Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Zehn Jahre deutscher Floiteilentwicklung

Wofür Deutschland nur eine Firma habe, England aber mehrere. Trotzdem
baut Deutschland nicht teurer.

Von der größten Bedeutung sind aber die Erklärungen des Staatssekretärs
über den Wert unsrer Schiffe, den übereifrige Marineschriftsteller herabzusetzen
ständig sich abmühen. "Mir liegt -- so führte Herr von Tirpitz aus -- eine
englische Tabelle vor, die die ganzen englischen Linienschiffe bis zur "King
Edward-Klasse" einschließlich als minderwertig und "Zehnminutenschiffe" be¬
zeichnet. ... Es ist vollkommen unwahr, daß unsre Schiffe denen andrer Mariner
nicht gleichwertig sind. Tatsache ist, daß alle unsre Schiffe stürkern Panzer
haben als die englischen, mit Ausnahme unsrer "Kaiser"-Klasse, von der ich
bereits vor einigen Tagen ausgeführt habe, daß sie nicht auf der Höhe steht.
Ich bitte aber zu bedenken, daß die Schiffe dieser Klasse nach einer großen
Pause in der Linienschiffskonstruktion bei uns gebaut sind, und daß eine solche
Pause naturgemäß nachteilig auf die Konstruktionsfühigkeit einer Marine wirkt....
Unsre seit 1900 gebauten Schiffe werden in der ganzen Marine als gleichwertig
mit den gleichzeitig gebauten englischen Schiffen betrachtet."

Endlich sei noch auf eine Ausführung des Staatssekretärs über die Unter¬
seeboote verwiesen, bei denen ja ebenfalls eine starke Rückständigkeit Deutsch¬
lands behauptet wird. Es gebe, sagte der Admiral, beim Vorgehen gegenüber
großen technischen Neuordnungen zwei Methoden: entweder nehme man keine
Rücksichten auf den Geldbeutel und auf das Personal, oder man gehe in Rücksicht
auf beides vor. Diese letztere Methode hätten wir gewählt. Das Maß von
Sicherheit, das überhaupt bei einer solchen Waffe möglich, sei erreicht worden.
Die Unterseebootsfrage sei ein besondres Beispiel, daß es nicht empfehlenswert
für eine Behörde sei, sich auf noch so wohlgemeintes Drängen hin von einer
wohlüberlegten Methode abbringen zu lassen.

Wie alle diese Erklärungen des Chefs unsrer Marineverwaltung in den
leitenden Kreisen des Flottenvereins gewirkt haben, wissen wir nicht. Auf die
Mitglieder der Budgetkommission haben sie einen so überzeugenden Eindruck
gemacht, daß die Vertreter der bürgerlichen Parteien insgesamt den Staats¬
sekretär ihres vollen, uneingeschränkten Vertrauens versichert haben. Dasselbe
wird, so ist zu hoffen, auch im Plenum des Reichstags der Fall sein, und von
der Volksvertretung wird die Meinung, daß die Leitung unsrer Marineverwaltung
in guten, treuen und sichern Händen sei, auch in die weitesten Schichten der
Nation dringen. Man darf wohl erwarten, daß, als weitre und hocherfreuliche
Wirkung dieser Verhandlungen, auch die im Flottenverein organisierten Freunde
eines seemächtigen Deutschlands künftig einmütig die Reichsmarineverwaltung
"icht bekämpfen, sondern unterstützen, ihren Bestrebungen neuen und starken
Anhang gewinnen und den Ausbau unsrer Kriegsflotte auf eine unerschütterliche
nationale Basis stellen. Die Geschichte erzählt von einem Hofkriegsrat in Wien,
der die Kriegsoperationen zu leiten sich unterfing. Ein gleiches Unding ist ein
Verein, der den Weg und das Tempo der Marineentwicklung dekretieren will.


Zehn Jahre deutscher Floiteilentwicklung

Wofür Deutschland nur eine Firma habe, England aber mehrere. Trotzdem
baut Deutschland nicht teurer.

