken, daß gerade der kleinasiatische Landadel von einem ma߬
losen Dünkel erfüllt war und, wie aus einem konkreten Falle hervorgeht, auf
die aus dem europäischen Westen des Reiches stammenden Staatsmänner und
Feldherren als weniger Mich herabsah. Es gähnte hier eine ganz ähnliche
soziale Kluft wie zwischen dem West- und dem ostelbischcn Preußen, nur daß
jene Kluft in Byzanz zu einer politischen wurde, da die meisten Usurpatoren
aus jenem Feudaladel hervorgingen, der dem Reiche schließlich das Grab ge¬
graben hat. „Auf den Sieg des Großgrundbesitzes, sagt Neumann, gingen im
Grunde alle innerpolitischen Erschütterungen dieser Zeiten zurück", wie umge¬
kehrt die Blüte des Reiches parallel geht mit der Erhaltung des kleinen Grund¬
besitzes.

Es ist hier noch einer Gattung von Gütern zu gedenken, deren Schutz für
die Regierung eine Lebensfrage war, um derentwillen sie auch vornehmlich den
Kampf gegen den Grundadel aufnahm, deren rechte Benutzung im Interesse der
staatlichen Konsolidierung aber doch erst den Türken vorbehalten blieb. Es
waren dies die sogenannten Soldgüter, das heißt Lündereien, die nach römischem
Muster den zum Kriegsdienste Verpflichteten anstatt des Soldes als Lehen zu^
gewiesen wurden, von denen sie Unterhalt und Ausrüstung zu bestreikn hatten,
und die nicht veräußert werden durften, vor allem nicht an die „Mächtigen".
Dies geschah aber dennoch; denn da die Offiziere aus der Klasse der Ver¬
mögenden genommen wurden, diese aber Grundbesitzer waren, so kam es vor,
daß sie, „die Macht des militärischen Vorgesetzten mißbrauchend, den Unter¬
gebnen ihr Land abnahmen und sie dafür militärfrei machten"^") — man sieht,
das Bestechungswesen stand schon in Byzanz in voller Blüte und brauchte von
der Türkei und Rußland nur übernommen zu werden. Man war sich aber
wenigstens der Gefahr dieser Zustände bewußt, wenn es in einem Gesetze heißt,
ein solches Verfahren sei schlimmer als das der Bären, die „vor Hunger ihre
eignen Pfoten anbeißen".^)

Beständen nun auch diese Güter bis zum Fall des Reiches, so waren sie
doch zu sehr von fremden Elementen durchsetzt, als daß sich jene Institution
daraus entwickelt hätte, die leider ganz Osteuropa fremd geblieben ist, und deren
Fehlen hier dieselben verhängnisvollen Folgen hatte, wie ihr Vorhandensein in
Westeuropa für dieses segensreich wurde — das Lehnswesen. Gerade dieses
hat ja „durch Aufteilung der Grundrente die germanisch-romanische Welt vor
den sozialen Übeln bewahrt, welche dem unvermittelter Gegensatz zwischen Gro߬
grundbesitz und Pauperismus entspringen". 1')





Nach C. Ncumaim, Weltstellung des byzantinischen Reiches, S. 59,
«) C. Neumann a. a. O. S. 55. — ) a. a. O. S, 55.
se Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte 1, 209 f.
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[0366] Adel und Lauern in Gsteurojxi seine sämtlichen Güter einzuziehen.^) Wenn man dieses Vorgehn des Kaisers — und es sind noch ähnliche Fülle überliefert — zu hart und gewalttätig findet, so muß man bedenken, daß gerade der kleinasiatische Landadel von einem ma߬ losen Dünkel erfüllt war und, wie aus einem konkreten Falle hervorgeht, auf die aus dem europäischen Westen des Reiches stammenden Staatsmänner und Feldherren als weniger Mich herabsah. Es gähnte hier eine ganz ähnliche soziale Kluft wie zwischen dem West- und dem ostelbischcn Preußen, nur daß jene Kluft in Byzanz zu einer politischen wurde, da die meisten Usurpatoren aus jenem Feudaladel hervorgingen, der dem Reiche schließlich das Grab ge¬ graben hat. „Auf den Sieg des Großgrundbesitzes, sagt Neumann, gingen im Grunde alle innerpolitischen Erschütterungen dieser Zeiten zurück", wie umge¬ kehrt die Blüte des Reiches parallel geht mit der Erhaltung des kleinen Grund¬ besitzes. Es ist hier noch einer Gattung von Gütern zu gedenken, deren Schutz für die Regierung eine Lebensfrage war, um derentwillen sie auch vornehmlich den Kampf gegen den Grundadel aufnahm, deren rechte Benutzung im Interesse der staatlichen Konsolidierung aber doch erst den Türken vorbehalten blieb. Es waren dies die sogenannten Soldgüter, das heißt Lündereien, die nach römischem Muster den zum Kriegsdienste Verpflichteten anstatt des Soldes als Lehen zu^ gewiesen wurden, von denen sie Unterhalt und Ausrüstung zu bestreikn hatten, und die nicht veräußert werden durften, vor allem nicht an die „Mächtigen". Dies geschah aber dennoch; denn da die Offiziere aus der Klasse der Ver¬ mögenden genommen wurden, diese aber Grundbesitzer waren, so kam es vor, daß sie, „die Macht des militärischen Vorgesetzten mißbrauchend, den Unter¬ gebnen ihr Land abnahmen und sie dafür militärfrei machten"^") — man sieht, das Bestechungswesen stand schon in Byzanz in voller Blüte und brauchte von der Türkei und Rußland nur übernommen zu werden. Man war sich aber wenigstens der Gefahr dieser Zustände bewußt, wenn es in einem Gesetze heißt, ein solches Verfahren sei schlimmer als das der Bären, die „vor Hunger ihre eignen Pfoten anbeißen".^) Beständen nun auch diese Güter bis zum Fall des Reiches, so waren sie doch zu sehr von fremden Elementen durchsetzt, als daß sich jene Institution daraus entwickelt hätte, die leider ganz Osteuropa fremd geblieben ist, und deren Fehlen hier dieselben verhängnisvollen Folgen hatte, wie ihr Vorhandensein in Westeuropa für dieses segensreich wurde — das Lehnswesen. Gerade dieses hat ja „durch Aufteilung der Grundrente die germanisch-romanische Welt vor den sozialen Übeln bewahrt, welche dem unvermittelter Gegensatz zwischen Gro߬ grundbesitz und Pauperismus entspringen". 1') Nach C. Ncumaim, Weltstellung des byzantinischen Reiches, S. 59, — «) C. Neumann a. a. O. S. 55. — ) a. a. O. S, 55. se Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte 1, 209 f.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/366>, abgerufen am 22.07.2024.