Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Internationale Wirtschaftspolitik

Konkurrenz machen. Andrerseits wandern auch Unternehmer und Kapitalien
in die geschützten Länder ein, und gerade dieses hat Rußland, das nur mit
ausländischen Gehirnen, Händen und Kapitalien eine eigne Industrie begründen
konnte, mit seiner Schutzzollpolitik beabsichtigt. Was die Syndikate und
Trusts betrifft, so zählt Kobatsch eine lange Reihe solcher auf, die schon
international geworden sind. Nur ein Beispiel! "Das internationale Spiegel¬
glassyndikat umfaßt nach der Frankfurter Zeitung alle Gesellschaften, die ihre
Werkstätten in Belgien, Frankreich, Deutschland, Österreich, Italien und
Holland haben. Die Fabrikanten aller Gruppen kommen viermal im Jahre
in Brüssel zusammen, um über eine etwa notwendige Einschränkung der Pro¬
duktion zu beraten. Ein aus drei Mitgliedern bestehendes Schiedsgericht
kontrolliert das Innehalten der Kontingente; für Überschreitung sind 50000,
im Wiederholungsfalle 100000 Franken Buße zu zahlen; jeder Kontrahent
hinterlegt 100000 Franken Kaution. Der Syndikatsvertrag ist 1904 auf
fünf Jahre geschlossen worden. Das Syndikat regelt die Preise und Ver¬
kaufsbedingungen für die fertigen Produkte wie für Rohwaren. ^ Den Ver¬
kauf besorgen die Organisationen: Verein deutscher Spiegelglasfabriken, voinx-
toir ä" vsnts traveMs, Lursg-u as Le. (Fodgän, LureM ach Alsess ng-tioimlss
LölZss, und die Bureaus der übrigen Länder. Aus den Bevollmächtigten der
Fabrikanten wird ein Zentralausschuß gewählt, der aller drei Monate in
Brüssel tagt. sDiese Ausschußsitzungen werden wohl mit der oben erwähnten
Vierteljahrszusammenkunft gemeint sein.j In Brüssel wurde ein Zentral-
bnreau eingesetzt, dessen Direktor statistische Daten zu sammeln und über die
Einheitlichkeit der Beschlüsse Sulche vielmehr über deren Ausführung?j zu
wachen hat." Also das sind einige der Verfahrungsweisen, mit denen die
Syndikate alle Zollschranken illusorisch machen, was immer noch besser ist,
als wenn sie sich durch Erhöhung der Jnlandpreise für ihre Fabrikate (die
natürlich Erhöhung des Arbeitslohnes nicht bloß im eignen Gewerbe zur
Folge haben, wodurch die Produktenpreise aufs neue gesteigert werden) in
den Stand setzen, im Auslande wohlfeil zu verkaufen und so den Zoll illu¬
sorisch zu machen, mit dem sich der konkurrierende Staat für die Zollerhöhung
des andern rächt.*) Genügen diese Tatsachen nicht, die Regierungen zu Ver-
stündigungsversuchen zu bewegen, so dürfte der verhängnisvolle und -- wenn
Lachen bei einer so ernsthaften Sache erlaubt wäre -- einigermaßen lächer¬
liche Zirkel einige Wirkung üben, den Kobatsch aufdeckt. "Wachsende aus¬
wärtige Interessen, daher wachsende Ausgaben für Heer und Flotte zum
Schutze dieser Auslandsinteressen; infolgedessen neue und höhere Abgaben,
darunter die Zölle, die den durch sie mittelbar zu schützenden Außenhandel



*) Die Zollpolitik findet man auch sehr gründlich behandelt in dem soeben bei I. C. B.
Mohr in Tübingen erschienenen zweiten Teile des zweiten Bandes (Volkswirtschaftspolitik) des
Grundrisses der Politischen Ökonomie von Professor Dr. Eugen von Philippovich.
Geheftet 9, gebunden 10 Mark.
