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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Das Theater als Kirche

Wergehn. den eine gute stehende Bühne auf den Geist der Nation haben
würde. Nationalgeist eines Volkes nenne ich die Ähnlichkeit und Überein¬
stimmung seiner Meinungen und Neigungen bei Gegenständen, worüber eme
andre Nation anders meint und empfindet. Nur der Schaubühne ist es
möglich, diese Übereinstimmung in einem hohen Grade zu bewirken weil sie
das ganze Gebiet des menschlichen Wissens durchwandert, alle Situationen
des Lebens erschöpft und in alle Winkel des Herzens dann er euckMt; well
sie alle Stände und Klassen in sich vereinigt und den geba "echten Weg zum
Verstände und zum Herzen hat. Wenn in allen unsern ducken mi Haupt-
zug herrschte. Wenn misre Dichter unter sich einig werden un -um festen
Bund zu diesem Zweck errichten wollten - wenn strenge Auswahl ihre
Arbeiten leitete, ihr Pinsel nur Volksgegenständen sich/^is e. mit e". in
Wort, wenn wir es erlebten, eine Nationalbühne zu haben, so wurden wi
anch eine Nation. Was kettete Griechenland so fest aneinander Was zogdas Volk so unwiderstehlich nach seiner Bühne? Nichts andres ° der vat
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Mische Inhalt der Stücke, der griechische Geist, das große überwältigende
Interesse des Staates, der bessern Menschheit, das in ^hum atmet

Bekanntlich hat der ideale Gemeinbesitz ihrer Kunst und Wissenscl^äst die
griechischen Staaten nicht abgehalten, sich gegenseitig zu zerfleischen; doch d s
nur nebenbei. Selbstverständlich handelt es sich hier nicht um d:e Eupen.
die. wie ich im ersten Artikel hervorgehoben habe, vom Chnste^hergestellt worden ist. und die unsern europäisch-amerikanischen Kulturkres
^schaffen hat; auch das atheistisch regierte Frankreich sah^t ans 'hin
^s. denn sein bürgerlicher Moralkatechismus weicht im wesentlichen vom
christlichen nicht ab. Es handelt sich um das. was ans em. en MMonm
Menschen eine Nation zu schaffen vermag, und wie le denk es in neu -
Ahnden Jahrhundert tatsächlich geworden ist. das h^n "r ^ Ohne
Zweifel ist diese volitiscle Schöpfung durch die nationale Begeisterung, dem
Vere!nen ^ Je'der Literatur gepflegt worden wa. ge^worden, und Schiller hat selbst nicht wenig dazu wgettagen^^ wecken. Hunderttausende von Jünglingen hatten ihre H rzm h°h r fehl^ n
gefühlt, wenn sie den alten Attinghausen seinem Mi 5^ ^°
verkaut, ans terre. schlich dich an!" Aber wer in°^ ^u in. d ß
°hre diese Bühnenwirkung die große Schöpfung der Jah ^6 und 870
unterblieben sein würde? Nicht aus einer Gesinnung. ^und Nöten ist sie hervorgegangen, jene hat nur den ^ den ehre
Leichtere; ja die Entscheidung von 1866 hat B'smarck mit der ihm
fAung stehenden Militärmacht geradezu gegen den ^en de u in
Mehrheit der Deutschen herbeigeführt, von den Polen die wdemal in der
preußischen Armee angekämpft haben, gar acht zu re en ^ s' " l>in
Nationalstaat kann Schiller gar nicht gedacht haben, ° - ^ ^^ die er sich beruft, keinen hatten; mit dem Staate, den er euv°^. k" "
" nur den athenischen Partikularstaat gemeint haben; nur den Nationalgeist


Das Theater als Kirche

Wergehn. den eine gute stehende Bühne auf den Geist der Nation haben
würde. Nationalgeist eines Volkes nenne ich die Ähnlichkeit und Überein¬
stimmung seiner Meinungen und Neigungen bei Gegenständen, worüber eme
andre Nation anders meint und empfindet. Nur der Schaubühne ist es
möglich, diese Übereinstimmung in einem hohen Grade zu bewirken weil sie
das ganze Gebiet des menschlichen Wissens durchwandert, alle Situationen
des Lebens erschöpft und in alle Winkel des Herzens dann er euckMt; well
sie alle Stände und Klassen in sich vereinigt und den geba »echten Weg zum
Verstände und zum Herzen hat. Wenn in allen unsern ducken mi Haupt-
zug herrschte. Wenn misre Dichter unter sich einig werden un -um festen
Bund zu diesem Zweck errichten wollten - wenn strenge Auswahl ihre
Arbeiten leitete, ihr Pinsel nur Volksgegenständen sich/^is e. mit e„. in
Wort, wenn wir es erlebten, eine Nationalbühne zu haben, so wurden wi
anch eine Nation. Was kettete Griechenland so fest aneinander Was zogdas Volk so unwiderstehlich nach seiner Bühne? Nichts andres ° der vat
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Mische Inhalt der Stücke, der griechische Geist, das große überwältigende
Interesse des Staates, der bessern Menschheit, das in ^hum atmet

