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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Altjapauische Tyrik
[Beginn Spaltensatz] Da hört ich, es wäre
Eine kluge Maid
Im weit weit entlegenen
Lande Koshi,
Da hört ich, es war dort
Eine liebliche Maid.
Nun steh ich hier,
Meine Werbung zu künden,
Nun schreit ich auf und ab,
Meine Werbung zu künden.
Ohne erst zu lösen
Den Gurt meines Schwertes,
Ohne erst zu lösen
Das Schleiertuch,
Stoß ich nach hinten
[Spaltenumbruch] Das von der Jungfrau
Geschlossene Holztor,
Stehe davor und
Zerre nach vorn es.
Und wie ich so stehe,
Schreit schon der Rune
Auf grünenden Berge,
Ruft der Fasan,
Der Vogel der Heide,
Krähet der Hahn,
Der Vogel des Hofes.
Ach, wie ists schade,
Daß die Vögel so schreien!
Ach, diese Vögel!
Daß ich zum Schweigen sie prügeln könnte!
[Ende Spaltensatz]

Reich an schönen Gleichnissen ist eine andre Dichtung aus dein Liebes¬
leben desselben Gottes, das Abschiedslied um seine eifersüchtige Gemahlin Suseri-
bime, das er ihr singt, "die eine erlauchte Hand am Sattel des erlauchten
Pferdes und den erlauchten Fuß in dem erlauchten Steigbügel", im Begriff,
mit einer Kriegerschar davonzureiten, um sich eine andre (Neben-)Gemahlin zu
suchen, und das mit den Worten schließt:

Aus dem Gleichnisdenken entwickelte sich einerseits Rätsel und Witz,
andrerseits die kunstvollere Allegorie. In dem zehnten Buch des Nihongi,
des jüngern jener beiden Geschichtswerke, findet sich nach Florenz folgendes
überliefert: "Kaiser Ojin hatte ein außergewöhnlich schönes Mädchen an seinen
Hof kommen lassen, um sie zu seiner Nebenfran zu machen. Als aber nach
ihrer Ankunft sein Sohn Prinz Osnzaki sie erblickte, verliebte er sich sterblich
in sie. Der Vater bemerkte die Leidenschaft seines Sohnes und beschloß bei
sich, ihm das Mädchen zu überlassen. Deshalb lud er beide zu einem Trink-



Eine lange Grasart, LMIm M>"rüvÄ.
Altjapauische Tyrik
[Beginn Spaltensatz] Da hört ich, es wäre
Eine kluge Maid
Im weit weit entlegenen
Lande Koshi,
Da hört ich, es war dort
Eine liebliche Maid.
Nun steh ich hier,
Meine Werbung zu künden,
Nun schreit ich auf und ab,
Meine Werbung zu künden.
Ohne erst zu lösen
Den Gurt meines Schwertes,
Ohne erst zu lösen
Das Schleiertuch,
Stoß ich nach hinten
[Spaltenumbruch] Das von der Jungfrau
Geschlossene Holztor,
Stehe davor und
Zerre nach vorn es.
Und wie ich so stehe,
Schreit schon der Rune
Auf grünenden Berge,
Ruft der Fasan,
Der Vogel der Heide,
Krähet der Hahn,
Der Vogel des Hofes.
Ach, wie ists schade,
Daß die Vögel so schreien!
Ach, diese Vögel!
Daß ich zum Schweigen sie prügeln könnte!
[Ende Spaltensatz]

Reich an schönen Gleichnissen ist eine andre Dichtung aus dein Liebes¬
leben desselben Gottes, das Abschiedslied um seine eifersüchtige Gemahlin Suseri-
bime, das er ihr singt, „die eine erlauchte Hand am Sattel des erlauchten
Pferdes und den erlauchten Fuß in dem erlauchten Steigbügel", im Begriff,
mit einer Kriegerschar davonzureiten, um sich eine andre (Neben-)Gemahlin zu
suchen, und das mit den Worten schließt:

Aus dem Gleichnisdenken entwickelte sich einerseits Rätsel und Witz,
andrerseits die kunstvollere Allegorie. In dem zehnten Buch des Nihongi,
des jüngern jener beiden Geschichtswerke, findet sich nach Florenz folgendes
überliefert: „Kaiser Ojin hatte ein außergewöhnlich schönes Mädchen an seinen
Hof kommen lassen, um sie zu seiner Nebenfran zu machen. Als aber nach
ihrer Ankunft sein Sohn Prinz Osnzaki sie erblickte, verliebte er sich sterblich
in sie. Der Vater bemerkte die Leidenschaft seines Sohnes und beschloß bei
sich, ihm das Mädchen zu überlassen. Deshalb lud er beide zu einem Trink-



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[0236] Altjapauische Tyrik Da hört ich, es wäre Eine kluge Maid Im weit weit entlegenen Lande Koshi, Da hört ich, es war dort Eine liebliche Maid. Nun steh ich hier, Meine Werbung zu künden, Nun schreit ich auf und ab, Meine Werbung zu künden. Ohne erst zu lösen Den Gurt meines Schwertes, Ohne erst zu lösen Das Schleiertuch, Stoß ich nach hinten Das von der Jungfrau Geschlossene Holztor, Stehe davor und Zerre nach vorn es. Und wie ich so stehe, Schreit schon der Rune Auf grünenden Berge, Ruft der Fasan, Der Vogel der Heide, Krähet der Hahn, Der Vogel des Hofes. Ach, wie ists schade, Daß die Vögel so schreien! Ach, diese Vögel! Daß ich zum Schweigen sie prügeln könnte! Reich an schönen Gleichnissen ist eine andre Dichtung aus dein Liebes¬ leben desselben Gottes, das Abschiedslied um seine eifersüchtige Gemahlin Suseri- bime, das er ihr singt, „die eine erlauchte Hand am Sattel des erlauchten Pferdes und den erlauchten Fuß in dem erlauchten Steigbügel", im Begriff, mit einer Kriegerschar davonzureiten, um sich eine andre (Neben-)Gemahlin zu suchen, und das mit den Worten schließt: Aus dem Gleichnisdenken entwickelte sich einerseits Rätsel und Witz, andrerseits die kunstvollere Allegorie. In dem zehnten Buch des Nihongi, des jüngern jener beiden Geschichtswerke, findet sich nach Florenz folgendes überliefert: „Kaiser Ojin hatte ein außergewöhnlich schönes Mädchen an seinen Hof kommen lassen, um sie zu seiner Nebenfran zu machen. Als aber nach ihrer Ankunft sein Sohn Prinz Osnzaki sie erblickte, verliebte er sich sterblich in sie. Der Vater bemerkte die Leidenschaft seines Sohnes und beschloß bei sich, ihm das Mädchen zu überlassen. Deshalb lud er beide zu einem Trink- Eine lange Grasart, LMIm M>»rüvÄ.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/236>, abgerufen am 23.06.2024.