Internationale Wirtschaftspolitik

Konkurrenz machen. Andrerseits wandern auch Unternehmer und Kapitalien
in die geschützten Länder ein, und gerade dieses hat Rußland, das nur mit
ausländischen Gehirnen, Händen und Kapitalien eine eigne Industrie begründen
konnte, mit seiner Schutzzollpolitik beabsichtigt. Was die Syndikate und
Trusts betrifft, so zählt Kobatsch eine lange Reihe solcher auf, die schon
international geworden sind. Nur ein Beispiel! „Das internationale Spiegel¬
glassyndikat umfaßt nach der Frankfurter Zeitung alle Gesellschaften, die ihre
Werkstätten in Belgien, Frankreich, Deutschland, Österreich, Italien und
Holland haben. Die Fabrikanten aller Gruppen kommen viermal im Jahre
in Brüssel zusammen, um über eine etwa notwendige Einschränkung der Pro¬
duktion zu beraten. Ein aus drei Mitgliedern bestehendes Schiedsgericht
kontrolliert das Innehalten der Kontingente; für Überschreitung sind 50000,
im Wiederholungsfalle 100000 Franken Buße zu zahlen; jeder Kontrahent
hinterlegt 100000 Franken Kaution. Der Syndikatsvertrag ist 1904 auf
fünf Jahre geschlossen worden. Das Syndikat regelt die Preise und Ver¬
kaufsbedingungen für die fertigen Produkte wie für Rohwaren. ^ Den Ver¬
kauf besorgen die Organisationen: Verein deutscher Spiegelglasfabriken, voinx-
toir ä« vsnts traveMs, Lursg-u as Le. (Fodgän, LureM ach Alsess ng-tioimlss
LölZss, und die Bureaus der übrigen Länder. Aus den Bevollmächtigten der
Fabrikanten wird ein Zentralausschuß gewählt, der aller drei Monate in
Brüssel tagt. sDiese Ausschußsitzungen werden wohl mit der oben erwähnten
Vierteljahrszusammenkunft gemeint sein.j In Brüssel wurde ein Zentral-
bnreau eingesetzt, dessen Direktor statistische Daten zu sammeln und über die
Einheitlichkeit der Beschlüsse Sulche vielmehr über deren Ausführung?j zu
wachen hat." Also das sind einige der Verfahrungsweisen, mit denen die
Syndikate alle Zollschranken illusorisch machen, was immer noch besser ist,
als wenn sie sich durch Erhöhung der Jnlandpreise für ihre Fabrikate (die
natürlich Erhöhung des Arbeitslohnes nicht bloß im eignen Gewerbe zur
Folge haben, wodurch die Produktenpreise aufs neue gesteigert werden) in
den Stand setzen, im Auslande wohlfeil zu verkaufen und so den Zoll illu¬
sorisch zu machen, mit dem sich der konkurrierende Staat für die Zollerhöhung
des andern rächt.*) Genügen diese Tatsachen nicht, die Regierungen zu Ver-
stündigungsversuchen zu bewegen, so dürfte der verhängnisvolle und — wenn
Lachen bei einer so ernsthaften Sache erlaubt wäre — einigermaßen lächer¬
liche Zirkel einige Wirkung üben, den Kobatsch aufdeckt. „Wachsende aus¬
wärtige Interessen, daher wachsende Ausgaben für Heer und Flotte zum
Schutze dieser Auslandsinteressen; infolgedessen neue und höhere Abgaben,
darunter die Zölle, die den durch sie mittelbar zu schützenden Außenhandel



*) Die Zollpolitik findet man auch sehr gründlich behandelt in dem soeben bei I. C. B.
Mohr in Tübingen erschienenen zweiten Teile des zweiten Bandes (Volkswirtschaftspolitik) des
Grundrisses der Politischen Ökonomie von Professor Dr. Eugen von Philippovich.
