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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Adel und Lauern i" Gsteuropa

So günstig dieses System übrigens in sozialer Hinsicht gewirkt hat. indem
es der Erhaltung einer freien Bauernschaft förderlich war. so schädlich ist es
doch in rein agrarisch-ökonomischer Hinsicht; denn es bewirkt, "daß der Kollige
zwar möglichst viel, aber auch mit möglichst geringem Arbeitsaufwand zu be¬
stellen sucht. . . , Aus dem Halbpachtsystem folgt daher mit Notwendigkeit die
Zweifelderwirtschaft, da sich der erschöpfte Boden nur durch die Bräche und gleich¬
zeitige Düngung durch das weidende Vieh wieder kräftigen kaun."

Im übrigen herrscht in Griechenland überwiegend Selbstbewirtschaftung,
sogar da, wo der Großgrundbesitz herrscht, wie in Thessalien, und zwar heben
sich hier diese freien Dörfer schon äußerlich vorteilhaft von den übrigen ab:
,.es sind diejenigen, die Bäume besitzen, wo der europäische Pflug den hesiodischen
ersetzt hat. wo die Bauern beredsamer, fröhlicher, kulturfähiger, religiöser und
echte Hellenen sind." "")

Die wohltätigen Bestimmungen des Leoschen Agrargesetzes wurde" aber
bald illusorisch durch das ungeheure Anwachsen des weltlichen und geistlichen
Großgrundbesitzes- Kloster- und Rittergüter verdrängten immer mehr die freien
Bauernhöfe, deren Besitzer von den reichen Kapitalisten einfach ausgekauft
wurden und zu bloßen Hörigen ihrer geistlichen oder weltlichen Herren herab¬
sanken. So standen die Dinge am Anfang des zehnten Jahrhunderts, als
Kaiser Romanus Lakapeuos mit einer Reihe strenger Gesetze den Kampf auf¬
nahm "gegen die den Staatsinteressen so nachteilige Unterdrückung des freien
grundbesitzenden Bauernstandes durch die am'^ro/ (die Mächtigen) -- ein Kampf,
der bis an das Ende des zehnten Jahrhunderts gedauert hat".*"")

Das wichtigste dieser Gesetze war das unter den Folgen einer große"
Hungersnot im Jahre 934 an die Großgrundbesitzer, geistliche und weltliche,
erlassene Verbot, Bauerngüter zu erwerben, sei es durch Kauf, Schenkung oder
Erbschaft, widrigenfalls sie ohne Entschädigung wieder herauszugeben seien.
Dieses Gesetz blieb zwar drei Jahrhunderte lang in Kraft, erwies sich aber den
tatsächlichen Verhältnissen gegenüber schließlich doch als machtlos und kam
gerade in der kritischsten Zeit des Reiches, nach der lateinischen Eroberung
(1204), außer Gebrauch. Vorläufig aber ging man scharf vor, am schärfsten,
nach einem vorübergehenden Rückfall, unter Basilios dem Zweiten am Ende des
zehnten Jahrhunderts. Damals drohte der Landadel geradezu staatsgefährlich
zu werden, vor allem in Kleinasien, dem Kernlande des Reiches. Hier gab es
Güter von der Größe ganzer Fürstentümer, und ein solcher Großgrundbesitzer
in Kappadokier konnte den Kaiser mit seinem ganzen Heere, als es aus Syrien
zurückkehrte, aufnehmen und verpflegen! Der Kaiser lud ihn zum Dank nach
Konstantinopel ein, aber nur, um ihn nicht wieder fortzulassen und inzwischen





') Chalikiopulos, Wirtschaftsgeographie Thessaliens: Geographische Zeitschrift 1905,
S. 459.
") DecasoS a. a. O. S. 54.
"-) Z. v. Lingenthal. Geschichte des griechisch-römischen Rechts, S. 2Ku f.
Grenzboten I 1908 47
Adel und Lauern i» Gsteuropa

So günstig dieses System übrigens in sozialer Hinsicht gewirkt hat. indem
es der Erhaltung einer freien Bauernschaft förderlich war. so schädlich ist es
doch in rein agrarisch-ökonomischer Hinsicht; denn es bewirkt, „daß der Kollige
zwar möglichst viel, aber auch mit möglichst geringem Arbeitsaufwand zu be¬
stellen sucht. . . , Aus dem Halbpachtsystem folgt daher mit Notwendigkeit die
Zweifelderwirtschaft, da sich der erschöpfte Boden nur durch die Bräche und gleich¬
zeitige Düngung durch das weidende Vieh wieder kräftigen kaun."

Im übrigen herrscht in Griechenland überwiegend Selbstbewirtschaftung,
sogar da, wo der Großgrundbesitz herrscht, wie in Thessalien, und zwar heben
sich hier diese freien Dörfer schon äußerlich vorteilhaft von den übrigen ab:
,.es sind diejenigen, die Bäume besitzen, wo der europäische Pflug den hesiodischen
ersetzt hat. wo die Bauern beredsamer, fröhlicher, kulturfähiger, religiöser und
echte Hellenen sind." "")

Die wohltätigen Bestimmungen des Leoschen Agrargesetzes wurde» aber
bald illusorisch durch das ungeheure Anwachsen des weltlichen und geistlichen
Großgrundbesitzes- Kloster- und Rittergüter verdrängten immer mehr die freien
Bauernhöfe, deren Besitzer von den reichen Kapitalisten einfach ausgekauft
wurden und zu bloßen Hörigen ihrer geistlichen oder weltlichen Herren herab¬
sanken. So standen die Dinge am Anfang des zehnten Jahrhunderts, als
Kaiser Romanus Lakapeuos mit einer Reihe strenger Gesetze den Kampf auf¬
nahm „gegen die den Staatsinteressen so nachteilige Unterdrückung des freien
grundbesitzenden Bauernstandes durch die am'^ro/ (die Mächtigen) — ein Kampf,
der bis an das Ende des zehnten Jahrhunderts gedauert hat".*"")

