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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Germanische Kunst für unser Volk in Waffen

aber er ist vieles. Attacken, Jagden, Biedermeierkränzchen, Japanische Matrosen,
Königstöchter auf ihrem Leibrößlein, Barmherzige Schwestern, Kentauren,
Leoparden, Füchse, Damhirsche, Möwen, Heiden, Hürden, Master, Wal¬
küren: Luft- und Heidereiterinnen, Rekruten und Remonten, Kommandeure,
Husaren, Kürassiere, Schwere Reiter, Feldartillerie im Vorgehn -- das Bild
ist bunt von Farben und Formen. Es ist nach Fontanes Rezept aus Großem
und Kleinem zusammengefügt. Aber seine reiche Buntheit klingt, wenn man
es länger betrachtet, zu einer schönen Melodie von germanischer Kraft zu¬
sammen: Jung Siegfried im Harnisch, in der Ulanka und im roten Rock,
Brunhilde im Flügelhelm, im Dreispitz und im Zylinder, Germanen mit
hellen und mit dunkeln Haaren, Germanen und die Rosse und die Waffen,
die sie lieben.

Aus der Weite des bunten Lebens, die er als Illustrator durchschweift,
kehrt der Künstler gern in das Gebiet des Jagdreitens und des Waffen¬
dienstes zurück. Seine Kunst ist ritterlich wie die Tätigkeit, die sie zum
Objekt hat, sie bleibt ritterlich sogar in der Satire. Wie fein hat er zum
Beispiel den Obersten gezeichnet, der beim Kaiserdiner im Kasino die Kameraden
aufforderte, die Fahne der Loyalität hochzuhalten, die sie alle schon mit der
Muttermilch eingesogen hätten. Aus der verwetterten Kraft dieses Gesichts,
das so gut zu den Schlachtenspangen darunter paßt, spricht so viel gewinnende
Offenheit, daß man es gern ansieht und dem Kommandomund die verun¬
glückte Phrase so wenig übelnimmt, wie man Blücher und Wrangel ihre
grammatischen Schwächen anrechnet. Man weiß, diese Züge verbergen nur
eins -- Güte. Jarl höhnt nicht, er neckt nur. Vor einigen Jahren
Personifizierte er die Berliner Kunst als Pallas Athene in der Uniform
des ersten Garderegiments zu Fuß und im Paradeschritt. Da brach die
liebenswürdige Art, wie er den ernsten, lockigen Jungfrauenkopf auf das
Mischwesen aus einem Jungfraucnrumpf und Grenadierpranken setzte und
mit der Grenadiermütze krönte, den bösen Versen, die daneben standen, die
Spitze ab.

Wenn man den Gedanken, den er mit dieser Zeichnung geweckt hat,
weiter denkt, findet man als Personifikation seiner Kunst eine Walküre.
Eine Walküre, den Flügelhelm auf dem Haupte, den Flaum der Wangen
von Locken umwallt, strahlenden Auges und ernsten Mundes wie die Glaukopis,
im Männersitz auf dem starken Roß, den Eschenschaft in der starken Faust,
nichts Zierliches an ihr, aber auch nichts Schwächliches und Kränkliches.


Germanische Kunst für unser Volk in Waffen

aber er ist vieles. Attacken, Jagden, Biedermeierkränzchen, Japanische Matrosen,
Königstöchter auf ihrem Leibrößlein, Barmherzige Schwestern, Kentauren,
Leoparden, Füchse, Damhirsche, Möwen, Heiden, Hürden, Master, Wal¬
küren: Luft- und Heidereiterinnen, Rekruten und Remonten, Kommandeure,
Husaren, Kürassiere, Schwere Reiter, Feldartillerie im Vorgehn — das Bild
ist bunt von Farben und Formen. Es ist nach Fontanes Rezept aus Großem
und Kleinem zusammengefügt. Aber seine reiche Buntheit klingt, wenn man
es länger betrachtet, zu einer schönen Melodie von germanischer Kraft zu¬
sammen: Jung Siegfried im Harnisch, in der Ulanka und im roten Rock,
Brunhilde im Flügelhelm, im Dreispitz und im Zylinder, Germanen mit
hellen und mit dunkeln Haaren, Germanen und die Rosse und die Waffen,
die sie lieben.