Geheftet 9, gebunden 10 Mark.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0226" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/311307"/>
          <fw type="header" place="top"> Internationale Wirtschaftspolitik</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1056" prev="#ID_1055" next="#ID_1057"> Konkurrenz machen. Andrerseits wandern auch Unternehmer und Kapitalien<lb/>
in die geschützten Länder ein, und gerade dieses hat Rußland, das nur mit<lb/>
ausländischen Gehirnen, Händen und Kapitalien eine eigne Industrie begründen<lb/>
konnte, mit seiner Schutzzollpolitik beabsichtigt. Was die Syndikate und<lb/>
Trusts betrifft, so zählt Kobatsch eine lange Reihe solcher auf, die schon<lb/>
international geworden sind. Nur ein Beispiel! &#x201E;Das internationale Spiegel¬<lb/>
glassyndikat umfaßt nach der Frankfurter Zeitung alle Gesellschaften, die ihre<lb/>
Werkstätten in Belgien, Frankreich, Deutschland, Österreich, Italien und<lb/>
Holland haben. Die Fabrikanten aller Gruppen kommen viermal im Jahre<lb/>
in Brüssel zusammen, um über eine etwa notwendige Einschränkung der Pro¬<lb/>
duktion zu beraten. Ein aus drei Mitgliedern bestehendes Schiedsgericht<lb/>
kontrolliert das Innehalten der Kontingente; für Überschreitung sind 50000,<lb/>
im Wiederholungsfalle 100000 Franken Buße zu zahlen; jeder Kontrahent<lb/>
hinterlegt 100000 Franken Kaution. Der Syndikatsvertrag ist 1904 auf<lb/>
fünf Jahre geschlossen worden. Das Syndikat regelt die Preise und Ver¬<lb/>
kaufsbedingungen für die fertigen Produkte wie für Rohwaren. ^ Den Ver¬<lb/>
kauf besorgen die Organisationen: Verein deutscher Spiegelglasfabriken, voinx-<lb/>
toir ä« vsnts traveMs, Lursg-u as Le. (Fodgän, LureM ach Alsess ng-tioimlss<lb/>
LölZss, und die Bureaus der übrigen Länder. Aus den Bevollmächtigten der<lb/>
Fabrikanten wird ein Zentralausschuß gewählt, der aller drei Monate in<lb/>
Brüssel tagt. sDiese Ausschußsitzungen werden wohl mit der oben erwähnten<lb/>
Vierteljahrszusammenkunft gemeint sein.j In Brüssel wurde ein Zentral-<lb/>
bnreau eingesetzt, dessen Direktor statistische Daten zu sammeln und über die<lb/>
Einheitlichkeit der Beschlüsse Sulche vielmehr über deren Ausführung?j zu<lb/>
wachen hat." Also das sind einige der Verfahrungsweisen, mit denen die<lb/>
Syndikate alle Zollschranken illusorisch machen, was immer noch besser ist,<lb/>
als wenn sie sich durch Erhöhung der Jnlandpreise für ihre Fabrikate (die<lb/>
natürlich Erhöhung des Arbeitslohnes nicht bloß im eignen Gewerbe zur<lb/>
Folge haben, wodurch die Produktenpreise aufs neue gesteigert werden) in<lb/>
den Stand setzen, im Auslande wohlfeil zu verkaufen und so den Zoll illu¬<lb/>
sorisch zu machen, mit dem sich der konkurrierende Staat für die Zollerhöhung<lb/>
des andern rächt.*) Genügen diese Tatsachen nicht, die Regierungen zu Ver-<lb/>
stündigungsversuchen zu bewegen, so dürfte der verhängnisvolle und &#x2014; wenn<lb/>
Lachen bei einer so ernsthaften Sache erlaubt wäre &#x2014; einigermaßen lächer¬<lb/>
liche Zirkel einige Wirkung üben, den Kobatsch aufdeckt. &#x201E;Wachsende aus¬<lb/>
wärtige Interessen, daher wachsende Ausgaben für Heer und Flotte zum<lb/>
Schutze dieser Auslandsinteressen; infolgedessen neue und höhere Abgaben,<lb/>
darunter die Zölle, die den durch sie mittelbar zu schützenden Außenhandel</p><lb/>
          <note xml:id="FID_7" place="foot"> *) Die Zollpolitik findet man auch sehr gründlich behandelt in dem soeben bei I. C. B.<lb/>
