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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Die Früchte der Hardenprozesse

lassung angenommen werden, wo Zorn und Rachsucht seine Seele erfüllten,
sein Urteil trübten und seine ritterliche Gesinnung so zurückdrängten, daß er
sich zum großen Leidwesen seiner wahren Freunde und Verehrer in die Arme
journalistischer Streber warf.

Kurz, Moltke ist glänzend gerechtfertigt; auch was etwa von Harders
Behauptungen gegen andre Persönlichkeiten noch übrig bleibt, das erscheint jetzt
höchst unsicher und unglaubwürdig. Er selbst ist der Verleumdung aus grober
Fahrlässigkeit überführt worden, denn er hat auf ganz unsichern Grundlagen,
wenn auch, wie man ihm ja glauben mag, borg, Käs die schwersten Ver¬
dächtigungen gegen ehrenhafte Männer geschleudert. Harden hätte sich noch
einige Sympathien gerettet, wenn er bis zum Schluß tapfer aufgetreten wäre
und alle Folgen seiner Handlungsweise männlich auf sich genommen hätte,
aber seine Entschlüpfungsversuche mußten überall einen kläglichen Eindruck
machen. Die deutsche Presse kann sich bei ihm für den Schmutzfleck, der auf
ihr haften bleibt, bedanken. Harden hat ihrem Ansehen in der wirklich ge¬
bildeten Gesellschaft unendlich geschadet, und es ist kein Zufall, daß sich jetzt
wieder in bestimmten Kreisen leider eine starke antisemitische Bewegung zeigt.

Aber nicht nur das! War Harden wirklich berufen, hier nicht nur als
Anwalt der öffentlichen Moral, sondern auch als Befreier des Kaisers von einer
ihn verderblich beeinflussenden Umgebung aufzutreten? Es heißt doch den
Charakter des Monarchen, der überall eine seltne Selbständigkeit des Urteils
beweist und schon oft ohne jedes traditionelle Vorurteil die tüchtigsten Männer
an die richtige Stelle gesetzt hat, völlig verkennen, wenn man von einer
Kamarilla spricht, worunter man sich schlechterdings nichts Bestimmtes vorstellt
und bei ihm auch gar nichts Bestimmtes vorstellen kann, und wenn man ihm
zutraut, er kenne seine Umgebung nicht, wenngleich sich die geheimen Laster,
die dort ausgeübt werden sollten, nicht gerade breit zu machen pflegen. Es
war eine echt journalistische Überhebung, eine impertinente Anmaßung, sich hier
gewissermaßen als der politische Seelsorger des Kaisers aufzudrängen, wo
Harden doch sonst kaum eine Gelegenheit vorübergehn ließ, an dem Kaiser
und an der ganzen kaiserlichen Familie mit diabolischen Behagen von oben
herab oft hämische Kritik zu üben.

Das Schlimmste aber ist die sittliche Verwüstung, die dieser Prozeß an¬
gerichtet hat, denn er war nicht ein reinigendes Gewitter, sondern der schmutzige
Erguß eines Schlammvulkans. Das wird uns noch lange nachhängen. Harden
hat uns auch im Ausland aufs schwerste geschädigt; dort, wo man Deutschland
im allgemeinen so wenig kennt und oft so herzlich haßt, glaubte man natürlich
bereitwillig an all den moralischen Schmutz, der hier mit lüsternem Behagen
ausgebreitet wurde; man sah mit Vergnügen, wie angefault doch dieses deutsche
Volk sein müsse, das solche Elemente, noch dazu in der nächsten Umgebung
seines Kaisers, in sich barg, dessen Presse so eifrig und wohlgefällig in dem
Schmutze wühlte, der natürlich in andern fortgeschrittnern Ländern, wo es keinen


Die Früchte der Hardenprozesse

lassung angenommen werden, wo Zorn und Rachsucht seine Seele erfüllten,
sein Urteil trübten und seine ritterliche Gesinnung so zurückdrängten, daß er
sich zum großen Leidwesen seiner wahren Freunde und Verehrer in die Arme
journalistischer Streber warf.

Kurz, Moltke ist glänzend gerechtfertigt; auch was etwa von Harders
Behauptungen gegen andre Persönlichkeiten noch übrig bleibt, das erscheint jetzt
höchst unsicher und unglaubwürdig. Er selbst ist der Verleumdung aus grober
Fahrlässigkeit überführt worden, denn er hat auf ganz unsichern Grundlagen,
wenn auch, wie man ihm ja glauben mag, borg, Käs die schwersten Ver¬
dächtigungen gegen ehrenhafte Männer geschleudert. Harden hätte sich noch
einige Sympathien gerettet, wenn er bis zum Schluß tapfer aufgetreten wäre
und alle Folgen seiner Handlungsweise männlich auf sich genommen hätte,
aber seine Entschlüpfungsversuche mußten überall einen kläglichen Eindruck
machen. Die deutsche Presse kann sich bei ihm für den Schmutzfleck, der auf
ihr haften bleibt, bedanken. Harden hat ihrem Ansehen in der wirklich ge¬
bildeten Gesellschaft unendlich geschadet, und es ist kein Zufall, daß sich jetzt
wieder in bestimmten Kreisen leider eine starke antisemitische Bewegung zeigt.

Aber nicht nur das! War Harden wirklich berufen, hier nicht nur als
Anwalt der öffentlichen Moral, sondern auch als Befreier des Kaisers von einer
ihn verderblich beeinflussenden Umgebung aufzutreten? Es heißt doch den
Charakter des Monarchen, der überall eine seltne Selbständigkeit des Urteils
beweist und schon oft ohne jedes traditionelle Vorurteil die tüchtigsten Männer
an die richtige Stelle gesetzt hat, völlig verkennen, wenn man von einer
Kamarilla spricht, worunter man sich schlechterdings nichts Bestimmtes vorstellt
und bei ihm auch gar nichts Bestimmtes vorstellen kann, und wenn man ihm
zutraut, er kenne seine Umgebung nicht, wenngleich sich die geheimen Laster,
die dort ausgeübt werden sollten, nicht gerade breit zu machen pflegen. Es
war eine echt journalistische Überhebung, eine impertinente Anmaßung, sich hier
gewissermaßen als der politische Seelsorger des Kaisers aufzudrängen, wo
Harden doch sonst kaum eine Gelegenheit vorübergehn ließ, an dem Kaiser
und an der ganzen kaiserlichen Familie mit diabolischen Behagen von oben
herab oft hämische Kritik zu üben.

Das Schlimmste aber ist die sittliche Verwüstung, die dieser Prozeß an¬
gerichtet hat, denn er war nicht ein reinigendes Gewitter, sondern der schmutzige
Erguß eines Schlammvulkans. Das wird uns noch lange nachhängen. Harden
hat uns auch im Ausland aufs schwerste geschädigt; dort, wo man Deutschland
im allgemeinen so wenig kennt und oft so herzlich haßt, glaubte man natürlich
bereitwillig an all den moralischen Schmutz, der hier mit lüsternem Behagen
ausgebreitet wurde; man sah mit Vergnügen, wie angefault doch dieses deutsche
Volk sein müsse, das solche Elemente, noch dazu in der nächsten Umgebung
seines Kaisers, in sich barg, dessen Presse so eifrig und wohlgefällig in dem
Schmutze wühlte, der natürlich in andern fortgeschrittnern Ländern, wo es keinen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/116>, abgerufen am 22.07.2024.