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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Zur Frage der Deportation

dazu gekommen, wohl aber Originalarbeiten. Die slawische Literaturperiode
Rumäniens wird von den Einheimischen zu wenig beachtet und gewürdigt,
zum Teil noch aus falscher Scham, die ebenso unvernünftig ist, wie es die
Vernachlässigung der lateinischen Literaturperioden, Schriftsteller und Werke
in Westeuropa wäre.




Zur Frage der Deportation
Rudolf Glauning von

jie Frage der Deportation ist sowohl in der Budgetkommission
wie auch in der Justizdebatte des Reichstags zur Sprache ge¬
kommen. Staatssekretär Dernburg hat sich als absoluter Gegner
der Strafverschickung gezeigt, Staatssekretär Nieberding hält die
iZeit für den Reichstag noch uicht für gekommen, um sich schon
jetzt durch eine Resolution zugunsten dieses Gedankens festzulegen; er räumt
aber die große nationale, kolonialpolitische, juristische und auch finanzielle
Bedeutung dieser Frage ein und verspricht, daß sich die Justizverwaltung auch
in Zukunft mit dieser Frage beschäftigen wird.

Trotz dieses ablehnenden Verhaltens des Reichstags wird der Gedanke
der Deportation nicht einschlafen; dafür ist gesorgt. Die Frage der Straf¬
verschickung ist nicht von heute und auch nicht von gestern; der Kampf um sie
wogt unaufhörlich seit vielen Jahren, und es genügt wohl von denen, die
mannhaft für sie eintreten, Namen wie Professor Dr. Brück, Professor Dr. Heim-
berger, Obcrlandesgcrichtsrat Wagner, Generalleutnant von Liebert anzuführen,
um damit den Beweis zu bringen, daß es sich nicht nur um "Phantastereien"
und "falsche Humanität", und wie die Bestrebungen auf diesem Gebiet sonst
noch von den Gegnern bezeichnet werden mögen, handelt, sondern um das
zielbewußte Erkämpfen einer guten und für unser Vaterland in vieler Hinsicht
bedeutsamen Sache.

Das Verdienst des Hauptmanns a. D. Werther, der selbst ein alter
Afrikaner ist und demnach gerade auf diesem Gebiet über äußerst wichtige
Erfahrungen und Kenntnisse verfügt, ist es nun gewesen, im April vorigen
Jahres den Deportationsverband ins Leben gerufen zu haben.*) Dieser Ver¬
band hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Gedanken der Deportation, mehr
als es bisher geschehen ist, zu verbreiten, ihm Freunde und Gönner zu
werben und das Interesse hierfür auch in die weitesten Schichten unsers
Volkes hineinzutragen. Der Verband will über die Zweckmäßigkeit der



Die Grenzboten sind seit je überzeugte Anhänger der Deportationsstrafe gewesen und
halten diese Strafe trotz Dernburg und andrer Gegner auch jetzt noch für eine Einrichtung, die
unserm Volksleben nur zum Segen gereichen könnte.
Zur Frage der Deportation

dazu gekommen, wohl aber Originalarbeiten. Die slawische Literaturperiode
Rumäniens wird von den Einheimischen zu wenig beachtet und gewürdigt,
zum Teil noch aus falscher Scham, die ebenso unvernünftig ist, wie es die
Vernachlässigung der lateinischen Literaturperioden, Schriftsteller und Werke
in Westeuropa wäre.




Zur Frage der Deportation
Rudolf Glauning von

jie Frage der Deportation ist sowohl in der Budgetkommission
wie auch in der Justizdebatte des Reichstags zur Sprache ge¬
kommen. Staatssekretär Dernburg hat sich als absoluter Gegner
der Strafverschickung gezeigt, Staatssekretär Nieberding hält die
iZeit für den Reichstag noch uicht für gekommen, um sich schon
jetzt durch eine Resolution zugunsten dieses Gedankens festzulegen; er räumt
aber die große nationale, kolonialpolitische, juristische und auch finanzielle
Bedeutung dieser Frage ein und verspricht, daß sich die Justizverwaltung auch
in Zukunft mit dieser Frage beschäftigen wird.