Aus der Weite des bunten Lebens, die er als Illustrator durchschweift,
kehrt der Künstler gern in das Gebiet des Jagdreitens und des Waffen¬
dienstes zurück. Seine Kunst ist ritterlich wie die Tätigkeit, die sie zum
Objekt hat, sie bleibt ritterlich sogar in der Satire. Wie fein hat er zum
Beispiel den Obersten gezeichnet, der beim Kaiserdiner im Kasino die Kameraden
aufforderte, die Fahne der Loyalität hochzuhalten, die sie alle schon mit der
Muttermilch eingesogen hätten. Aus der verwetterten Kraft dieses Gesichts,
das so gut zu den Schlachtenspangen darunter paßt, spricht so viel gewinnende
Offenheit, daß man es gern ansieht und dem Kommandomund die verun¬
glückte Phrase so wenig übelnimmt, wie man Blücher und Wrangel ihre
grammatischen Schwächen anrechnet. Man weiß, diese Züge verbergen nur
eins — Güte. Jarl höhnt nicht, er neckt nur. Vor einigen Jahren
Personifizierte er die Berliner Kunst als Pallas Athene in der Uniform
des ersten Garderegiments zu Fuß und im Paradeschritt. Da brach die
liebenswürdige Art, wie er den ernsten, lockigen Jungfrauenkopf auf das
Mischwesen aus einem Jungfraucnrumpf und Grenadierpranken setzte und
mit der Grenadiermütze krönte, den bösen Versen, die daneben standen, die
Spitze ab.

Wenn man den Gedanken, den er mit dieser Zeichnung geweckt hat,
weiter denkt, findet man als Personifikation seiner Kunst eine Walküre.
Eine Walküre, den Flügelhelm auf dem Haupte, den Flaum der Wangen
von Locken umwallt, strahlenden Auges und ernsten Mundes wie die Glaukopis,
im Männersitz auf dem starken Roß, den Eschenschaft in der starken Faust,
nichts Zierliches an ihr, aber auch nichts Schwächliches und Kränkliches.


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[0589] Germanische Kunst für unser Volk in Waffen aber er ist vieles. Attacken, Jagden, Biedermeierkränzchen, Japanische Matrosen, Königstöchter auf ihrem Leibrößlein, Barmherzige Schwestern, Kentauren, Leoparden, Füchse, Damhirsche, Möwen, Heiden, Hürden, Master, Wal¬ küren: Luft- und Heidereiterinnen, Rekruten und Remonten, Kommandeure, Husaren, Kürassiere, Schwere Reiter, Feldartillerie im Vorgehn — das Bild ist bunt von Farben und Formen. Es ist nach Fontanes Rezept aus Großem und Kleinem zusammengefügt. Aber seine reiche Buntheit klingt, wenn man es länger betrachtet, zu einer schönen Melodie von germanischer Kraft zu¬ sammen: Jung Siegfried im Harnisch, in der Ulanka und im roten Rock, Brunhilde im Flügelhelm, im Dreispitz und im Zylinder, Germanen mit hellen und mit dunkeln Haaren, Germanen und die Rosse und die Waffen, die sie lieben. Aus der Weite des bunten Lebens, die er als Illustrator durchschweift, kehrt der Künstler gern in das Gebiet des Jagdreitens und des Waffen¬ dienstes zurück. Seine Kunst ist ritterlich wie die Tätigkeit, die sie zum Objekt hat, sie bleibt ritterlich sogar in der Satire. Wie fein hat er zum Beispiel den Obersten gezeichnet, der beim Kaiserdiner im Kasino die Kameraden aufforderte, die Fahne der Loyalität hochzuhalten, die sie alle schon mit der Muttermilch eingesogen hätten. Aus der verwetterten Kraft dieses Gesichts, das so gut zu den Schlachtenspangen darunter paßt, spricht so viel gewinnende Offenheit, daß man es gern ansieht und dem Kommandomund die verun¬ glückte Phrase so wenig übelnimmt, wie man Blücher und Wrangel ihre grammatischen Schwächen anrechnet. Man weiß, diese Züge verbergen nur eins — Güte. Jarl höhnt nicht, er neckt nur. Vor einigen Jahren Personifizierte er die Berliner Kunst als Pallas Athene in der Uniform des ersten Garderegiments zu Fuß und im Paradeschritt. Da brach die liebenswürdige Art, wie er den ernsten, lockigen Jungfrauenkopf auf das Mischwesen aus einem Jungfraucnrumpf und Grenadierpranken setzte und mit der Grenadiermütze krönte, den bösen Versen, die daneben standen, die Spitze ab. Wenn man den Gedanken, den er mit dieser Zeichnung geweckt hat, weiter denkt, findet man als Personifikation seiner Kunst eine Walküre. Eine Walküre, den Flügelhelm auf dem Haupte, den Flaum der Wangen von Locken umwallt, strahlenden Auges und ernsten Mundes wie die Glaukopis, im Männersitz auf dem starken Roß, den Eschenschaft in der starken Faust, nichts Zierliches an ihr, aber auch nichts Schwächliches und Kränkliches.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/589>, abgerufen am 22.07.2024.