Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.Neujalirsgedcttiken die indirekten Steuern in solchen Zeiten zurückgehe in friedlicher Zeit dagegen Welchen angenehmen Kitzel mußte nun diesem umschmeichelten "König Kein Wunder! Unsre Zeit scheint mehr und mehr zu vergessen, daß es Neujalirsgedcttiken die indirekten Steuern in solchen Zeiten zurückgehe in friedlicher Zeit dagegen Welchen angenehmen Kitzel mußte nun diesem umschmeichelten „König Kein Wunder! Unsre Zeit scheint mehr und mehr zu vergessen, daß es <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0015" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/311096"/> <fw type="header" place="top"> Neujalirsgedcttiken</fw><lb/> <p xml:id="ID_17" prev="#ID_16"> die indirekten Steuern in solchen Zeiten zurückgehe in friedlicher Zeit dagegen<lb/> auch in ziemlicher Höhe mit Leichtigkeit getragen werden. Aber nicht nur Dok¬<lb/> trinarismus steckt hinter solcher kurzsichtigen Steuerpolitik, sondern auch ein Stück<lb/> Volksschmeichelei. Volksschmeichelei ist es auch, wenn man die untersten Schichten<lb/> womöglich von allen direkten Abgaben ganz entlasten möchte, damit ihnen ja<lb/> nur das ohnehin schwache Bewußtsein der Pflicht gegen den Staat möglichst<lb/> ausgetrieben wird; Volksschmeichelei ist es, wenn allerorten auf eine weitere<lb/> Demokratisierung des Wahlrechts und damit der einzelstaatlichen Volksvertretungen<lb/> hingearbeitet wird, statt daß man unentwegt an dem Grundsatz festhielte: die<lb/> Herrschaft im Staate darf unter gar keinen Umständen den Massen ausgeliefert<lb/> werden. Aber heute kriecht man um die Wette vor dem „König Demos", und<lb/> dieser Byzantinismus ist viel schlimmer als jeder andre.</p><lb/> <p xml:id="ID_18"> Welchen angenehmen Kitzel mußte nun diesem umschmeichelten „König<lb/> Demos" der jüngste Skandalprozeß verursachen! Wie ließ sich das benutzen,<lb/> um die schönsten Tiraden gegen die sittliche Fäulnis der „obern Stände" und<lb/> gegen den ganzen „Kapitalistenstaat" loszulassen, dem gegenüber die Tugend<lb/> der „Genossen" in makelloser Reinheit strahlte! Gewiß, wo man moralischen<lb/> Schmutz findet, da soll man ihn rücksichtslos auskehren, vor allem auf den<lb/> Höhen der Gesellschaft, wenn man dort der alten Pflicht vergißt: Mvlosse odli^s<lb/> und vergißt, daß das Schicksal eines Volkes von seinen führenden Ständen<lb/> abhängt. Aber war es wirklich nötig, war es eine Forderung des allgemeinen<lb/> Interesses, bis in die geheimsten Winkel des Privatlebens eines unbescholtnen<lb/> hochgestellten und verdienten Offiziers hineinzuleuchten, um den „Wahrheits¬<lb/> beweis" für die unter allen Umstünden beleidigenden Behauptungen des An¬<lb/> geklagten zu erbringen? Wenn das Mode wird, dann ist der Schuldloseste den<lb/> Praktiken jedes unbedenklichen Rechtsanwalts wehrlos ausgesetzt. Daß die<lb/> einst heißbegehrte, als Palladium einer unparteiischen Rechtspflege gepriesne<lb/> Öffentlichkeit des Verfahrens ihre höchst bedenklichen Seiten hat, ist bei dieser<lb/> Gelegenheit mehr als jemals hervorgetreten. Und das soll man uns nicht ein¬<lb/> reden, daß nur sittliche Empörung die Presse leitete, die, längst jeder Diskretion<lb/> entwöhnt, diese schmutzigen Geschichten in alle Welt verbreitete und dabei<lb/> auch noch Laster ganz unbefangen beinahe als etwas gewöhnliches besprach,<lb/> von denen bisher kein anständiger Mensch öffentlich geredet hat. Nein, die<lb/> Sensationslust hat da die Feder geführt, und Sensationslust hat diese breiten<lb/> Berichte gierig verschlungen. Ja man ging weiter. Man verallgemeinerte diesen<lb/> Fall und andre zu Anklagen gegen die Sittlichkeit in der Armee, die ein Pestherd<lb/> sein soll. Pharisäer! Wenn unser Heer das Volk in Waffen ist, dann sind ihre<lb/> Tugenden und Untugenden die des ganzen Volkes in allen seinen Schichten,<lb/> und nicht in der Armee liegt der Herd des Verderbens, sondern tiefer.</p><lb/> <p xml:id="ID_19" next="#ID_20"> Kein Wunder! Unsre Zeit scheint mehr und mehr zu vergessen, daß es<lb/> ewige sittliche Gesetze und unantastbare schwererrungne Kulturgüter gibt, auf<lb/> die kein Volk verzichten kann und darf, wenn es nicht der ärgsten Barbarei</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0015]
Neujalirsgedcttiken
die indirekten Steuern in solchen Zeiten zurückgehe in friedlicher Zeit dagegen
auch in ziemlicher Höhe mit Leichtigkeit getragen werden. Aber nicht nur Dok¬
trinarismus steckt hinter solcher kurzsichtigen Steuerpolitik, sondern auch ein Stück
Volksschmeichelei. Volksschmeichelei ist es auch, wenn man die untersten Schichten
womöglich von allen direkten Abgaben ganz entlasten möchte, damit ihnen ja
nur das ohnehin schwache Bewußtsein der Pflicht gegen den Staat möglichst
ausgetrieben wird; Volksschmeichelei ist es, wenn allerorten auf eine weitere
Demokratisierung des Wahlrechts und damit der einzelstaatlichen Volksvertretungen
hingearbeitet wird, statt daß man unentwegt an dem Grundsatz festhielte: die
Herrschaft im Staate darf unter gar keinen Umständen den Massen ausgeliefert
werden. Aber heute kriecht man um die Wette vor dem „König Demos", und
dieser Byzantinismus ist viel schlimmer als jeder andre.
Welchen angenehmen Kitzel mußte nun diesem umschmeichelten „König
Demos" der jüngste Skandalprozeß verursachen! Wie ließ sich das benutzen,
um die schönsten Tiraden gegen die sittliche Fäulnis der „obern Stände" und
gegen den ganzen „Kapitalistenstaat" loszulassen, dem gegenüber die Tugend
der „Genossen" in makelloser Reinheit strahlte! Gewiß, wo man moralischen
Schmutz findet, da soll man ihn rücksichtslos auskehren, vor allem auf den
Höhen der Gesellschaft, wenn man dort der alten Pflicht vergißt: Mvlosse odli^s
und vergißt, daß das Schicksal eines Volkes von seinen führenden Ständen
abhängt. Aber war es wirklich nötig, war es eine Forderung des allgemeinen
Interesses, bis in die geheimsten Winkel des Privatlebens eines unbescholtnen
hochgestellten und verdienten Offiziers hineinzuleuchten, um den „Wahrheits¬
beweis" für die unter allen Umstünden beleidigenden Behauptungen des An¬
geklagten zu erbringen? Wenn das Mode wird, dann ist der Schuldloseste den
Praktiken jedes unbedenklichen Rechtsanwalts wehrlos ausgesetzt. Daß die
einst heißbegehrte, als Palladium einer unparteiischen Rechtspflege gepriesne
Öffentlichkeit des Verfahrens ihre höchst bedenklichen Seiten hat, ist bei dieser
Gelegenheit mehr als jemals hervorgetreten. Und das soll man uns nicht ein¬
reden, daß nur sittliche Empörung die Presse leitete, die, längst jeder Diskretion
entwöhnt, diese schmutzigen Geschichten in alle Welt verbreitete und dabei
auch noch Laster ganz unbefangen beinahe als etwas gewöhnliches besprach,
von denen bisher kein anständiger Mensch öffentlich geredet hat. Nein, die
Sensationslust hat da die Feder geführt, und Sensationslust hat diese breiten
Berichte gierig verschlungen. Ja man ging weiter. Man verallgemeinerte diesen
Fall und andre zu Anklagen gegen die Sittlichkeit in der Armee, die ein Pestherd
sein soll. Pharisäer! Wenn unser Heer das Volk in Waffen ist, dann sind ihre
Tugenden und Untugenden die des ganzen Volkes in allen seinen Schichten,
und nicht in der Armee liegt der Herd des Verderbens, sondern tiefer.
Kein Wunder! Unsre Zeit scheint mehr und mehr zu vergessen, daß es
ewige sittliche Gesetze und unantastbare schwererrungne Kulturgüter gibt, auf
die kein Volk verzichten kann und darf, wenn es nicht der ärgsten Barbarei
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