Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.Österreich und der Urimkrieg richtige Entscheidung zu treffe". Denn "Kaiser Franz Joseph hat im Laufe seiner In Berlin erfolgte bald wieder ein Umschwung in der Stimmung, aber Österreich und der Urimkrieg richtige Entscheidung zu treffe». Denn „Kaiser Franz Joseph hat im Laufe seiner In Berlin erfolgte bald wieder ein Umschwung in der Stimmung, aber <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0273" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/311354"/> <fw type="header" place="top"> Österreich und der Urimkrieg</fw><lb/> <p xml:id="ID_1339" prev="#ID_1338"> richtige Entscheidung zu treffe». Denn „Kaiser Franz Joseph hat im Laufe seiner<lb/> langen Regierung mit Vorliebe die Resultierende aus den in seinem Reiche<lb/> waltenden Kräften gezogen, und diese Neigung spricht sich bei ihm bereits in<lb/> seiner Jugend aus". Der hohe Adel hielt unbedingt zu Nußland, dem Hort<lb/> der Feudalherrschaft. Die Preußenfeinde, von Prokesch-Osten und der Gesandte<lb/> in Paris, Hübner, drängten zum Blinde mit den Westmächten. Gerade aber in<lb/> dem Einverständnis mit Preußen sahen die sachlichen Politiker, der treffliche<lb/> Heß und der ideenreiche Brück, die Voraussetzung für jede Orientpolitik. Selbst<lb/> Buol und Bach, die entschiednen Russenfeinde, waren für ein Bündnis mit dem<lb/> deutschen Nachbarstaat. Es war das Verdienst von Heß, seinen Kaiser während<lb/> der Orientkrisis auf der Mittellinie festgehalten zu haben. Er hatte auch den<lb/> größten Anteil daran, daß das Bündnis mit Preußen zustande kam. Der<lb/> Bündnisantrag Österreichs entsandte in Berlin den Kampf der rusfophilen Ultras<lb/> der Kreuzzeitungspartei, deren Führer die intimen Vertrauten des Königs waren,<lb/> mit der Wochenblattspartei, denen der Prinz von Preußen nahestand. Er wurde<lb/> mit solcher Heftigkeit geführt, daß Friedrich Wilhelm seinem Bruder geradezu<lb/> mit Festungshaft drohte. Ein momentaner Stimmungswechsel genügte jedoch,<lb/> um das Defensiv-Osfensivbündnis vom 20. April 1854 zustande zu bringen,<lb/> das die Aufforderung Österreichs an Nußland, die Donaufürstentümer zu räumen,<lb/> selbst durch eine kriegerische Aktion unterstützen wollte. Daß trotz diesem Engage¬<lb/> ment Preußens nach der einen Seite weder der russische Standpunkt der Ultras<lb/> noch der europäische der Wochenblattspartei siegte, war das Werk Bismarcks,<lb/> der auch hier schon allein den preußischen verfocht. Er hielt es für verkehrt,<lb/> „den Schild über Österreich zu halten und sich seinetwegen mit Rußland zu<lb/> verfeinden". Mit sicherm Blick sah er schon die künftige Abrechnung voraus,<lb/> zu der Preußen des Rückhalts mit Rußland bedürfte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1340" next="#ID_1341"> In Berlin erfolgte bald wieder ein Umschwung in der Stimmung, aber<lb/> er machte in Wien wenig Eindruck. Am 3. Juni richtet die Hofburg an Nu߬<lb/> land die Aufforderung, die Donaufürstentümer zu räumen. Die Erbitterung in<lb/> Petersburg war unbeschreiblich. Es fällt jetzt das Wort: Der Weg nach Kon¬<lb/> stantinopel führt über Wien. Die Seelenkümpfe des Zaren offenbaren sich in<lb/> wechselnden Befehlen, die die russische Kriegführung erschweren. Schließlich<lb/> befiehlt er „aus strategischen Gründen" die Räumung der Walachei und der<lb/> Moldau. Aber auch Österreichs Lage ist prekär. Es steht vor dem Kriege,<lb/> den es nicht gewollt hat, zu dem es die Mittel nur durch eine innere Zwangs¬<lb/> anleihe gewinnt. Und Omer Pascha, der ehemalige österreichische Kadett Michael<lb/> Lattas, der es vom Schreiblehrer des Sultanprinzen zur türkischen Hoheit<lb/> gebracht hat, ist ein energischer Mann. Es droht der Zusammenstoß zwischen<lb/> Türken und Russen, den das Wiener Kabinett vermeiden will. Da gelingt es<lb/> dem geschickten Heß, sich zwischen Türken und Russen zu schieben. Ohne kriege¬<lb/> risches Eingreifen ist die Besetzung der Donaufürstentümer erreicht; erreicht um<lb/> einen hohen Preis, den Verlust der Freundschaft Rußlands. „Konnte man die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0273]
