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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Johann Friedrich von Schulte

das Konkordat geeignet sei. (Es entbrannten damals die kirchenpolitischen Kämpfe
in Österreich.) Im April übersendet Schulte dem Kardinal Berichte über die
Universitäten Bonn und Breslau und schreibt dazu: "Es geht daraus zur
Genüge hervor, daß, ich möchte sagen, je freier die katholische Kirche in Preußen
nach dem Wortlaute der Gesetze ist, man desto mehr in praxi die Katholiken
zu beeinträchtigen strebt____ Ich erfahre aus absolut sichrer Quelle, daß man
in ganz Deutschland nur darauf wartet, daß in Österreich der Kirche ihre Rechte
wieder entzogen werden, um den Sturm heftiger als je zu beginnen." In
Wien gedenke man zunächst, wie er von Thun erfahre, an eine Reform des
Eherechts zu gehn. Er bedaure unter diesen Umstünden, daß er nicht im
Landtage sitze, folglich auch nicht in den Reichsrat (der damals aus Landtags¬
abgeordneten bestand) kommen könne. Von den Mitgliedern der Landtage und
des Reichsrath sei keines den kirchenrechtlichen Fragen gewachsen; die Bischöfe
und überhaupt die Geistlichen seien doch eben keine Kanonisten. Sich um ein
Landtagsmandat zu bewerben, sei er nicht in der Lage gewesen. Ein solches
sei nur durch eins der beiden Komitees zu erlangen. Dem tschechischen habe
er natürlich nicht beitreten können. Dem deutschen aber ebensowenig; denn
dessen Programm fließe von ultraliberalem Geschwätz über und sei das Werk
eines jüdischen Redakteurs, der ihn wegen seiner kirchlichen Haltung bei jeder
Gelegenheit in bodenlos gemeiner Weise angreife und sogar die von Schuttes
Verlegern eingeschickten Buchhändleranzeigen seiner Werke zurückweise. Ein
kirchlich gesinnter Mann könne nur durch die tschechische Partei ein Mandat
erlangen.

Aus dieser Kirchenfeindschaft der deutschen, dem vorstehenden nach nicht
durchweg aus Ariern bestehenden Parteien erklärt sich zur Genüge die Angst
des Klerus vor den Deutschen und ihre Hinneigung zum Tschcchentum. Ein
Gespräch mit Rauscher ließ in Schulte den Eindruck zurück, daß das Treiben
der "Herbstzeitlosen" eine noch entschiednere Wendung des Episkopats zum
Tschechentum zur Folge haben werde. Diese Unterredung fand im Sommer 1867
statt. Hye. der damals das Kultusministerium interimistisch verwaltete, hatte
Schulte mich Wien berufen zur Teilnahme an Beratungen über Abänderungen
des Konkordats, die man im Einvernehmen mit der Kurie vorzunehmen gedachte.
Man vereinbarte einen Entwurf, und Schulte sollte nach Rom gehn, den Papst,
der ihm wohlwollte, dafür zu gewinnen. (Daraus wurde nichts, weil der kluge
Rauscher, von seinem klerikalen Eifer verblendet, durch eine große Dummheit
den Konkordatsfeinden zum Siege verhalf, während Schulte auf die Order zur
Abreise wartete.) Die Beratungen wurden bei Rauscher abgehalten, und dort
ereignete sich einmal eine hübsche Szene. Botschafter beim Vatikan war damals
der auch in der literarischen Welt bekannte Baron Hübner, der bis zum kritischen
Jahre 1859 Botschafter in Paris gewesen war. Dieser nahm an den Konferenzen
teil, und eines Tags, wo man auf die Exkommunikationen zu sprechen kam,
sagte er mit gefalteten Händen in der Haltung und mit der Miene eines Beters:


Johann Friedrich von Schulte

das Konkordat geeignet sei. (Es entbrannten damals die kirchenpolitischen Kämpfe
in Österreich.) Im April übersendet Schulte dem Kardinal Berichte über die
Universitäten Bonn und Breslau und schreibt dazu: „Es geht daraus zur
Genüge hervor, daß, ich möchte sagen, je freier die katholische Kirche in Preußen
nach dem Wortlaute der Gesetze ist, man desto mehr in praxi die Katholiken
zu beeinträchtigen strebt____ Ich erfahre aus absolut sichrer Quelle, daß man
in ganz Deutschland nur darauf wartet, daß in Österreich der Kirche ihre Rechte
wieder entzogen werden, um den Sturm heftiger als je zu beginnen." In
Wien gedenke man zunächst, wie er von Thun erfahre, an eine Reform des
Eherechts zu gehn. Er bedaure unter diesen Umstünden, daß er nicht im
Landtage sitze, folglich auch nicht in den Reichsrat (der damals aus Landtags¬
abgeordneten bestand) kommen könne. Von den Mitgliedern der Landtage und
des Reichsrath sei keines den kirchenrechtlichen Fragen gewachsen; die Bischöfe
und überhaupt die Geistlichen seien doch eben keine Kanonisten. Sich um ein
Landtagsmandat zu bewerben, sei er nicht in der Lage gewesen. Ein solches
sei nur durch eins der beiden Komitees zu erlangen. Dem tschechischen habe
er natürlich nicht beitreten können. Dem deutschen aber ebensowenig; denn
dessen Programm fließe von ultraliberalem Geschwätz über und sei das Werk
eines jüdischen Redakteurs, der ihn wegen seiner kirchlichen Haltung bei jeder
Gelegenheit in bodenlos gemeiner Weise angreife und sogar die von Schuttes
Verlegern eingeschickten Buchhändleranzeigen seiner Werke zurückweise. Ein
kirchlich gesinnter Mann könne nur durch die tschechische Partei ein Mandat
erlangen.

Aus dieser Kirchenfeindschaft der deutschen, dem vorstehenden nach nicht
durchweg aus Ariern bestehenden Parteien erklärt sich zur Genüge die Angst
des Klerus vor den Deutschen und ihre Hinneigung zum Tschcchentum. Ein
Gespräch mit Rauscher ließ in Schulte den Eindruck zurück, daß das Treiben
der „Herbstzeitlosen" eine noch entschiednere Wendung des Episkopats zum
Tschechentum zur Folge haben werde. Diese Unterredung fand im Sommer 1867
statt. Hye. der damals das Kultusministerium interimistisch verwaltete, hatte
Schulte mich Wien berufen zur Teilnahme an Beratungen über Abänderungen
des Konkordats, die man im Einvernehmen mit der Kurie vorzunehmen gedachte.
Man vereinbarte einen Entwurf, und Schulte sollte nach Rom gehn, den Papst,
der ihm wohlwollte, dafür zu gewinnen. (Daraus wurde nichts, weil der kluge
Rauscher, von seinem klerikalen Eifer verblendet, durch eine große Dummheit
den Konkordatsfeinden zum Siege verhalf, während Schulte auf die Order zur
Abreise wartete.) Die Beratungen wurden bei Rauscher abgehalten, und dort
ereignete sich einmal eine hübsche Szene. Botschafter beim Vatikan war damals
der auch in der literarischen Welt bekannte Baron Hübner, der bis zum kritischen
Jahre 1859 Botschafter in Paris gewesen war. Dieser nahm an den Konferenzen
teil, und eines Tags, wo man auf die Exkommunikationen zu sprechen kam,
sagte er mit gefalteten Händen in der Haltung und mit der Miene eines Beters:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/643>, abgerufen am 22.07.2024.