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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Der befestigte Grenzschutz Serbiens und Montenegros gegen Dsterreich

save führende Eisenbahnbrücke, die durch den Berliner Vertrag von 1878
neutral erklärt wurde, hat eine Länge von 460 Metern. Diese Nähe des
gegnerischen Ufers, die Möglichkeit, den artilleristischen Angriff durch Monitore
wirksamst zu unterstütze,?, sind gewiß Momente, die bei dem minderwertigen
Zustande der Festung sehr zuungunsten sprechen. Bei zweckmäßigen Vor¬
bereitungen des Gegners im Frieden dürfte Belgrad binnen weniger Tage zu
nehmen sein. Im Kriegsfalle ist allerdings eine Verstärkung der Befestigungen
durch Anlage flüchtiger Werke geplant. Inwieweit die Widerstandsfähigkeit
Belgrads gehoben werden kann, entzieht sich der Kenntnis. Es darf aber auch
"icht außer acht gelassen werden, daß dnrch ein Bombardement von der Wasser¬
seite und vom Lande aus die Stadt selbst bedeutend leiden würde, was aus
erklärliche" Gründen gewiß nicht ohne Einfluß auf die Widerstandsdauer der
Festung sein wird. ' -

Die Donaubrücke ist noch durch die Befestigungen von Semendria und
Kladvvo gesperrt. Semendria besitzt ein altes aus dem Jahre 1432 stammendes
Kastell mit 6 Meter hoher, von 24 Flankierungstürinen unterbrochner Um¬
fassungsmauer und einem 6 Meter tiefen trocknen Graben. Das Kastell ist
zurzeit nicht armiert, ist verfallen lind nicht verteidigungsfühig. Semendria ist
ein wichtiger Straßenknotenpunkt, von wo aus mehrere gute Kommunikationen
durch das Moravatal und gegen Pozarevae führen. Von ungarischer Seite
her zieht eine eingleisige Bahn bis unter die Tore Seinendrias, von diesem
nur durch das Strombett der Donau getrennt, und führt sodann im Morava-
tale gegen Risch weiter. Die Örtlichkeit um Semendria gewinnt überdies eine
besondre Bedeutung, da jenseits der Grenze ans ungarschen Boden mehrere
gute Sammelrüume liegen, die mit dem Hinterkante durch drei Schienenstränge
verbunden sind, und wo der Geguer in verhältnismäßig kurzer Zeit Kriegs¬
material ansammeln und nach einiger Vorbereitung über die Donau setzen kaun;
von hier können sich in dem Rücken des vor Belgrad stehenden Verteidigers
und im Moravatal aufwärts gttustige Operationsrichtuugen ergeben. In der
Donaustrecke Semendria-Golubac, wo sich an mehreren Stellen geeignete
Übergangspunkte über die Strombarriere finden, bestehn keine Befestigungen,
wiewohl ein nördlich von der Donau stehender Gegner in den Räumen um
Weißkirchen, in den Almas und Kmjna vorteilhafte Sammelbecken für Unter¬
nehmungen gegen das südliche Donauufer besitzt. Kladovo ist eine Depotfestung
mit bastionierter Umfassung und Neduit. befindet sich aber in schlechtem
Bauzustande.

Aus dem Gesagten geht hervor, daß von Serbien auf die Befestigungen
der Dvnaulinie wenig Gewicht gelegt wird, im Vertrauen auf die zwischen
Serbien und der Nachbarmouarchic bisher bestehenden guten politischen Be¬
ziehungen. Erst in der jüngsten Zeit ist die Idee einer Modernisierung der
Donauverteidigung ins Auge gefaßt worden. Inwieweit diese Pläne aus dem
Stadium der Erwägungen herausgewachsen sind, entzieht sich allgemeiner
Kenntnis. Doch ist wohl mit einiger Sicherheit anzunehmen, daß günstigen-


Der befestigte Grenzschutz Serbiens und Montenegros gegen Dsterreich

save führende Eisenbahnbrücke, die durch den Berliner Vertrag von 1878
neutral erklärt wurde, hat eine Länge von 460 Metern. Diese Nähe des
gegnerischen Ufers, die Möglichkeit, den artilleristischen Angriff durch Monitore
wirksamst zu unterstütze,?, sind gewiß Momente, die bei dem minderwertigen
Zustande der Festung sehr zuungunsten sprechen. Bei zweckmäßigen Vor¬
bereitungen des Gegners im Frieden dürfte Belgrad binnen weniger Tage zu
nehmen sein. Im Kriegsfalle ist allerdings eine Verstärkung der Befestigungen
durch Anlage flüchtiger Werke geplant. Inwieweit die Widerstandsfähigkeit
Belgrads gehoben werden kann, entzieht sich der Kenntnis. Es darf aber auch
"icht außer acht gelassen werden, daß dnrch ein Bombardement von der Wasser¬
seite und vom Lande aus die Stadt selbst bedeutend leiden würde, was aus
erklärliche« Gründen gewiß nicht ohne Einfluß auf die Widerstandsdauer der
Festung sein wird. ' -

Die Donaubrücke ist noch durch die Befestigungen von Semendria und
Kladvvo gesperrt. Semendria besitzt ein altes aus dem Jahre 1432 stammendes
Kastell mit 6 Meter hoher, von 24 Flankierungstürinen unterbrochner Um¬
fassungsmauer und einem 6 Meter tiefen trocknen Graben. Das Kastell ist
zurzeit nicht armiert, ist verfallen lind nicht verteidigungsfühig. Semendria ist
ein wichtiger Straßenknotenpunkt, von wo aus mehrere gute Kommunikationen
durch das Moravatal und gegen Pozarevae führen. Von ungarischer Seite
her zieht eine eingleisige Bahn bis unter die Tore Seinendrias, von diesem
nur durch das Strombett der Donau getrennt, und führt sodann im Morava-
tale gegen Risch weiter. Die Örtlichkeit um Semendria gewinnt überdies eine
besondre Bedeutung, da jenseits der Grenze ans ungarschen Boden mehrere
gute Sammelrüume liegen, die mit dem Hinterkante durch drei Schienenstränge
verbunden sind, und wo der Geguer in verhältnismäßig kurzer Zeit Kriegs¬
material ansammeln und nach einiger Vorbereitung über die Donau setzen kaun;
von hier können sich in dem Rücken des vor Belgrad stehenden Verteidigers
und im Moravatal aufwärts gttustige Operationsrichtuugen ergeben. In der
Donaustrecke Semendria-Golubac, wo sich an mehreren Stellen geeignete
Übergangspunkte über die Strombarriere finden, bestehn keine Befestigungen,
wiewohl ein nördlich von der Donau stehender Gegner in den Räumen um
Weißkirchen, in den Almas und Kmjna vorteilhafte Sammelbecken für Unter¬
nehmungen gegen das südliche Donauufer besitzt. Kladovo ist eine Depotfestung
mit bastionierter Umfassung und Neduit. befindet sich aber in schlechtem
Bauzustande.

Aus dem Gesagten geht hervor, daß von Serbien auf die Befestigungen
der Dvnaulinie wenig Gewicht gelegt wird, im Vertrauen auf die zwischen
Serbien und der Nachbarmouarchic bisher bestehenden guten politischen Be¬
ziehungen. Erst in der jüngsten Zeit ist die Idee einer Modernisierung der
Donauverteidigung ins Auge gefaßt worden. Inwieweit diese Pläne aus dem
Stadium der Erwägungen herausgewachsen sind, entzieht sich allgemeiner
Kenntnis. Doch ist wohl mit einiger Sicherheit anzunehmen, daß günstigen-


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[0627] Der befestigte Grenzschutz Serbiens und Montenegros gegen Dsterreich save führende Eisenbahnbrücke, die durch den Berliner Vertrag von 1878 neutral erklärt wurde, hat eine Länge von 460 Metern. Diese Nähe des gegnerischen Ufers, die Möglichkeit, den artilleristischen Angriff durch Monitore wirksamst zu unterstütze,?, sind gewiß Momente, die bei dem minderwertigen Zustande der Festung sehr zuungunsten sprechen. Bei zweckmäßigen Vor¬ bereitungen des Gegners im Frieden dürfte Belgrad binnen weniger Tage zu nehmen sein. Im Kriegsfalle ist allerdings eine Verstärkung der Befestigungen durch Anlage flüchtiger Werke geplant. Inwieweit die Widerstandsfähigkeit Belgrads gehoben werden kann, entzieht sich der Kenntnis. Es darf aber auch "icht außer acht gelassen werden, daß dnrch ein Bombardement von der Wasser¬ seite und vom Lande aus die Stadt selbst bedeutend leiden würde, was aus erklärliche« Gründen gewiß nicht ohne Einfluß auf die Widerstandsdauer der Festung sein wird. ' - Die Donaubrücke ist noch durch die Befestigungen von Semendria und Kladvvo gesperrt. Semendria besitzt ein altes aus dem Jahre 1432 stammendes Kastell mit 6 Meter hoher, von 24 Flankierungstürinen unterbrochner Um¬ fassungsmauer und einem 6 Meter tiefen trocknen Graben. Das Kastell ist zurzeit nicht armiert, ist verfallen lind nicht verteidigungsfühig. Semendria ist ein wichtiger Straßenknotenpunkt, von wo aus mehrere gute Kommunikationen durch das Moravatal und gegen Pozarevae führen. Von ungarischer Seite her zieht eine eingleisige Bahn bis unter die Tore Seinendrias, von diesem nur durch das Strombett der Donau getrennt, und führt sodann im Morava- tale gegen Risch weiter. Die Örtlichkeit um Semendria gewinnt überdies eine besondre Bedeutung, da jenseits der Grenze ans ungarschen Boden mehrere gute Sammelrüume liegen, die mit dem Hinterkante durch drei Schienenstränge verbunden sind, und wo der Geguer in verhältnismäßig kurzer Zeit Kriegs¬ material ansammeln und nach einiger Vorbereitung über die Donau setzen kaun; von hier können sich in dem Rücken des vor Belgrad stehenden Verteidigers und im Moravatal aufwärts gttustige Operationsrichtuugen ergeben. In der Donaustrecke Semendria-Golubac, wo sich an mehreren Stellen geeignete Übergangspunkte über die Strombarriere finden, bestehn keine Befestigungen, wiewohl ein nördlich von der Donau stehender Gegner in den Räumen um Weißkirchen, in den Almas und Kmjna vorteilhafte Sammelbecken für Unter¬ nehmungen gegen das südliche Donauufer besitzt. Kladovo ist eine Depotfestung mit bastionierter Umfassung und Neduit. befindet sich aber in schlechtem Bauzustande. Aus dem Gesagten geht hervor, daß von Serbien auf die Befestigungen der Dvnaulinie wenig Gewicht gelegt wird, im Vertrauen auf die zwischen Serbien und der Nachbarmouarchic bisher bestehenden guten politischen Be¬ ziehungen. Erst in der jüngsten Zeit ist die Idee einer Modernisierung der Donauverteidigung ins Auge gefaßt worden. Inwieweit diese Pläne aus dem Stadium der Erwägungen herausgewachsen sind, entzieht sich allgemeiner Kenntnis. Doch ist wohl mit einiger Sicherheit anzunehmen, daß günstigen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/627>, abgerufen am 22.07.2024.