Mohr in Tübingen erschienenen zweiten Teile des zweiten Bandes (Volkswirtschaftspolitik) des<lb/>
Grundrisses der Politischen Ökonomie von Professor Dr. Eugen von Philippovich.<lb/>
Geheftet 9, gebunden 10 Mark.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0226] Internationale Wirtschaftspolitik Konkurrenz machen. Andrerseits wandern auch Unternehmer und Kapitalien in die geschützten Länder ein, und gerade dieses hat Rußland, das nur mit ausländischen Gehirnen, Händen und Kapitalien eine eigne Industrie begründen konnte, mit seiner Schutzzollpolitik beabsichtigt. Was die Syndikate und Trusts betrifft, so zählt Kobatsch eine lange Reihe solcher auf, die schon international geworden sind. Nur ein Beispiel! „Das internationale Spiegel¬ glassyndikat umfaßt nach der Frankfurter Zeitung alle Gesellschaften, die ihre Werkstätten in Belgien, Frankreich, Deutschland, Österreich, Italien und Holland haben. Die Fabrikanten aller Gruppen kommen viermal im Jahre in Brüssel zusammen, um über eine etwa notwendige Einschränkung der Pro¬ duktion zu beraten. Ein aus drei Mitgliedern bestehendes Schiedsgericht kontrolliert das Innehalten der Kontingente; für Überschreitung sind 50000, im Wiederholungsfalle 100000 Franken Buße zu zahlen; jeder Kontrahent hinterlegt 100000 Franken Kaution. Der Syndikatsvertrag ist 1904 auf fünf Jahre geschlossen worden. Das Syndikat regelt die Preise und Ver¬ kaufsbedingungen für die fertigen Produkte wie für Rohwaren. ^ Den Ver¬ kauf besorgen die Organisationen: Verein deutscher Spiegelglasfabriken, voinx- toir ä« vsnts traveMs, Lursg-u as Le. (Fodgän, LureM ach Alsess ng-tioimlss LölZss, und die Bureaus der übrigen Länder. Aus den Bevollmächtigten der Fabrikanten wird ein Zentralausschuß gewählt, der aller drei Monate in Brüssel tagt. sDiese Ausschußsitzungen werden wohl mit der oben erwähnten Vierteljahrszusammenkunft gemeint sein.j In Brüssel wurde ein Zentral- bnreau eingesetzt, dessen Direktor statistische Daten zu sammeln und über die Einheitlichkeit der Beschlüsse Sulche vielmehr über deren Ausführung?j zu wachen hat." Also das sind einige der Verfahrungsweisen, mit denen die Syndikate alle Zollschranken illusorisch machen, was immer noch besser ist, als wenn sie sich durch Erhöhung der Jnlandpreise für ihre Fabrikate (die natürlich Erhöhung des Arbeitslohnes nicht bloß im eignen Gewerbe zur Folge haben, wodurch die Produktenpreise aufs neue gesteigert werden) in den Stand setzen, im Auslande wohlfeil zu verkaufen und so den Zoll illu¬ sorisch zu machen, mit dem sich der konkurrierende Staat für die Zollerhöhung des andern rächt.*) Genügen diese Tatsachen nicht, die Regierungen zu Ver- stündigungsversuchen zu bewegen, so dürfte der verhängnisvolle und — wenn Lachen bei einer so ernsthaften Sache erlaubt wäre — einigermaßen lächer¬ liche Zirkel einige Wirkung üben, den Kobatsch aufdeckt. „Wachsende aus¬ wärtige Interessen, daher wachsende Ausgaben für Heer und Flotte zum Schutze dieser Auslandsinteressen; infolgedessen neue und höhere Abgaben, darunter die Zölle, die den durch sie mittelbar zu schützenden Außenhandel *) Die Zollpolitik findet man auch sehr gründlich behandelt in dem soeben bei I. C. B. Mohr in Tübingen erschienenen zweiten Teile des zweiten Bandes (Volkswirtschaftspolitik) des Grundrisses der Politischen Ökonomie von Professor Dr. Eugen von Philippovich. Geheftet 9, gebunden 10 Mark.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/226
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/226>, abgerufen am 22.07.2024.