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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Die Bedeutung des Militäretats vou ^9^8

behaupten immer, daß uns die Franzosen auf dem Gebiete des Militärautomobil¬
wesens weit überlegen und dadurch für deu Mobilmachungsfall besser vorbereitet
seien. Der diesjährige Bericht des Budgetberichterstatters Messimy, der sich nur
an Tatsachen hält, sowie die jüngsten Kammerverhandlungen über diesen
wichtigen Gegenstand beweisen, daß wir mindestens auf derselben Höhe stehn
wie unsre westlichen Nachbarn. Namentlich zeigt sich aus den angeführten
französischen Quellen, daß die Armee weder über einen eignen großen Vorrat
von Personen- und Lastautomobilen verfügt, noch daß das Stadium der
Versuche mit den zuletzt genannten Kraftwagen beendet ist. An Personen¬
automobilen hat das französische Kriegsministerium seit dem Jahre 1906 über¬
haupt nur nenn Wagen. Im Jahre 1907 sollten weitere Anschaffungen gemacht
werden, und es waren dazu von der Kammer 28 000 Franken bewilligt worden.
Es stellte sich aber im Laufe des Jahres heraus, daß mehr als 20000 Franken
auf Ausbesserungen und den Unterhalt der vorhandnen neun Wagen verwandt
werden niußten, sodaß an den Ankauf neuen Materials nicht gedacht werden
konnte. Diese Absicht will nun die französische Heeresverwaltung überhaupt
zunächst ganz aufgeben; sie will nur noch Personenautomobile mieten und fordert
deshalb im Etat für 1908 den Betrag von 50000 Franken, den man in der
Höhe zwischen 1500 und 4000 Franken auf die einzelnen Armeekorps verteilen
will, um diese in die Lage zu setzen, den eignen Stab und die unterstellten
höhern Stäbe mit ermieteten Kraftwagen zu versehen. Auch mit dem Vorrat
an Lastautomobilen für militärische Zwecke sieht es bei den Franzosen nicht
sonderlich gut aus. Der Kriegsminister hat erst neulich erklärt, daß die Er¬
probungen der verschiednen Typen noch nicht abgeschlossen seien. Auf der andern
Seite berechnet Messimy in seinem schon erwähnten Bericht, daß die französische
Armee im Kriegsfalle für jedes Korps etwa 150 Lastautomobile gebrauche, daß
deshalb insgesamt etwa 5000 solcher Wagen entweder im eignen Besitz des
Heeres sein oder durch Requisition beschafft werden müßten. Nach der neusten
Zählung seien aber heute im ganzen Lande nur etwa 700 schwere Motorwagen
vorhanden, und auch von ihnen sei noch nicht erwiesen, daß sie sich sämtlich
für militärische Zwecke eigneten. Gegenüber diesen einwandfreien Angaben über
den Stand und den Bestand des französischen Militärautomobilwesens verlieren
die günstigen Berichte über die vierzig Lastautomobile, die auf Aufforderung
des Kriegsministers zu den Herbstübungen des Vorjahres beim 18. Armeekorps
von verschiednen Fabriken zur Verfügung gestellt worden waren, an Bedeutung.
Damit ist natürlich nicht gesagt, daß die Erfahrungen, die mit diesen Wagen
für das Verpflegungswesen im Felde gemacht wurden, an sich nicht etwa von
hohem Werte gewesen sind. Aber auch die bei uns auf Anordnung des Kriegs¬
ministeriums unternommnen und vom Kommando der Verkehrstruppen bei der
großen Belagerungsübung von Posen im September 1907 geleiteten Versuche
mit 21 Lastwagen und 39 Anhängern haben in hohem Maße befriedigt und
gezeigt, daß wir auf dem Gebiete der militärischen Autvmobilverwertung unsern


