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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Altjapanische Lyrik

Uakmnochi zusammengebracht, um den Abstand dieser ersten japanischen Kultur¬
dichtung von den ursprünglichem ältesten Liedern zu zeigen.

Eins der ältesten japanischen Kriegslieder heißt:

[Beginn Spaltensatz] In Osaka
Im großen Höhlenhaus
Gar viele Feinde
Kamen herein, sind drin;
Gar viele Feinde
Gingen hinein, sind drin,
Doch unsrer gewaltigen
Kriegshorden Kinder [Spaltenumbruch] Mit schlägelköpfigen Schwertern,
Mit Steinschlägeln
Zerschmeißen sie allesamt,
Ihr, unsrer gewaltigen
Kriegshorde Kinder,
Mit schlägelköpfigen Schwertern,
Mit Steinschlägeln
Wohlan, zerschmeißt sie jetzo! [Ende Spaltensatz]

Episches, Regel und Imperativ der Gegenwart bilden die drei Glieder des
Gedichtes, die durch fast übereinstimmende Zeilenpaare verkettet sind. Nur ein¬
gliedrig sind folgende beiden Kriegslieder, ein aufreizendes und ein trauerndes,
deren Wiederholungen zugleich dem Schönheitsbedürfnis wie der stärkern
Wirkung dienen:

[Beginn Spaltensatz] Den Seemuscheln gleich,
Die rund herum kriechen
Um das Felsgestein
Am Meer des vom Götterwinde
Durchwehten Lands Ise --
Den Seemuscheln gleich [Spaltenumbruch] Meine Bursche! meine Bursche!
Den Seemuscheln gleich
Um den Feind laßt uns kriechen
Und ihn gänzlich zerschmeißen,
Ihn gänzlich zerschmeißen! [Ende Spaltensatz]
Da die Leute, die auf Umwegen kommen,
Sich verspätet haben,
Haben die gierigen Wildgänse
Unsere Reisfelder
Geplündert, um aus dem Reis Neisbier zu brauen,
Die Felder auf den Hügeln
Die gierigen Wildgänse,
Indem sie geräuschvoll mit Geschrei lärmten,
Die Felder auf den Hügeln
Die gierigen Wildgänse.

Es ist bezeichnend, daß das letzte dieser drei Lieder, mehrere Jahrhunderte jünger
als die beiden andern, in der Passivität stecken bleibt.

Das älteste japanische Trinklied ist zugleich mit einem dazugehörigen Vor¬
situationsliede überliefert. Das eine sagten die Bereiter des Weines her, das
andre wird dem Herrscher zugeschrieben, der ihre Gabe genoß.

[Beginn Spaltensatz] In Kashinou
Machten wir einen Mörser,
Und in dem Mörser
Branten wir herrlichen Wein.
Mit Wohlgefallen
Mögest du ihn genießen,
O unser Herr! [Spaltenumbruch] Von Susukoris
Gebrautem herrlichen Wein
Bin ich ganz trunken worden,
Vom tröstenden Wein,
Vom Lächelwein
Bin ich ganz trunken worden. [Ende Spaltensatz]

Altjapanische Lyrik

Uakmnochi zusammengebracht, um den Abstand dieser ersten japanischen Kultur¬
dichtung von den ursprünglichem ältesten Liedern zu zeigen.

Eins der ältesten japanischen Kriegslieder heißt:

[Beginn Spaltensatz] In Osaka
Im großen Höhlenhaus
Gar viele Feinde
Kamen herein, sind drin;
Gar viele Feinde
Gingen hinein, sind drin,
Doch unsrer gewaltigen
Kriegshorden Kinder [Spaltenumbruch] Mit schlägelköpfigen Schwertern,
Mit Steinschlägeln
Zerschmeißen sie allesamt,
Ihr, unsrer gewaltigen
Kriegshorde Kinder,
Mit schlägelköpfigen Schwertern,
Mit Steinschlägeln
Wohlan, zerschmeißt sie jetzo! [Ende Spaltensatz]

Episches, Regel und Imperativ der Gegenwart bilden die drei Glieder des
Gedichtes, die durch fast übereinstimmende Zeilenpaare verkettet sind. Nur ein¬
gliedrig sind folgende beiden Kriegslieder, ein aufreizendes und ein trauerndes,
deren Wiederholungen zugleich dem Schönheitsbedürfnis wie der stärkern
Wirkung dienen:

[Beginn Spaltensatz] Den Seemuscheln gleich,
Die rund herum kriechen
Um das Felsgestein
Am Meer des vom Götterwinde
Durchwehten Lands Ise —
Den Seemuscheln gleich [Spaltenumbruch] Meine Bursche! meine Bursche!
Den Seemuscheln gleich
Um den Feind laßt uns kriechen
Und ihn gänzlich zerschmeißen,
Ihn gänzlich zerschmeißen! [Ende Spaltensatz]
Da die Leute, die auf Umwegen kommen,
Sich verspätet haben,
Haben die gierigen Wildgänse
Unsere Reisfelder
Geplündert, um aus dem Reis Neisbier zu brauen,
Die Felder auf den Hügeln
Die gierigen Wildgänse,
Indem sie geräuschvoll mit Geschrei lärmten,
Die Felder auf den Hügeln
Die gierigen Wildgänse.

Es ist bezeichnend, daß das letzte dieser drei Lieder, mehrere Jahrhunderte jünger
als die beiden andern, in der Passivität stecken bleibt.

Das älteste japanische Trinklied ist zugleich mit einem dazugehörigen Vor¬
situationsliede überliefert. Das eine sagten die Bereiter des Weines her, das
andre wird dem Herrscher zugeschrieben, der ihre Gabe genoß.

[Beginn Spaltensatz] In Kashinou
Machten wir einen Mörser,
Und in dem Mörser
Branten wir herrlichen Wein.
Mit Wohlgefallen
Mögest du ihn genießen,
O unser Herr! [Spaltenumbruch] Von Susukoris
Gebrautem herrlichen Wein
Bin ich ganz trunken worden,
Vom tröstenden Wein,
Vom Lächelwein
Bin ich ganz trunken worden. [Ende Spaltensatz]

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[0234] Altjapanische Lyrik Uakmnochi zusammengebracht, um den Abstand dieser ersten japanischen Kultur¬ dichtung von den ursprünglichem ältesten Liedern zu zeigen. Eins der ältesten japanischen Kriegslieder heißt: In Osaka Im großen Höhlenhaus Gar viele Feinde Kamen herein, sind drin; Gar viele Feinde Gingen hinein, sind drin, Doch unsrer gewaltigen Kriegshorden Kinder Mit schlägelköpfigen Schwertern, Mit Steinschlägeln Zerschmeißen sie allesamt, Ihr, unsrer gewaltigen Kriegshorde Kinder, Mit schlägelköpfigen Schwertern, Mit Steinschlägeln Wohlan, zerschmeißt sie jetzo! Episches, Regel und Imperativ der Gegenwart bilden die drei Glieder des Gedichtes, die durch fast übereinstimmende Zeilenpaare verkettet sind. Nur ein¬ gliedrig sind folgende beiden Kriegslieder, ein aufreizendes und ein trauerndes, deren Wiederholungen zugleich dem Schönheitsbedürfnis wie der stärkern Wirkung dienen: Den Seemuscheln gleich, Die rund herum kriechen Um das Felsgestein Am Meer des vom Götterwinde Durchwehten Lands Ise — Den Seemuscheln gleich Meine Bursche! meine Bursche! Den Seemuscheln gleich Um den Feind laßt uns kriechen Und ihn gänzlich zerschmeißen, Ihn gänzlich zerschmeißen! Da die Leute, die auf Umwegen kommen, Sich verspätet haben, Haben die gierigen Wildgänse Unsere Reisfelder Geplündert, um aus dem Reis Neisbier zu brauen, Die Felder auf den Hügeln Die gierigen Wildgänse, Indem sie geräuschvoll mit Geschrei lärmten, Die Felder auf den Hügeln Die gierigen Wildgänse. Es ist bezeichnend, daß das letzte dieser drei Lieder, mehrere Jahrhunderte jünger als die beiden andern, in der Passivität stecken bleibt. Das älteste japanische Trinklied ist zugleich mit einem dazugehörigen Vor¬ situationsliede überliefert. Das eine sagten die Bereiter des Weines her, das andre wird dem Herrscher zugeschrieben, der ihre Gabe genoß. In Kashinou Machten wir einen Mörser, Und in dem Mörser Branten wir herrlichen Wein. Mit Wohlgefallen Mögest du ihn genießen, O unser Herr! Von Susukoris Gebrautem herrlichen Wein Bin ich ganz trunken worden, Vom tröstenden Wein, Vom Lächelwein Bin ich ganz trunken worden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/234>, abgerufen am 22.07.2024.