Österreich und der Urimkrieg
richtige Entscheidung zu treffe». Denn „Kaiser Franz Joseph hat im Laufe seiner
langen Regierung mit Vorliebe die Resultierende aus den in seinem Reiche
waltenden Kräften gezogen, und diese Neigung spricht sich bei ihm bereits in
seiner Jugend aus". Der hohe Adel hielt unbedingt zu Nußland, dem Hort
der Feudalherrschaft. Die Preußenfeinde, von Prokesch-Osten und der Gesandte
in Paris, Hübner, drängten zum Blinde mit den Westmächten. Gerade aber in
dem Einverständnis mit Preußen sahen die sachlichen Politiker, der treffliche
Heß und der ideenreiche Brück, die Voraussetzung für jede Orientpolitik. Selbst
Buol und Bach, die entschiednen Russenfeinde, waren für ein Bündnis mit dem
deutschen Nachbarstaat. Es war das Verdienst von Heß, seinen Kaiser während
der Orientkrisis auf der Mittellinie festgehalten zu haben. Er hatte auch den
größten Anteil daran, daß das Bündnis mit Preußen zustande kam. Der
Bündnisantrag Österreichs entsandte in Berlin den Kampf der rusfophilen Ultras
der Kreuzzeitungspartei, deren Führer die intimen Vertrauten des Königs waren,
mit der Wochenblattspartei, denen der Prinz von Preußen nahestand. Er wurde
mit solcher Heftigkeit geführt, daß Friedrich Wilhelm seinem Bruder geradezu
mit Festungshaft drohte. Ein momentaner Stimmungswechsel genügte jedoch,
um das Defensiv-Osfensivbündnis vom 20. April 1854 zustande zu bringen,
das die Aufforderung Österreichs an Nußland, die Donaufürstentümer zu räumen,
selbst durch eine kriegerische Aktion unterstützen wollte. Daß trotz diesem Engage¬
ment Preußens nach der einen Seite weder der russische Standpunkt der Ultras
noch der europäische der Wochenblattspartei siegte, war das Werk Bismarcks,
der auch hier schon allein den preußischen verfocht. Er hielt es für verkehrt,
„den Schild über Österreich zu halten und sich seinetwegen mit Rußland zu
verfeinden". Mit sicherm Blick sah er schon die künftige Abrechnung voraus,
zu der Preußen des Rückhalts mit Rußland bedürfte.
In Berlin erfolgte bald wieder ein Umschwung in der Stimmung, aber
er machte in Wien wenig Eindruck. Am 3. Juni richtet die Hofburg an Nu߬
land die Aufforderung, die Donaufürstentümer zu räumen. Die Erbitterung in
Petersburg war unbeschreiblich. Es fällt jetzt das Wort: Der Weg nach Kon¬
stantinopel führt über Wien. Die Seelenkümpfe des Zaren offenbaren sich in
wechselnden Befehlen, die die russische Kriegführung erschweren. Schließlich
befiehlt er „aus strategischen Gründen" die Räumung der Walachei und der
Moldau. Aber auch Österreichs Lage ist prekär. Es steht vor dem Kriege,
den es nicht gewollt hat, zu dem es die Mittel nur durch eine innere Zwangs¬
anleihe gewinnt. Und Omer Pascha, der ehemalige österreichische Kadett Michael
Lattas, der es vom Schreiblehrer des Sultanprinzen zur türkischen Hoheit
gebracht hat, ist ein energischer Mann. Es droht der Zusammenstoß zwischen
Türken und Russen, den das Wiener Kabinett vermeiden will. Da gelingt es
dem geschickten Heß, sich zwischen Türken und Russen zu schieben. Ohne kriege¬
risches Eingreifen ist die Besetzung der Donaufürstentümer erreicht; erreicht um
einen hohen Preis, den Verlust der Freundschaft Rußlands. „Konnte man die
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