Grenzboten I 1908 28
Die Bedeutung des Militäretats vou ^9^8

behaupten immer, daß uns die Franzosen auf dem Gebiete des Militärautomobil¬
wesens weit überlegen und dadurch für deu Mobilmachungsfall besser vorbereitet
seien. Der diesjährige Bericht des Budgetberichterstatters Messimy, der sich nur
an Tatsachen hält, sowie die jüngsten Kammerverhandlungen über diesen
wichtigen Gegenstand beweisen, daß wir mindestens auf derselben Höhe stehn
wie unsre westlichen Nachbarn. Namentlich zeigt sich aus den angeführten
französischen Quellen, daß die Armee weder über einen eignen großen Vorrat
von Personen- und Lastautomobilen verfügt, noch daß das Stadium der
Versuche mit den zuletzt genannten Kraftwagen beendet ist. An Personen¬
automobilen hat das französische Kriegsministerium seit dem Jahre 1906 über¬
haupt nur nenn Wagen. Im Jahre 1907 sollten weitere Anschaffungen gemacht
werden, und es waren dazu von der Kammer 28 000 Franken bewilligt worden.
Es stellte sich aber im Laufe des Jahres heraus, daß mehr als 20000 Franken
auf Ausbesserungen und den Unterhalt der vorhandnen neun Wagen verwandt
werden niußten, sodaß an den Ankauf neuen Materials nicht gedacht werden
konnte. Diese Absicht will nun die französische Heeresverwaltung überhaupt
zunächst ganz aufgeben; sie will nur noch Personenautomobile mieten und fordert
deshalb im Etat für 1908 den Betrag von 50000 Franken, den man in der
Höhe zwischen 1500 und 4000 Franken auf die einzelnen Armeekorps verteilen
will, um diese in die Lage zu setzen, den eignen Stab und die unterstellten
höhern Stäbe mit ermieteten Kraftwagen zu versehen. Auch mit dem Vorrat
an Lastautomobilen für militärische Zwecke sieht es bei den Franzosen nicht
sonderlich gut aus. Der Kriegsminister hat erst neulich erklärt, daß die Er¬
probungen der verschiednen Typen noch nicht abgeschlossen seien. Auf der andern
Seite berechnet Messimy in seinem schon erwähnten Bericht, daß die französische
Armee im Kriegsfalle für jedes Korps etwa 150 Lastautomobile gebrauche, daß
deshalb insgesamt etwa 5000 solcher Wagen entweder im eignen Besitz des
Heeres sein oder durch Requisition beschafft werden müßten. Nach der neusten
Zählung seien aber heute im ganzen Lande nur etwa 700 schwere Motorwagen
vorhanden, und auch von ihnen sei noch nicht erwiesen, daß sie sich sämtlich
für militärische Zwecke eigneten. Gegenüber diesen einwandfreien Angaben über
den Stand und den Bestand des französischen Militärautomobilwesens verlieren
die günstigen Berichte über die vierzig Lastautomobile, die auf Aufforderung
des Kriegsministers zu den Herbstübungen des Vorjahres beim 18. Armeekorps
von verschiednen Fabriken zur Verfügung gestellt worden waren, an Bedeutung.
Damit ist natürlich nicht gesagt, daß die Erfahrungen, die mit diesen Wagen
für das Verpflegungswesen im Felde gemacht wurden, an sich nicht etwa von
hohem Werte gewesen sind. Aber auch die bei uns auf Anordnung des Kriegs¬
ministeriums unternommnen und vom Kommando der Verkehrstruppen bei der
großen Belagerungsübung von Posen im September 1907 geleiteten Versuche
mit 21 Lastwagen und 39 Anhängern haben in hohem Maße befriedigt und
gezeigt, daß wir auf dem Gebiete der militärischen Autvmobilverwertung unsern


Grenzboten I 1908 28
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[0217] Die Bedeutung des Militäretats vou ^9^8 behaupten immer, daß uns die Franzosen auf dem Gebiete des Militärautomobil¬ wesens weit überlegen und dadurch für deu Mobilmachungsfall besser vorbereitet seien. Der diesjährige Bericht des Budgetberichterstatters Messimy, der sich nur an Tatsachen hält, sowie die jüngsten Kammerverhandlungen über diesen wichtigen Gegenstand beweisen, daß wir mindestens auf derselben Höhe stehn wie unsre westlichen Nachbarn. Namentlich zeigt sich aus den angeführten französischen Quellen, daß die Armee weder über einen eignen großen Vorrat von Personen- und Lastautomobilen verfügt, noch daß das Stadium der Versuche mit den zuletzt genannten Kraftwagen beendet ist. An Personen¬ automobilen hat das französische Kriegsministerium seit dem Jahre 1906 über¬ haupt nur nenn Wagen. Im Jahre 1907 sollten weitere Anschaffungen gemacht werden, und es waren dazu von der Kammer 28 000 Franken bewilligt worden. Es stellte sich aber im Laufe des Jahres heraus, daß mehr als 20000 Franken auf Ausbesserungen und den Unterhalt der vorhandnen neun Wagen verwandt werden niußten, sodaß an den Ankauf neuen Materials nicht gedacht werden konnte. Diese Absicht will nun die französische Heeresverwaltung überhaupt zunächst ganz aufgeben; sie will nur noch Personenautomobile mieten und fordert deshalb im Etat für 1908 den Betrag von 50000 Franken, den man in der Höhe zwischen 1500 und 4000 Franken auf die einzelnen Armeekorps verteilen will, um diese in die Lage zu setzen, den eignen Stab und die unterstellten höhern Stäbe mit ermieteten Kraftwagen zu versehen. Auch mit dem Vorrat an Lastautomobilen für militärische Zwecke sieht es bei den Franzosen nicht sonderlich gut aus. Der Kriegsminister hat erst neulich erklärt, daß die Er¬ probungen der verschiednen Typen noch nicht abgeschlossen seien. Auf der andern Seite berechnet Messimy in seinem schon erwähnten Bericht, daß die französische Armee im Kriegsfalle für jedes Korps etwa 150 Lastautomobile gebrauche, daß deshalb insgesamt etwa 5000 solcher Wagen entweder im eignen Besitz des Heeres sein oder durch Requisition beschafft werden müßten. Nach der neusten Zählung seien aber heute im ganzen Lande nur etwa 700 schwere Motorwagen vorhanden, und auch von ihnen sei noch nicht erwiesen, daß sie sich sämtlich für militärische Zwecke eigneten. Gegenüber diesen einwandfreien Angaben über den Stand und den Bestand des französischen Militärautomobilwesens verlieren die günstigen Berichte über die vierzig Lastautomobile, die auf Aufforderung des Kriegsministers zu den Herbstübungen des Vorjahres beim 18. Armeekorps von verschiednen Fabriken zur Verfügung gestellt worden waren, an Bedeutung. Damit ist natürlich nicht gesagt, daß die Erfahrungen, die mit diesen Wagen für das Verpflegungswesen im Felde gemacht wurden, an sich nicht etwa von hohem Werte gewesen sind. Aber auch die bei uns auf Anordnung des Kriegs¬ ministeriums unternommnen und vom Kommando der Verkehrstruppen bei der großen Belagerungsübung von Posen im September 1907 geleiteten Versuche mit 21 Lastwagen und 39 Anhängern haben in hohem Maße befriedigt und gezeigt, daß wir auf dem Gebiete der militärischen Autvmobilverwertung unsern Grenzboten I 1908 28

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/217>, abgerufen am 22.07.2024.