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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Der Marquis von Larabas

euch gestickt und wollen das dem Prediger übergeben. Wir kommen ganz un¬
erwartet, um die lieben Menschen zu überraschen. Pastor Kabel ist nämlich mit
einer Pächterstochter aus unserm Trudstrup vermählt, wissen Sie, und es soll nun
eine wirkliche Überraschung werden.

Kalt vermochte sich lebhaft in die frohe Überraschung hineinzuversetzen, die dem
Dorfprediger und seiner Ehehälfte zuteil werden würde, wenn plötzlich eines schönen
Tags Ihre Gnaden des Ministers Gemahlin und deren Tochter ihnen mitten bei
Eierkuchen und Dünnbier ins Haus hineinplatzten.

Rose vermochte ihm den Gedanken vom Gesichte zu lesen, und sie sagte des¬
halb, leise lächelnd: Die Idee mit der Überraschung stammt von Mama.

Da wurde die alte Dame eifrig. Finden Sie nicht, Herr Kastberg, daß die
Idee gut ist?

"Herr Kastberg" sagte nichts, und Ihre Gnaden fuhr fort: Sind Sie viel¬
leicht mit dem Prediger Kastberg in Hjerneslev verwandt?

Kalt war es leider nicht, er erlaubte sich auch, Kattrup zu heißen und weder
mit dem Glöckner Kattrupp bei Se. Lukas noch mit dem Pächter Kattrup auf
Bellinge verwandt zu sein. Alles dieses schreckte jedoch Ihre Gnaden nicht ab.
Sie strahlte vor Freude am Erzählen und ließ sich eine schöne, stimmungsvolle Be¬
schreibung über die letzten Tage des alten Hosjttgermeisters liefern. Die Phantasie
hierbei machte Kalt alle Ehre. Dann erzählte sie von Jörgen, der sehr klein ge¬
wesen wäre, als Ihre Gnaden ihn zuletzt gesehen habe -- bis schließlich konstatiert
wurde, daß sie ihn achtmal im letzten Winter getroffen hatte, wobei er durchaus
nicht mehr so klein gewesen war.

Rose war noch nicht der Gesellschaft vorgestellt worden, da sie, wie Ihre
Gnaden mitteilte, erst neunzehn Jahre zählte. Kalt fand jedoch im stillen, daß sie
nicht mehr als achtzehn Jahre alt sein könne, und darin hatte er recht; denn sie
verbesserte die Mutter mit einem feinen, leichten Erröten, das sie allerliebst kleidete.

So erreichten sie endlich die Stelle, wo sich der Weg abbog, und Kalt erhob
sich nunmehr, um auszusteigen. Die Damen drückten ihm die Hand und dankten
ihm für seine Gefälligkeit; er selbst wünschte im stillen, daß die Fahrt noch länger
gedauert hätte, und gelobte sich feierlich, niemals wieder herabsetzend von einer
Exzellenz zu reden, die eine solche Tochter habe. Rose Markdcmuer fand, daß der
junge Gutsverwalter einem italienischen Künstler ähnle, doch Ihre Gnaden meinte,
daß dennoch etwas an ihm läge, das an eine Katze erinnere. Und dieses war
keineswegs so verwunderlich.

Stubberup lag noch fünf Viertelstunden weit entfernt, und als Kalt in das
Forsthaus kam, von dem aus der alte Hofjägermeister zu seiner Bequemlichkeit hatte
Telephon anlegen lassen, telephonierte er an den Gutsverwalter von Stubberup,
daß Ihre Gnaden, die Lehnsgräfin, den Pastor überraschen wollte. Und dieses
schuf ihm später eine getreue Freundin in der Gemahlin Seiner Wohlehrwürden
und bezeugte seinen eingebornen, praktischen Sinn.

(Fortsetzung folgt)




Der Marquis von Larabas

euch gestickt und wollen das dem Prediger übergeben. Wir kommen ganz un¬
erwartet, um die lieben Menschen zu überraschen. Pastor Kabel ist nämlich mit
einer Pächterstochter aus unserm Trudstrup vermählt, wissen Sie, und es soll nun
eine wirkliche Überraschung werden.

Kalt vermochte sich lebhaft in die frohe Überraschung hineinzuversetzen, die dem
Dorfprediger und seiner Ehehälfte zuteil werden würde, wenn plötzlich eines schönen
Tags Ihre Gnaden des Ministers Gemahlin und deren Tochter ihnen mitten bei
Eierkuchen und Dünnbier ins Haus hineinplatzten.

Rose vermochte ihm den Gedanken vom Gesichte zu lesen, und sie sagte des¬
halb, leise lächelnd: Die Idee mit der Überraschung stammt von Mama.

Da wurde die alte Dame eifrig. Finden Sie nicht, Herr Kastberg, daß die
Idee gut ist?

„Herr Kastberg" sagte nichts, und Ihre Gnaden fuhr fort: Sind Sie viel¬
leicht mit dem Prediger Kastberg in Hjerneslev verwandt?

Kalt war es leider nicht, er erlaubte sich auch, Kattrup zu heißen und weder
mit dem Glöckner Kattrupp bei Se. Lukas noch mit dem Pächter Kattrup auf
Bellinge verwandt zu sein. Alles dieses schreckte jedoch Ihre Gnaden nicht ab.
Sie strahlte vor Freude am Erzählen und ließ sich eine schöne, stimmungsvolle Be¬
schreibung über die letzten Tage des alten Hosjttgermeisters liefern. Die Phantasie
hierbei machte Kalt alle Ehre. Dann erzählte sie von Jörgen, der sehr klein ge¬
wesen wäre, als Ihre Gnaden ihn zuletzt gesehen habe — bis schließlich konstatiert
wurde, daß sie ihn achtmal im letzten Winter getroffen hatte, wobei er durchaus
nicht mehr so klein gewesen war.

Rose war noch nicht der Gesellschaft vorgestellt worden, da sie, wie Ihre
Gnaden mitteilte, erst neunzehn Jahre zählte. Kalt fand jedoch im stillen, daß sie
nicht mehr als achtzehn Jahre alt sein könne, und darin hatte er recht; denn sie
verbesserte die Mutter mit einem feinen, leichten Erröten, das sie allerliebst kleidete.

So erreichten sie endlich die Stelle, wo sich der Weg abbog, und Kalt erhob
sich nunmehr, um auszusteigen. Die Damen drückten ihm die Hand und dankten
ihm für seine Gefälligkeit; er selbst wünschte im stillen, daß die Fahrt noch länger
gedauert hätte, und gelobte sich feierlich, niemals wieder herabsetzend von einer
Exzellenz zu reden, die eine solche Tochter habe. Rose Markdcmuer fand, daß der
junge Gutsverwalter einem italienischen Künstler ähnle, doch Ihre Gnaden meinte,
daß dennoch etwas an ihm läge, das an eine Katze erinnere. Und dieses war
keineswegs so verwunderlich.

Stubberup lag noch fünf Viertelstunden weit entfernt, und als Kalt in das
Forsthaus kam, von dem aus der alte Hofjägermeister zu seiner Bequemlichkeit hatte
Telephon anlegen lassen, telephonierte er an den Gutsverwalter von Stubberup,
daß Ihre Gnaden, die Lehnsgräfin, den Pastor überraschen wollte. Und dieses
schuf ihm später eine getreue Freundin in der Gemahlin Seiner Wohlehrwürden
und bezeugte seinen eingebornen, praktischen Sinn.

(Fortsetzung folgt)




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[0104] Der Marquis von Larabas euch gestickt und wollen das dem Prediger übergeben. Wir kommen ganz un¬ erwartet, um die lieben Menschen zu überraschen. Pastor Kabel ist nämlich mit einer Pächterstochter aus unserm Trudstrup vermählt, wissen Sie, und es soll nun eine wirkliche Überraschung werden. Kalt vermochte sich lebhaft in die frohe Überraschung hineinzuversetzen, die dem Dorfprediger und seiner Ehehälfte zuteil werden würde, wenn plötzlich eines schönen Tags Ihre Gnaden des Ministers Gemahlin und deren Tochter ihnen mitten bei Eierkuchen und Dünnbier ins Haus hineinplatzten. Rose vermochte ihm den Gedanken vom Gesichte zu lesen, und sie sagte des¬ halb, leise lächelnd: Die Idee mit der Überraschung stammt von Mama. Da wurde die alte Dame eifrig. Finden Sie nicht, Herr Kastberg, daß die Idee gut ist? „Herr Kastberg" sagte nichts, und Ihre Gnaden fuhr fort: Sind Sie viel¬ leicht mit dem Prediger Kastberg in Hjerneslev verwandt? Kalt war es leider nicht, er erlaubte sich auch, Kattrup zu heißen und weder mit dem Glöckner Kattrupp bei Se. Lukas noch mit dem Pächter Kattrup auf Bellinge verwandt zu sein. Alles dieses schreckte jedoch Ihre Gnaden nicht ab. Sie strahlte vor Freude am Erzählen und ließ sich eine schöne, stimmungsvolle Be¬ schreibung über die letzten Tage des alten Hosjttgermeisters liefern. Die Phantasie hierbei machte Kalt alle Ehre. Dann erzählte sie von Jörgen, der sehr klein ge¬ wesen wäre, als Ihre Gnaden ihn zuletzt gesehen habe — bis schließlich konstatiert wurde, daß sie ihn achtmal im letzten Winter getroffen hatte, wobei er durchaus nicht mehr so klein gewesen war. Rose war noch nicht der Gesellschaft vorgestellt worden, da sie, wie Ihre Gnaden mitteilte, erst neunzehn Jahre zählte. Kalt fand jedoch im stillen, daß sie nicht mehr als achtzehn Jahre alt sein könne, und darin hatte er recht; denn sie verbesserte die Mutter mit einem feinen, leichten Erröten, das sie allerliebst kleidete. So erreichten sie endlich die Stelle, wo sich der Weg abbog, und Kalt erhob sich nunmehr, um auszusteigen. Die Damen drückten ihm die Hand und dankten ihm für seine Gefälligkeit; er selbst wünschte im stillen, daß die Fahrt noch länger gedauert hätte, und gelobte sich feierlich, niemals wieder herabsetzend von einer Exzellenz zu reden, die eine solche Tochter habe. Rose Markdcmuer fand, daß der junge Gutsverwalter einem italienischen Künstler ähnle, doch Ihre Gnaden meinte, daß dennoch etwas an ihm läge, das an eine Katze erinnere. Und dieses war keineswegs so verwunderlich. Stubberup lag noch fünf Viertelstunden weit entfernt, und als Kalt in das Forsthaus kam, von dem aus der alte Hofjägermeister zu seiner Bequemlichkeit hatte Telephon anlegen lassen, telephonierte er an den Gutsverwalter von Stubberup, daß Ihre Gnaden, die Lehnsgräfin, den Pastor überraschen wollte. Und dieses schuf ihm später eine getreue Freundin in der Gemahlin Seiner Wohlehrwürden und bezeugte seinen eingebornen, praktischen Sinn. (Fortsetzung folgt)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/104>, abgerufen am 29.06.2024.