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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Die Minterausstellung der Akademie der Runste in Berlin

Kraus, Meyerheim und Hertel; Skulpturen von Otto Lessing, Manzel und
Breuer vertragen die Nachbarschaft von Gaul und Tuaillon; die Architekten
Theodor Fischer und Otto March stellen geschlossen mit Otzen und Schwechten
aus. Das so geschaffne Bild ist einheitlicher, als man bei der Nennung solcher
Namen annehmen dürfte: als geschickte Regisseure haben die Veranstalter dieser
Ausstellung es verstanden, zu dämpfen und abzutönen, hier zu unterstreichen
und da abzuwinken, mit dem Licht der Bühnensonne und mit szenischen Ver¬
dunklungen zu arbeiten. Im vorigen Jahre hatte man besonders die auswärtigen
Akademiemitglieder herangezogen; diesmal beschränkte man sich auf die Mitwirkung
der einheimischen, denen je zwei Kunstwerke nach eigner Wahl einzusenden er¬
laubt war; einige Gäste aus Berlin selbst, aus München, Dresden und andern
Kunststädten, aus dem Auslande nur Sargent, reihen sich an. Also keine der
üblichen Massenansammlungen, wie gerade die Akademie sie früher ins Leben
rief, sondern eine gewühlte Galerie von noch nicht hundert Kunstwerken. Zu¬
gegeben, daß Ausstellungen, wie sie alljährlich am Lehrter Bahnhof und im
Münchner Glaspalast stattfinden, aus sozialen Gründen fortbestehn müssen, so
hindert doch nichts den Kunstfreund, diese meinem Kammermusikfeste der Kunst
in der Art des von Kampf und dem Akademiesekretär Professor Justi veran¬
stalteten den geräuschvollen Militärkonzerten mit Schlachtenmusik und Kanonen¬
donner vorzuziehn.

Man fühlt deutlich, wie das Kaiser-Friedrich-Museum und die seiner
Gründung vorausgegangnen vorbildlichen Ausstellungen alter Kunst aus Berliner
Privatbesitz auch für die Darbietungen moderner Kunst Schule machen. Auch
im Akademiepalast haben Teppiche und Gobelins, eine zweckmäßige Verteilung
plastischer Kunstwerke zwischen den Gemälden, kurz ein deutlich erkennbares Zu¬
sammenstimmen jene die Empfänglichkeit steigernde Gesamtwirkung hervorgebracht,
die weit entfernt ist von der gewaltsamen Stimmungsmache, wie sie einst Lenbach,
darin ein Neuerer, bevorzugte, und wie sie in andrer Form jetzt von gewissen
Berliner Kunstsalons in Szene gesetzt wird. Ein sichrer Takt vermied das
Zuviel.

Als Sohn amerikanischer Eltern in Florenz geboren, tätig in London, ver¬
körpert John Singer Sargent, dessen Vertretung gleich im ersten Saal den
Erfolg dieser Ausstellung beim Publikum besiegelte, so recht das Produkt einer
internationalen künstlerischen, besser vielleicht artistischen Kultur. Man begreift
hier den außerordentlichen Erfolg, den dieser ALutleiriÄN-xg-mehr bei dem ver¬
wöhntesten Publikum der Welt, dem englischen Hochadel, hatte, und -- man
bedauert ihn. Sargent versprach einmal mehr als ein Modeporträtist zu werden.
Gewiß, seine Palette ist immer noch so glänzend wie in den Jahren, da er
Gemälde wie das berühmte (^ruMon, I-it^, I,it^, Rose (jetzt im Besitz der Royal
Academy in London) und die spanischen Tänzerinnen vom Jahre 1882 M
5g.leo) schuf, sie ist sogar selbständiger geworden und erinnert nur noch ge¬
legentlich an die großen Vorbilder Velazquez, Goya und Manet. Aber die


Die Minterausstellung der Akademie der Runste in Berlin

Kraus, Meyerheim und Hertel; Skulpturen von Otto Lessing, Manzel und
Breuer vertragen die Nachbarschaft von Gaul und Tuaillon; die Architekten
Theodor Fischer und Otto March stellen geschlossen mit Otzen und Schwechten
aus. Das so geschaffne Bild ist einheitlicher, als man bei der Nennung solcher
Namen annehmen dürfte: als geschickte Regisseure haben die Veranstalter dieser
Ausstellung es verstanden, zu dämpfen und abzutönen, hier zu unterstreichen
und da abzuwinken, mit dem Licht der Bühnensonne und mit szenischen Ver¬
dunklungen zu arbeiten. Im vorigen Jahre hatte man besonders die auswärtigen
Akademiemitglieder herangezogen; diesmal beschränkte man sich auf die Mitwirkung
der einheimischen, denen je zwei Kunstwerke nach eigner Wahl einzusenden er¬
laubt war; einige Gäste aus Berlin selbst, aus München, Dresden und andern
Kunststädten, aus dem Auslande nur Sargent, reihen sich an. Also keine der
üblichen Massenansammlungen, wie gerade die Akademie sie früher ins Leben
rief, sondern eine gewühlte Galerie von noch nicht hundert Kunstwerken. Zu¬
gegeben, daß Ausstellungen, wie sie alljährlich am Lehrter Bahnhof und im
Münchner Glaspalast stattfinden, aus sozialen Gründen fortbestehn müssen, so
hindert doch nichts den Kunstfreund, diese meinem Kammermusikfeste der Kunst
in der Art des von Kampf und dem Akademiesekretär Professor Justi veran¬
stalteten den geräuschvollen Militärkonzerten mit Schlachtenmusik und Kanonen¬
donner vorzuziehn.

Man fühlt deutlich, wie das Kaiser-Friedrich-Museum und die seiner
Gründung vorausgegangnen vorbildlichen Ausstellungen alter Kunst aus Berliner
Privatbesitz auch für die Darbietungen moderner Kunst Schule machen. Auch
im Akademiepalast haben Teppiche und Gobelins, eine zweckmäßige Verteilung
plastischer Kunstwerke zwischen den Gemälden, kurz ein deutlich erkennbares Zu¬
sammenstimmen jene die Empfänglichkeit steigernde Gesamtwirkung hervorgebracht,
die weit entfernt ist von der gewaltsamen Stimmungsmache, wie sie einst Lenbach,
darin ein Neuerer, bevorzugte, und wie sie in andrer Form jetzt von gewissen
Berliner Kunstsalons in Szene gesetzt wird. Ein sichrer Takt vermied das
Zuviel.

Als Sohn amerikanischer Eltern in Florenz geboren, tätig in London, ver¬
körpert John Singer Sargent, dessen Vertretung gleich im ersten Saal den
Erfolg dieser Ausstellung beim Publikum besiegelte, so recht das Produkt einer
internationalen künstlerischen, besser vielleicht artistischen Kultur. Man begreift
hier den außerordentlichen Erfolg, den dieser ALutleiriÄN-xg-mehr bei dem ver¬
wöhntesten Publikum der Welt, dem englischen Hochadel, hatte, und — man
bedauert ihn. Sargent versprach einmal mehr als ein Modeporträtist zu werden.
Gewiß, seine Palette ist immer noch so glänzend wie in den Jahren, da er
Gemälde wie das berühmte (^ruMon, I-it^, I,it^, Rose (jetzt im Besitz der Royal
Academy in London) und die spanischen Tänzerinnen vom Jahre 1882 M
5g.leo) schuf, sie ist sogar selbständiger geworden und erinnert nur noch ge¬
legentlich an die großen Vorbilder Velazquez, Goya und Manet. Aber die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/30>, abgerufen am 23.07.2024.