Von der größten Bedeutung sind aber die Erklärungen des Staatssekretärs
über den Wert unsrer Schiffe, den übereifrige Marineschriftsteller herabzusetzen
ständig sich abmühen. „Mir liegt — so führte Herr von Tirpitz aus — eine
englische Tabelle vor, die die ganzen englischen Linienschiffe bis zur »King
Edward-Klasse« einschließlich als minderwertig und »Zehnminutenschiffe« be¬
zeichnet. ... Es ist vollkommen unwahr, daß unsre Schiffe denen andrer Mariner
nicht gleichwertig sind. Tatsache ist, daß alle unsre Schiffe stürkern Panzer
haben als die englischen, mit Ausnahme unsrer »Kaiser«-Klasse, von der ich
bereits vor einigen Tagen ausgeführt habe, daß sie nicht auf der Höhe steht.
Ich bitte aber zu bedenken, daß die Schiffe dieser Klasse nach einer großen
Pause in der Linienschiffskonstruktion bei uns gebaut sind, und daß eine solche
Pause naturgemäß nachteilig auf die Konstruktionsfühigkeit einer Marine wirkt....
Unsre seit 1900 gebauten Schiffe werden in der ganzen Marine als gleichwertig
mit den gleichzeitig gebauten englischen Schiffen betrachtet."

Endlich sei noch auf eine Ausführung des Staatssekretärs über die Unter¬
seeboote verwiesen, bei denen ja ebenfalls eine starke Rückständigkeit Deutsch¬
lands behauptet wird. Es gebe, sagte der Admiral, beim Vorgehen gegenüber
großen technischen Neuordnungen zwei Methoden: entweder nehme man keine
Rücksichten auf den Geldbeutel und auf das Personal, oder man gehe in Rücksicht
auf beides vor. Diese letztere Methode hätten wir gewählt. Das Maß von
Sicherheit, das überhaupt bei einer solchen Waffe möglich, sei erreicht worden.
Die Unterseebootsfrage sei ein besondres Beispiel, daß es nicht empfehlenswert
für eine Behörde sei, sich auf noch so wohlgemeintes Drängen hin von einer
wohlüberlegten Methode abbringen zu lassen.

Wie alle diese Erklärungen des Chefs unsrer Marineverwaltung in den
leitenden Kreisen des Flottenvereins gewirkt haben, wissen wir nicht. Auf die
Mitglieder der Budgetkommission haben sie einen so überzeugenden Eindruck
gemacht, daß die Vertreter der bürgerlichen Parteien insgesamt den Staats¬
sekretär ihres vollen, uneingeschränkten Vertrauens versichert haben. Dasselbe
wird, so ist zu hoffen, auch im Plenum des Reichstags der Fall sein, und von
der Volksvertretung wird die Meinung, daß die Leitung unsrer Marineverwaltung
in guten, treuen und sichern Händen sei, auch in die weitesten Schichten der
Nation dringen. Man darf wohl erwarten, daß, als weitre und hocherfreuliche
Wirkung dieser Verhandlungen, auch die im Flottenverein organisierten Freunde
eines seemächtigen Deutschlands künftig einmütig die Reichsmarineverwaltung
"icht bekämpfen, sondern unterstützen, ihren Bestrebungen neuen und starken
Anhang gewinnen und den Ausbau unsrer Kriegsflotte auf eine unerschütterliche
nationale Basis stellen. Die Geschichte erzählt von einem Hofkriegsrat in Wien,
der die Kriegsoperationen zu leiten sich unterfing. Ein gleiches Unding ist ein
Verein, der den Weg und das Tempo der Marineentwicklung dekretieren will.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0125" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/311206"/>
          <fw type="header" place="top"> Zehn Jahre deutscher Floiteilentwicklung</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_534" prev="#ID_533"> Wofür Deutschland nur eine Firma habe, England aber mehrere. Trotzdem<lb/>
baut Deutschland nicht teurer.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_535"> Von der größten Bedeutung sind aber die Erklärungen des Staatssekretärs<lb/>
über den Wert unsrer Schiffe, den übereifrige Marineschriftsteller herabzusetzen<lb/>
ständig sich abmühen. &#x201E;Mir liegt &#x2014; so führte Herr von Tirpitz aus &#x2014; eine<lb/>
englische Tabelle vor, die die ganzen englischen Linienschiffe bis zur »King<lb/>
Edward-Klasse« einschließlich als minderwertig und »Zehnminutenschiffe« be¬<lb/>
zeichnet. ... Es ist vollkommen unwahr, daß unsre Schiffe denen andrer Mariner<lb/>
nicht gleichwertig sind. Tatsache ist, daß alle unsre Schiffe stürkern Panzer<lb/>
haben als die englischen, mit Ausnahme unsrer »Kaiser«-Klasse, von der ich<lb/>
bereits vor einigen Tagen ausgeführt habe, daß sie nicht auf der Höhe steht.<lb/>
Ich bitte aber zu bedenken, daß die Schiffe dieser Klasse nach einer großen<lb/>
Pause in der Linienschiffskonstruktion bei uns gebaut sind, und daß eine solche<lb/>
Pause naturgemäß nachteilig auf die Konstruktionsfühigkeit einer Marine wirkt....<lb/>
Unsre seit 1900 gebauten Schiffe werden in der ganzen Marine als gleichwertig<lb/>
mit den gleichzeitig gebauten englischen Schiffen betrachtet."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_536"> Endlich sei noch auf eine Ausführung des Staatssekretärs über die Unter¬<lb/>
seeboote verwiesen, bei denen ja ebenfalls eine starke Rückständigkeit Deutsch¬<lb/>
lands behauptet wird. Es gebe, sagte der Admiral, beim Vorgehen gegenüber<lb/>
großen technischen Neuordnungen zwei Methoden: entweder nehme man keine<lb/>
Rücksichten auf den Geldbeutel und auf das Personal, oder man gehe in Rücksicht<lb/>
auf beides vor. Diese letztere Methode hätten wir gewählt. Das Maß von<lb/>
Sicherheit, das überhaupt bei einer solchen Waffe möglich, sei erreicht worden.<lb/>
Die Unterseebootsfrage sei ein besondres Beispiel, daß es nicht empfehlenswert<lb/>
für eine Behörde sei, sich auf noch so wohlgemeintes Drängen hin von einer<lb/>
wohlüberlegten Methode abbringen zu lassen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_537" next="#ID_538"> Wie alle diese Erklärungen des Chefs unsrer Marineverwaltung in den<lb/>
leitenden Kreisen des Flottenvereins gewirkt haben, wissen wir nicht. Auf die<lb/>
Mitglieder der Budgetkommission haben sie einen so überzeugenden Eindruck<lb/>
gemacht, daß die Vertreter der bürgerlichen Parteien insgesamt den Staats¬<lb/>
sekretär ihres vollen, uneingeschränkten Vertrauens versichert haben. Dasselbe<lb/>
wird, so ist zu hoffen, auch im Plenum des Reichstags der Fall sein, und von<lb/>