Bekanntlich hat der ideale Gemeinbesitz ihrer Kunst und Wissenscl^äst die
griechischen Staaten nicht abgehalten, sich gegenseitig zu zerfleischen; doch d s
nur nebenbei. Selbstverständlich handelt es sich hier nicht um d:e Eupen.
die. wie ich im ersten Artikel hervorgehoben habe, vom Chnste^hergestellt worden ist. und die unsern europäisch-amerikanischen Kulturkres
^schaffen hat; auch das atheistisch regierte Frankreich sah^t ans 'hin
^s. denn sein bürgerlicher Moralkatechismus weicht im wesentlichen vom
christlichen nicht ab. Es handelt sich um das. was ans em. en MMonm
Menschen eine Nation zu schaffen vermag, und wie le denk es in neu -
Ahnden Jahrhundert tatsächlich geworden ist. das h^n "r ^ Ohne
Zweifel ist diese volitiscle Schöpfung durch die nationale Begeisterung, dem
Vere!nen ^ Je'der Literatur gepflegt worden wa. ge^worden, und Schiller hat selbst nicht wenig dazu wgettagen^^ wecken. Hunderttausende von Jünglingen hatten ihre H rzm h°h r fehl^ n
gefühlt, wenn sie den alten Attinghausen seinem Mi 5^ ^°
verkaut, ans terre. schlich dich an!" Aber wer in°^ ^u in. d ß
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unterblieben sein würde? Nicht aus einer Gesinnung. ^und Nöten ist sie hervorgegangen, jene hat nur den ^ den ehre
Leichtere; ja die Entscheidung von 1866 hat B'smarck mit der ihm
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Mehrheit der Deutschen herbeigeführt, von den Polen die wdemal in der
preußischen Armee angekämpft haben, gar acht zu re en ^ s' » l>in
Nationalstaat kann Schiller gar nicht gedacht haben, ° - ^ ^^ die er sich beruft, keinen hatten; mit dem Staate, den er euv°^. k« "
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[0439] Das Theater als Kirche Wergehn. den eine gute stehende Bühne auf den Geist der Nation haben würde. Nationalgeist eines Volkes nenne ich die Ähnlichkeit und Überein¬ stimmung seiner Meinungen und Neigungen bei Gegenständen, worüber eme andre Nation anders meint und empfindet. Nur der Schaubühne ist es möglich, diese Übereinstimmung in einem hohen Grade zu bewirken weil sie das ganze Gebiet des menschlichen Wissens durchwandert, alle Situationen des Lebens erschöpft und in alle Winkel des Herzens dann er euckMt; well sie alle Stände und Klassen in sich vereinigt und den geba »echten Weg zum Verstände und zum Herzen hat. Wenn in allen unsern ducken mi Haupt- zug herrschte. Wenn misre Dichter unter sich einig werden un -um festen Bund zu diesem Zweck errichten wollten - wenn strenge Auswahl ihre Arbeiten leitete, ihr Pinsel nur Volksgegenständen sich/^is e. mit e„. in Wort, wenn wir es erlebten, eine Nationalbühne zu haben, so wurden wi anch eine Nation. Was kettete Griechenland so fest aneinander Was zogdas Volk so unwiderstehlich nach seiner Bühne? Nichts andres ° der vat ^- Mische Inhalt der Stücke, der griechische Geist, das große überwältigende Interesse des Staates, der bessern Menschheit, das in ^hum atmet Bekanntlich hat der ideale Gemeinbesitz ihrer Kunst und Wissenscl^äst die griechischen Staaten nicht abgehalten, sich gegenseitig zu zerfleischen; doch d s nur nebenbei. Selbstverständlich handelt es sich hier nicht um d:e Eupen. die. wie ich im ersten Artikel hervorgehoben habe, vom Chnste^hergestellt worden ist. und die unsern europäisch-amerikanischen Kulturkres ^schaffen hat; auch das atheistisch regierte Frankreich sah^t ans 'hin ^s. denn sein bürgerlicher Moralkatechismus weicht im wesentlichen vom christlichen nicht ab. Es handelt sich um das. was ans em. en MMonm Menschen eine Nation zu schaffen vermag, und wie le denk es in neu - Ahnden Jahrhundert tatsächlich geworden ist. das h^n "r ^ Ohne Zweifel ist diese volitiscle Schöpfung durch die nationale Begeisterung, dem Vere!nen ^ Je'der Literatur gepflegt worden wa. ge^worden, und Schiller hat selbst nicht wenig dazu wgettagen^^ wecken. Hunderttausende von Jünglingen hatten ihre H rzm h°h r fehl^ n gefühlt, wenn sie den alten Attinghausen seinem Mi 5^ ^° verkaut, ans terre. schlich dich an!" Aber wer in°^ ^u in. d ß °hre diese Bühnenwirkung die große Schöpfung der Jah ^6 und 870 unterblieben sein würde? Nicht aus einer Gesinnung. ^und Nöten ist sie hervorgegangen, jene hat nur den ^ den ehre Leichtere; ja die Entscheidung von 1866 hat B'smarck mit der ihm fAung stehenden Militärmacht geradezu gegen den ^en de u in Mehrheit der Deutschen herbeigeführt, von den Polen die wdemal in der preußischen Armee angekämpft haben, gar acht zu re en ^ s' » l>in Nationalstaat kann Schiller gar nicht gedacht haben, ° - ^ ^^ die er sich beruft, keinen hatten; mit dem Staate, den er euv°^. k« " « nur den athenischen Partikularstaat gemeint haben; nur den Nationalgeist

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/439>, abgerufen am 22.07.2024.