Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches spärlicher fließen lassen, sondern aus der organischen Unzulänglichkeit der Quellen Daraus ist zugleich zu ersehen, wie mißlich es ist, die Fragen der Reichs¬ Die zweite Frage, die im preußischen Landtage besondre Bedeutung erlangt Mit den Leuten, die das Reichstagswahlrecht für das relativ beste Wahlrecht Maßgebliches und Unmaßgebliches spärlicher fließen lassen, sondern aus der organischen Unzulänglichkeit der Quellen Daraus ist zugleich zu ersehen, wie mißlich es ist, die Fragen der Reichs¬ Die zweite Frage, die im preußischen Landtage besondre Bedeutung erlangt Mit den Leuten, die das Reichstagswahlrecht für das relativ beste Wahlrecht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0155" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/311236"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_720" prev="#ID_719"> spärlicher fließen lassen, sondern aus der organischen Unzulänglichkeit der Quellen<lb/> selbst, aus denen das Reich seine Einnahmen schöpfen muß. Aber obwohl es sich<lb/> da um zwei ganz verschiedne Fragen handelt, ist es doch von der größten Be¬<lb/> deutung für die Lösung des Problems der Reichsfinanzreform, ob der größte<lb/> deutsche Einzelstaat in guter Finanzlage ist oder nicht. Jedenfalls wird man es<lb/> versteh» müssen, daß ein preußischer Finanzminister unmöglich dem an ihn heran¬<lb/> tretenden, so leichten Herzens ausgesprochenen Wunsch nach direkten Reichssteuern<lb/> nachgeben kann. Er kann unmöglich im Staatsministerium eine Maßregel befür¬<lb/> worten, die die preußischen Steuerzahler direkt in größerm Umfange belastet, während<lb/> es der Staat selbst trotz ungünstiger Finanzlage nicht für opportun hält, eine solche<lb/> Mehrbelastung in gleichem Umfange für seine eignen Zwecke vorzunehmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_721"> Daraus ist zugleich zu ersehen, wie mißlich es ist, die Fragen der Reichs¬<lb/> finanzreform aus ihrem Zusammenhang mit einzelstaatlichen und kommunalen Finanz¬<lb/> fragen herauszulösen. Es ist zwar nicht daran zu zweifeln, daß dieser Zusammenhang<lb/> den Urhebern der zahlreichen Reformvorschläge und den noch zahlreichern Kritikern,<lb/> die das Reichsschatzamt in Grund und Boden Monieren, ohne zu verraten, wie<lb/> man es besser machen soll, im Grunde wohl bewußt ist, aber in den meisten<lb/> Erörterungen tritt das nicht hervor, und deshalb wird der nicht besonders unter¬<lb/> richtete Durchschnittswähler häufig nicht begreifen können, warum man im Reich<lb/> immer nur mit den unpopulären Verbranchssteuern und ähnlichen Vorschlägen indirekter<lb/> Steuern kommt, jede direkte Besteuerung aber verschmäht. Und doch müßte es auch<lb/> dem mäßig begabten Steuerzahler klar sein, daß die Gesamtbelastung in Rechnung<lb/> gezogen werden muß; er würde sich gewiß am meisten wunder», wenn ein einseitig<lb/> aufgebautes System direkter Besteuerung den gesamten Bedarf in Reich, Einzelstaat<lb/> und kommunalen Verbänden zu tragen hätte. Er würde dann vielleicht auch zu<lb/> seinem Erstaunen die Erfahrung machen, daß, wenn der Ertrag gesichert sein soll,<lb/> die mittlern Einkommen bei einem solchen System viel schärfer herangezogen werden<lb/> müßten als jetzt.</p><lb/> <p xml:id="ID_722"> Die zweite Frage, die im preußischen Landtage besondre Bedeutung erlangt<lb/> hat, ist die Frage des Wahlrechts, die inzwischen von der Sozialdemokratie auf<lb/> die Straße getragen worden ist. Über das preußische Wahlrecht und das angebliche<lb/> Bedürfnis, es zu reformieren, ist in den Grenzboten kürzlich so Vortreffliches ge¬<lb/> sagt worden, daß wir an dieser Stelle lediglich darauf verweisen können. Wie<lb/> bei allen derartigen Fragen muß man unterscheiden können, was dabei auf sachlicher<lb/> Überzeugung beruht, und was nur aus taktischen Gründen um gewisser Wirkungen<lb/> willen behauptet wird, endlich auch, was uuter den gegebenen Verhältnissen möglich<lb/> und praktisch durchführbar ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_723" next="#ID_724"> Mit den Leuten, die das Reichstagswahlrecht für das relativ beste Wahlrecht<lb/> halten und darum wenigstens theoretisch wünschen müssen, daß diese Wohltat endlich<lb/> auch dem armen, unglücklichen, verwahrlosten preußischen Staat zuteil werden<lb/> möchte, brauchen wir uns hier nicht auseinanderzusetzen. Da handelt es sich um<lb/> Gegensätze, die nicht dadurch aus der Welt geschafft werden können, daß man den<lb/> Parteigegner von einem Irrtum zu überzeugen versucht. Man wird aber leider<lb/> feststellen müssen, daß die Fürsprecher der Übertragung des Reichstagswahlrechts<lb/> auf Preußen nur zum kleinen Teil mit Gründen arbeiten, in denen man auch als<lb/> Gegner eine achtungswerte, sachliche Überzeugung erkennen und respektieren muß.<lb/> Die Regel ist, daß mit Phrase». Entstellungen. Übertreibungen und direkten Un¬<lb/> wahrheiten gearbeitet wird. Man kann die Probe machen, wenn man sich gelegentlich<lb/> mit einem Ausländer unterhält, der sein Urteil über deutsche Verhältnisse aus<lb/> gewissen deutschen Blättern schöpft, die im Auslande vorzugsweise gelesen werden.<lb/> El» solcher Ausländer wird in das größte Erstaunen geraten, wenn er hört, daß</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0155]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