der Volksvertretung wird die Meinung, daß die Leitung unsrer Marineverwaltung<lb/>
in guten, treuen und sichern Händen sei, auch in die weitesten Schichten der<lb/>
Nation dringen. Man darf wohl erwarten, daß, als weitre und hocherfreuliche<lb/>
Wirkung dieser Verhandlungen, auch die im Flottenverein organisierten Freunde<lb/>
eines seemächtigen Deutschlands künftig einmütig die Reichsmarineverwaltung<lb/>
"icht bekämpfen, sondern unterstützen, ihren Bestrebungen neuen und starken<lb/>
Anhang gewinnen und den Ausbau unsrer Kriegsflotte auf eine unerschütterliche<lb/>
nationale Basis stellen. Die Geschichte erzählt von einem Hofkriegsrat in Wien,<lb/>
der die Kriegsoperationen zu leiten sich unterfing. Ein gleiches Unding ist ein<lb/>
Verein, der den Weg und das Tempo der Marineentwicklung dekretieren will.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0125] Zehn Jahre deutscher Floiteilentwicklung Wofür Deutschland nur eine Firma habe, England aber mehrere. Trotzdem baut Deutschland nicht teurer. Von der größten Bedeutung sind aber die Erklärungen des Staatssekretärs über den Wert unsrer Schiffe, den übereifrige Marineschriftsteller herabzusetzen ständig sich abmühen. „Mir liegt — so führte Herr von Tirpitz aus — eine englische Tabelle vor, die die ganzen englischen Linienschiffe bis zur »King Edward-Klasse« einschließlich als minderwertig und »Zehnminutenschiffe« be¬ zeichnet. ... Es ist vollkommen unwahr, daß unsre Schiffe denen andrer Mariner nicht gleichwertig sind. Tatsache ist, daß alle unsre Schiffe stürkern Panzer haben als die englischen, mit Ausnahme unsrer »Kaiser«-Klasse, von der ich bereits vor einigen Tagen ausgeführt habe, daß sie nicht auf der Höhe steht. Ich bitte aber zu bedenken, daß die Schiffe dieser Klasse nach einer großen Pause in der Linienschiffskonstruktion bei uns gebaut sind, und daß eine solche Pause naturgemäß nachteilig auf die Konstruktionsfühigkeit einer Marine wirkt.... Unsre seit 1900 gebauten Schiffe werden in der ganzen Marine als gleichwertig mit den gleichzeitig gebauten englischen Schiffen betrachtet." Endlich sei noch auf eine Ausführung des Staatssekretärs über die Unter¬ seeboote verwiesen, bei denen ja ebenfalls eine starke Rückständigkeit Deutsch¬ lands behauptet wird. Es gebe, sagte der Admiral, beim Vorgehen gegenüber großen technischen Neuordnungen zwei Methoden: entweder nehme man keine Rücksichten auf den Geldbeutel und auf das Personal, oder man gehe in Rücksicht auf beides vor. Diese letztere Methode hätten wir gewählt. Das Maß von Sicherheit, das überhaupt bei einer solchen Waffe möglich, sei erreicht worden. Die Unterseebootsfrage sei ein besondres Beispiel, daß es nicht empfehlenswert für eine Behörde sei, sich auf noch so wohlgemeintes Drängen hin von einer wohlüberlegten Methode abbringen zu lassen. Wie alle diese Erklärungen des Chefs unsrer Marineverwaltung in den leitenden Kreisen des Flottenvereins gewirkt haben, wissen wir nicht. Auf die Mitglieder der Budgetkommission haben sie einen so überzeugenden Eindruck gemacht, daß die Vertreter der bürgerlichen Parteien insgesamt den Staats¬ sekretär ihres vollen, uneingeschränkten Vertrauens versichert haben. Dasselbe wird, so ist zu hoffen, auch im Plenum des Reichstags der Fall sein, und von der Volksvertretung wird die Meinung, daß die Leitung unsrer Marineverwaltung in guten, treuen und sichern Händen sei, auch in die weitesten Schichten der Nation dringen. Man darf wohl erwarten, daß, als weitre und hocherfreuliche Wirkung dieser Verhandlungen, auch die im Flottenverein organisierten Freunde eines seemächtigen Deutschlands künftig einmütig die Reichsmarineverwaltung "icht bekämpfen, sondern unterstützen, ihren Bestrebungen neuen und starken Anhang gewinnen und den Ausbau unsrer Kriegsflotte auf eine unerschütterliche nationale Basis stellen. Die Geschichte erzählt von einem Hofkriegsrat in Wien, der die Kriegsoperationen zu leiten sich unterfing. Ein gleiches Unding ist ein Verein, der den Weg und das Tempo der Marineentwicklung dekretieren will.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/125
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/125>, abgerufen am 29.06.2024.