Das wichtigste dieser Gesetze war das unter den Folgen einer große»
Hungersnot im Jahre 934 an die Großgrundbesitzer, geistliche und weltliche,
erlassene Verbot, Bauerngüter zu erwerben, sei es durch Kauf, Schenkung oder
Erbschaft, widrigenfalls sie ohne Entschädigung wieder herauszugeben seien.
Dieses Gesetz blieb zwar drei Jahrhunderte lang in Kraft, erwies sich aber den
tatsächlichen Verhältnissen gegenüber schließlich doch als machtlos und kam
gerade in der kritischsten Zeit des Reiches, nach der lateinischen Eroberung
(1204), außer Gebrauch. Vorläufig aber ging man scharf vor, am schärfsten,
nach einem vorübergehenden Rückfall, unter Basilios dem Zweiten am Ende des
zehnten Jahrhunderts. Damals drohte der Landadel geradezu staatsgefährlich
zu werden, vor allem in Kleinasien, dem Kernlande des Reiches. Hier gab es
Güter von der Größe ganzer Fürstentümer, und ein solcher Großgrundbesitzer
in Kappadokier konnte den Kaiser mit seinem ganzen Heere, als es aus Syrien
zurückkehrte, aufnehmen und verpflegen! Der Kaiser lud ihn zum Dank nach
Konstantinopel ein, aber nur, um ihn nicht wieder fortzulassen und inzwischen





') Chalikiopulos, Wirtschaftsgeographie Thessaliens: Geographische Zeitschrift 1905,
S. 459.
") DecasoS a. a. O. S. 54.
«-) Z. v. Lingenthal. Geschichte des griechisch-römischen Rechts, S. 2Ku f.
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[0365] Adel und Lauern i» Gsteuropa So günstig dieses System übrigens in sozialer Hinsicht gewirkt hat. indem es der Erhaltung einer freien Bauernschaft förderlich war. so schädlich ist es doch in rein agrarisch-ökonomischer Hinsicht; denn es bewirkt, „daß der Kollige zwar möglichst viel, aber auch mit möglichst geringem Arbeitsaufwand zu be¬ stellen sucht. . . , Aus dem Halbpachtsystem folgt daher mit Notwendigkeit die Zweifelderwirtschaft, da sich der erschöpfte Boden nur durch die Bräche und gleich¬ zeitige Düngung durch das weidende Vieh wieder kräftigen kaun." Im übrigen herrscht in Griechenland überwiegend Selbstbewirtschaftung, sogar da, wo der Großgrundbesitz herrscht, wie in Thessalien, und zwar heben sich hier diese freien Dörfer schon äußerlich vorteilhaft von den übrigen ab: ,.es sind diejenigen, die Bäume besitzen, wo der europäische Pflug den hesiodischen ersetzt hat. wo die Bauern beredsamer, fröhlicher, kulturfähiger, religiöser und echte Hellenen sind." "") Die wohltätigen Bestimmungen des Leoschen Agrargesetzes wurde» aber bald illusorisch durch das ungeheure Anwachsen des weltlichen und geistlichen Großgrundbesitzes- Kloster- und Rittergüter verdrängten immer mehr die freien Bauernhöfe, deren Besitzer von den reichen Kapitalisten einfach ausgekauft wurden und zu bloßen Hörigen ihrer geistlichen oder weltlichen Herren herab¬ sanken. So standen die Dinge am Anfang des zehnten Jahrhunderts, als Kaiser Romanus Lakapeuos mit einer Reihe strenger Gesetze den Kampf auf¬ nahm „gegen die den Staatsinteressen so nachteilige Unterdrückung des freien grundbesitzenden Bauernstandes durch die am'^ro/ (die Mächtigen) — ein Kampf, der bis an das Ende des zehnten Jahrhunderts gedauert hat".*"") Das wichtigste dieser Gesetze war das unter den Folgen einer große» Hungersnot im Jahre 934 an die Großgrundbesitzer, geistliche und weltliche, erlassene Verbot, Bauerngüter zu erwerben, sei es durch Kauf, Schenkung oder Erbschaft, widrigenfalls sie ohne Entschädigung wieder herauszugeben seien. Dieses Gesetz blieb zwar drei Jahrhunderte lang in Kraft, erwies sich aber den tatsächlichen Verhältnissen gegenüber schließlich doch als machtlos und kam gerade in der kritischsten Zeit des Reiches, nach der lateinischen Eroberung (1204), außer Gebrauch. Vorläufig aber ging man scharf vor, am schärfsten, nach einem vorübergehenden Rückfall, unter Basilios dem Zweiten am Ende des zehnten Jahrhunderts. Damals drohte der Landadel geradezu staatsgefährlich zu werden, vor allem in Kleinasien, dem Kernlande des Reiches. Hier gab es Güter von der Größe ganzer Fürstentümer, und ein solcher Großgrundbesitzer in Kappadokier konnte den Kaiser mit seinem ganzen Heere, als es aus Syrien zurückkehrte, aufnehmen und verpflegen! Der Kaiser lud ihn zum Dank nach Konstantinopel ein, aber nur, um ihn nicht wieder fortzulassen und inzwischen ') Chalikiopulos, Wirtschaftsgeographie Thessaliens: Geographische Zeitschrift 1905, S. 459. ") DecasoS a. a. O. S. 54. «-) Z. v. Lingenthal. Geschichte des griechisch-römischen Rechts, S. 2Ku f. Grenzboten I 1908 47

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/365>, abgerufen am 22.07.2024.