Trotz dieses ablehnenden Verhaltens des Reichstags wird der Gedanke
der Deportation nicht einschlafen; dafür ist gesorgt. Die Frage der Straf¬
verschickung ist nicht von heute und auch nicht von gestern; der Kampf um sie
wogt unaufhörlich seit vielen Jahren, und es genügt wohl von denen, die
mannhaft für sie eintreten, Namen wie Professor Dr. Brück, Professor Dr. Heim-
berger, Obcrlandesgcrichtsrat Wagner, Generalleutnant von Liebert anzuführen,
um damit den Beweis zu bringen, daß es sich nicht nur um „Phantastereien"
und „falsche Humanität", und wie die Bestrebungen auf diesem Gebiet sonst
noch von den Gegnern bezeichnet werden mögen, handelt, sondern um das
zielbewußte Erkämpfen einer guten und für unser Vaterland in vieler Hinsicht
bedeutsamen Sache.

Das Verdienst des Hauptmanns a. D. Werther, der selbst ein alter
Afrikaner ist und demnach gerade auf diesem Gebiet über äußerst wichtige
Erfahrungen und Kenntnisse verfügt, ist es nun gewesen, im April vorigen
Jahres den Deportationsverband ins Leben gerufen zu haben.*) Dieser Ver¬
band hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Gedanken der Deportation, mehr
als es bisher geschehen ist, zu verbreiten, ihm Freunde und Gönner zu
werben und das Interesse hierfür auch in die weitesten Schichten unsers
Volkes hineinzutragen. Der Verband will über die Zweckmäßigkeit der



Die Grenzboten sind seit je überzeugte Anhänger der Deportationsstrafe gewesen und
halten diese Strafe trotz Dernburg und andrer Gegner auch jetzt noch für eine Einrichtung, die
unserm Volksleben nur zum Segen gereichen könnte.
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[0073] Zur Frage der Deportation dazu gekommen, wohl aber Originalarbeiten. Die slawische Literaturperiode Rumäniens wird von den Einheimischen zu wenig beachtet und gewürdigt, zum Teil noch aus falscher Scham, die ebenso unvernünftig ist, wie es die Vernachlässigung der lateinischen Literaturperioden, Schriftsteller und Werke in Westeuropa wäre. Zur Frage der Deportation Rudolf Glauning von jie Frage der Deportation ist sowohl in der Budgetkommission wie auch in der Justizdebatte des Reichstags zur Sprache ge¬ kommen. Staatssekretär Dernburg hat sich als absoluter Gegner der Strafverschickung gezeigt, Staatssekretär Nieberding hält die iZeit für den Reichstag noch uicht für gekommen, um sich schon jetzt durch eine Resolution zugunsten dieses Gedankens festzulegen; er räumt aber die große nationale, kolonialpolitische, juristische und auch finanzielle Bedeutung dieser Frage ein und verspricht, daß sich die Justizverwaltung auch in Zukunft mit dieser Frage beschäftigen wird. Trotz dieses ablehnenden Verhaltens des Reichstags wird der Gedanke der Deportation nicht einschlafen; dafür ist gesorgt. Die Frage der Straf¬ verschickung ist nicht von heute und auch nicht von gestern; der Kampf um sie wogt unaufhörlich seit vielen Jahren, und es genügt wohl von denen, die mannhaft für sie eintreten, Namen wie Professor Dr. Brück, Professor Dr. Heim- berger, Obcrlandesgcrichtsrat Wagner, Generalleutnant von Liebert anzuführen, um damit den Beweis zu bringen, daß es sich nicht nur um „Phantastereien" und „falsche Humanität", und wie die Bestrebungen auf diesem Gebiet sonst noch von den Gegnern bezeichnet werden mögen, handelt, sondern um das zielbewußte Erkämpfen einer guten und für unser Vaterland in vieler Hinsicht bedeutsamen Sache. Das Verdienst des Hauptmanns a. D. Werther, der selbst ein alter Afrikaner ist und demnach gerade auf diesem Gebiet über äußerst wichtige Erfahrungen und Kenntnisse verfügt, ist es nun gewesen, im April vorigen Jahres den Deportationsverband ins Leben gerufen zu haben.*) Dieser Ver¬ band hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Gedanken der Deportation, mehr als es bisher geschehen ist, zu verbreiten, ihm Freunde und Gönner zu werben und das Interesse hierfür auch in die weitesten Schichten unsers Volkes hineinzutragen. Der Verband will über die Zweckmäßigkeit der Die Grenzboten sind seit je überzeugte Anhänger der Deportationsstrafe gewesen und halten diese Strafe trotz Dernburg und andrer Gegner auch jetzt noch für eine Einrichtung, die unserm Volksleben nur zum Segen gereichen könnte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/73>, abgerufen am 23.07.2024.