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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Die Bedeutung des Militäretats von

entstehn, dann lautet die nächste Antwort, daß, ähnlich wie bei den Schiffs¬
neubauten, der fortwährende Kampf zwischen Panzerung und Geschoß zu
stärkern und dementsprechend kostspieligem Verteidigungsvorkehrungen zwingt.
Also widerstandsfähigere Panzer in Gestalt von Panzertürmen und Ein-
deckungen aller Art müssen geschaffen und, damit verbunden, muß der nicht billige
Belon an zahlreichen Stellen angewandt werden; außerdem aber müssen die
vielen neuzeitlichen Fortschritte der Technik, als da sind Beleuchtungsapparate,
Schmalspurbahnen, drahtlose Telegraphic, lenkbare Luftschiffe u. a. in., fortgesetzt
berücksichtigt werden, da ohne sie eine moderne Festung nicht bestehn kann.
Es liegt nun auf der Hand, daß auch noch höhere Forderungen, als sie
unsre Heeresverwaltung gestellt hat, nicht ausreichen würden, alle deutschen
Landbefestigungen umzubauen, zu verstärken oder neu auszurüsten. Deshalb
werden eben nach und nach die Festungen, deren militärischer Wert sich
wesentlich verringert hat, ausgelassen und nur solche Plätze ausgebaut, die in
einem Kriegsfalle aller Wahrscheinlichkeit nach berufen sein werden, eine erste
Rolle zu spielen. Daß damit in der vordersten Linie unsre großen Festungen
an der West- und der Ostgrenze gemeint sind, leuchtet um so mehr ein, wenn
man einen kurzen Blick auf die vier großen Operationsgebiete unsrer Landes¬
verteidigung und Landesbefestigung wirft, die Oberstleutnant Schröter vom
Kriegsministerium in seinem kürzlich erschienenen interessanten Werke "Die
Festung in der heutigen Kriegführung" beschreibt. Die deutsche Fortifikations-
strategie unterscheidet danach eine westliche Zone -- Mosel, Rhein, Weser,
Donau; eine östliche Zone -- Pregel und litauische Seenreihe, Weichsel,
Warthe, obere und mittlere Oder; eine innere Zone -- untere Oder, Spree,
Havel, Elbe; die Küstenzone -- Ostsee, Nordsee, Kaiser-Wilhelm-Kanal.

In der westlichen Zone liegen an der vorgeschobnen Mosellinie die große
Grenzfestung Metz und der kleinere Platz Diedenhofen; auch besteht noch die
kleine Sperrfeste Bieses.

Am Oberrhein sind neuerdings kleinere Befestigungen zwischen Freiburg
im Breisgau und Lörrach gebaut worden, und an der Rheinlinie schützen Neu-
Breisach, Straßburg, mit der westlich vorgeschobnen Feste Kaiser Wilhelm II.,
Germersheim, Mainz, Koblenz, Köln, Wesel gegen Angriffe von Westen.
Sämtliche Plätze liegen an den Knotenpunkten wichtiger Operationslinien und
bilden zugleich Brückenköpfe. Die Stärke der Rheinfront hat es ermöglicht,
die ohnedies kürzere und als Operations- und Verteidigungsabschnitt weniger
geeignete Weserlinie bei der Landesbefestigung unberücksichtigt zu lassen. In
Süddeutschland beherrschen die beiden großen Festungen Ulm und Ingolstadt
das Operationsgebiet der Donau.

In der östlichen Zone bildet die große Festung Königsberg eine Art
Zentralbefestigung für die vorgeschobne Provinz Ostpreußen. Wichtige Seen-
defileen werden durch die Feste Boyen (Lötzen) und eine Anzahl kleinerer Be¬
festigungen an der masurischen Seenkette gesperrt. An der Weichsel liegen


Die Bedeutung des Militäretats von

entstehn, dann lautet die nächste Antwort, daß, ähnlich wie bei den Schiffs¬
neubauten, der fortwährende Kampf zwischen Panzerung und Geschoß zu
stärkern und dementsprechend kostspieligem Verteidigungsvorkehrungen zwingt.
Also widerstandsfähigere Panzer in Gestalt von Panzertürmen und Ein-
deckungen aller Art müssen geschaffen und, damit verbunden, muß der nicht billige
Belon an zahlreichen Stellen angewandt werden; außerdem aber müssen die
vielen neuzeitlichen Fortschritte der Technik, als da sind Beleuchtungsapparate,
Schmalspurbahnen, drahtlose Telegraphic, lenkbare Luftschiffe u. a. in., fortgesetzt
berücksichtigt werden, da ohne sie eine moderne Festung nicht bestehn kann.
Es liegt nun auf der Hand, daß auch noch höhere Forderungen, als sie
unsre Heeresverwaltung gestellt hat, nicht ausreichen würden, alle deutschen
Landbefestigungen umzubauen, zu verstärken oder neu auszurüsten. Deshalb
werden eben nach und nach die Festungen, deren militärischer Wert sich
wesentlich verringert hat, ausgelassen und nur solche Plätze ausgebaut, die in
einem Kriegsfalle aller Wahrscheinlichkeit nach berufen sein werden, eine erste
Rolle zu spielen. Daß damit in der vordersten Linie unsre großen Festungen
an der West- und der Ostgrenze gemeint sind, leuchtet um so mehr ein, wenn
man einen kurzen Blick auf die vier großen Operationsgebiete unsrer Landes¬
verteidigung und Landesbefestigung wirft, die Oberstleutnant Schröter vom
Kriegsministerium in seinem kürzlich erschienenen interessanten Werke „Die
Festung in der heutigen Kriegführung" beschreibt. Die deutsche Fortifikations-
strategie unterscheidet danach eine westliche Zone — Mosel, Rhein, Weser,
Donau; eine östliche Zone — Pregel und litauische Seenreihe, Weichsel,
Warthe, obere und mittlere Oder; eine innere Zone — untere Oder, Spree,
Havel, Elbe; die Küstenzone — Ostsee, Nordsee, Kaiser-Wilhelm-Kanal.

In der westlichen Zone liegen an der vorgeschobnen Mosellinie die große
Grenzfestung Metz und der kleinere Platz Diedenhofen; auch besteht noch die
kleine Sperrfeste Bieses.

Am Oberrhein sind neuerdings kleinere Befestigungen zwischen Freiburg
im Breisgau und Lörrach gebaut worden, und an der Rheinlinie schützen Neu-
Breisach, Straßburg, mit der westlich vorgeschobnen Feste Kaiser Wilhelm II.,
Germersheim, Mainz, Koblenz, Köln, Wesel gegen Angriffe von Westen.
Sämtliche Plätze liegen an den Knotenpunkten wichtiger Operationslinien und
bilden zugleich Brückenköpfe. Die Stärke der Rheinfront hat es ermöglicht,
die ohnedies kürzere und als Operations- und Verteidigungsabschnitt weniger
geeignete Weserlinie bei der Landesbefestigung unberücksichtigt zu lassen. In
Süddeutschland beherrschen die beiden großen Festungen Ulm und Ingolstadt
das Operationsgebiet der Donau.

In der östlichen Zone bildet die große Festung Königsberg eine Art
Zentralbefestigung für die vorgeschobne Provinz Ostpreußen. Wichtige Seen-
defileen werden durch die Feste Boyen (Lötzen) und eine Anzahl kleinerer Be¬
festigungen an der masurischen Seenkette gesperrt. An der Weichsel liegen


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[0210] Die Bedeutung des Militäretats von entstehn, dann lautet die nächste Antwort, daß, ähnlich wie bei den Schiffs¬ neubauten, der fortwährende Kampf zwischen Panzerung und Geschoß zu stärkern und dementsprechend kostspieligem Verteidigungsvorkehrungen zwingt. Also widerstandsfähigere Panzer in Gestalt von Panzertürmen und Ein- deckungen aller Art müssen geschaffen und, damit verbunden, muß der nicht billige Belon an zahlreichen Stellen angewandt werden; außerdem aber müssen die vielen neuzeitlichen Fortschritte der Technik, als da sind Beleuchtungsapparate, Schmalspurbahnen, drahtlose Telegraphic, lenkbare Luftschiffe u. a. in., fortgesetzt berücksichtigt werden, da ohne sie eine moderne Festung nicht bestehn kann. Es liegt nun auf der Hand, daß auch noch höhere Forderungen, als sie unsre Heeresverwaltung gestellt hat, nicht ausreichen würden, alle deutschen Landbefestigungen umzubauen, zu verstärken oder neu auszurüsten. Deshalb werden eben nach und nach die Festungen, deren militärischer Wert sich wesentlich verringert hat, ausgelassen und nur solche Plätze ausgebaut, die in einem Kriegsfalle aller Wahrscheinlichkeit nach berufen sein werden, eine erste Rolle zu spielen. Daß damit in der vordersten Linie unsre großen Festungen an der West- und der Ostgrenze gemeint sind, leuchtet um so mehr ein, wenn man einen kurzen Blick auf die vier großen Operationsgebiete unsrer Landes¬ verteidigung und Landesbefestigung wirft, die Oberstleutnant Schröter vom Kriegsministerium in seinem kürzlich erschienenen interessanten Werke „Die Festung in der heutigen Kriegführung" beschreibt. Die deutsche Fortifikations- strategie unterscheidet danach eine westliche Zone — Mosel, Rhein, Weser, Donau; eine östliche Zone — Pregel und litauische Seenreihe, Weichsel, Warthe, obere und mittlere Oder; eine innere Zone — untere Oder, Spree, Havel, Elbe; die Küstenzone — Ostsee, Nordsee, Kaiser-Wilhelm-Kanal. In der westlichen Zone liegen an der vorgeschobnen Mosellinie die große Grenzfestung Metz und der kleinere Platz Diedenhofen; auch besteht noch die kleine Sperrfeste Bieses. Am Oberrhein sind neuerdings kleinere Befestigungen zwischen Freiburg im Breisgau und Lörrach gebaut worden, und an der Rheinlinie schützen Neu- Breisach, Straßburg, mit der westlich vorgeschobnen Feste Kaiser Wilhelm II., Germersheim, Mainz, Koblenz, Köln, Wesel gegen Angriffe von Westen. Sämtliche Plätze liegen an den Knotenpunkten wichtiger Operationslinien und bilden zugleich Brückenköpfe. Die Stärke der Rheinfront hat es ermöglicht, die ohnedies kürzere und als Operations- und Verteidigungsabschnitt weniger geeignete Weserlinie bei der Landesbefestigung unberücksichtigt zu lassen. In Süddeutschland beherrschen die beiden großen Festungen Ulm und Ingolstadt das Operationsgebiet der Donau. In der östlichen Zone bildet die große Festung Königsberg eine Art Zentralbefestigung für die vorgeschobne Provinz Ostpreußen. Wichtige Seen- defileen werden durch die Feste Boyen (Lötzen) und eine Anzahl kleinerer Be¬ festigungen an der masurischen Seenkette gesperrt. An der Weichsel liegen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/210>, abgerufen am 05.02.2025.