spärlicher fließen lassen, sondern aus der organischen Unzulänglichkeit der Quellen
selbst, aus denen das Reich seine Einnahmen schöpfen muß. Aber obwohl es sich
da um zwei ganz verschiedne Fragen handelt, ist es doch von der größten Be¬
deutung für die Lösung des Problems der Reichsfinanzreform, ob der größte
deutsche Einzelstaat in guter Finanzlage ist oder nicht. Jedenfalls wird man es
versteh» müssen, daß ein preußischer Finanzminister unmöglich dem an ihn heran¬
tretenden, so leichten Herzens ausgesprochenen Wunsch nach direkten Reichssteuern
nachgeben kann. Er kann unmöglich im Staatsministerium eine Maßregel befür¬
worten, die die preußischen Steuerzahler direkt in größerm Umfange belastet, während
es der Staat selbst trotz ungünstiger Finanzlage nicht für opportun hält, eine solche
Mehrbelastung in gleichem Umfange für seine eignen Zwecke vorzunehmen.
Daraus ist zugleich zu ersehen, wie mißlich es ist, die Fragen der Reichs¬
finanzreform aus ihrem Zusammenhang mit einzelstaatlichen und kommunalen Finanz¬
fragen herauszulösen. Es ist zwar nicht daran zu zweifeln, daß dieser Zusammenhang
den Urhebern der zahlreichen Reformvorschläge und den noch zahlreichern Kritikern,
die das Reichsschatzamt in Grund und Boden Monieren, ohne zu verraten, wie
man es besser machen soll, im Grunde wohl bewußt ist, aber in den meisten
Erörterungen tritt das nicht hervor, und deshalb wird der nicht besonders unter¬
richtete Durchschnittswähler häufig nicht begreifen können, warum man im Reich
immer nur mit den unpopulären Verbranchssteuern und ähnlichen Vorschlägen indirekter
Steuern kommt, jede direkte Besteuerung aber verschmäht. Und doch müßte es auch
dem mäßig begabten Steuerzahler klar sein, daß die Gesamtbelastung in Rechnung
gezogen werden muß; er würde sich gewiß am meisten wunder», wenn ein einseitig
aufgebautes System direkter Besteuerung den gesamten Bedarf in Reich, Einzelstaat
und kommunalen Verbänden zu tragen hätte. Er würde dann vielleicht auch zu
seinem Erstaunen die Erfahrung machen, daß, wenn der Ertrag gesichert sein soll,
die mittlern Einkommen bei einem solchen System viel schärfer herangezogen werden
müßten als jetzt.
Die zweite Frage, die im preußischen Landtage besondre Bedeutung erlangt
hat, ist die Frage des Wahlrechts, die inzwischen von der Sozialdemokratie auf
die Straße getragen worden ist. Über das preußische Wahlrecht und das angebliche
Bedürfnis, es zu reformieren, ist in den Grenzboten kürzlich so Vortreffliches ge¬
sagt worden, daß wir an dieser Stelle lediglich darauf verweisen können. Wie
bei allen derartigen Fragen muß man unterscheiden können, was dabei auf sachlicher
Überzeugung beruht, und was nur aus taktischen Gründen um gewisser Wirkungen
willen behauptet wird, endlich auch, was uuter den gegebenen Verhältnissen möglich
und praktisch durchführbar ist.
Mit den Leuten, die das Reichstagswahlrecht für das relativ beste Wahlrecht
halten und darum wenigstens theoretisch wünschen müssen, daß diese Wohltat endlich
auch dem armen, unglücklichen, verwahrlosten preußischen Staat zuteil werden
möchte, brauchen wir uns hier nicht auseinanderzusetzen. Da handelt es sich um
Gegensätze, die nicht dadurch aus der Welt geschafft werden können, daß man den
Parteigegner von einem Irrtum zu überzeugen versucht. Man wird aber leider
feststellen müssen, daß die Fürsprecher der Übertragung des Reichstagswahlrechts
auf Preußen nur zum kleinen Teil mit Gründen arbeiten, in denen man auch als
Gegner eine achtungswerte, sachliche Überzeugung erkennen und respektieren muß.
Die Regel ist, daß mit Phrase». Entstellungen. Übertreibungen und direkten Un¬
wahrheiten gearbeitet wird. Man kann die Probe machen, wenn man sich gelegentlich
mit einem Ausländer unterhält, der sein Urteil über deutsche Verhältnisse aus
gewissen deutschen Blättern schöpft, die im Auslande vorzugsweise gelesen werden.
El» solcher Ausländer wird in das größte Erstaunen geraten, wenn er hört, daß
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |